Interview mit Karsten Fehr Über das Leben eines parteilosen Bürgermeisters

RHEINBREITBACH · Der Bürgermeister ist früh dran. Karsten Fehr, Ortschef in Rheinbreitbach, sitzt bereits in einem Strandstuhl des Biergartens "Auf dem Salmenfang". Er trägt Sandalen, kurze Hose, Polo-Hemd und Sonnenbrille. Die untergehende Sonne spiegelt sich im Rhein, ein lauer Abendwind weht.

 Fernab jeder Windpark-Debatte: Karsten Fehr beim Sommer-Interview im Rheinbreitbacher Biergarten

Fernab jeder Windpark-Debatte: Karsten Fehr beim Sommer-Interview im Rheinbreitbacher Biergarten

Foto: Frank Homann

Der erste Bürger des Ortes ist in Sommerlaune. Eine gute Basis für ein Sommer-Interview. Im Interview spricht er über das Leben eines parteilosen Bürgermeisters, die Doppelbelastung und, ach ja, über den Windpark.

Herr Fehr, lästern Sie gerne?
Karsten Fehr: Nein, weniger. Ich schlucke es meist lieber herunter. Mir liegt das rheinische Sprichwort nicht so sehr: Der ist janz wat Besonderes. Der kann sojar drei Sprachen: Hochdeutsch, Platt und über andere.

Würden Sie für mich eine Ausnahme machen?
Fehr: Wenn Sie es wünschen. Ich bin schließlich nicht als Bürgermeister geboren.

Es heißt: Parteien sind nur Treffpunkte für Leute, die auf natürlichem Wege keine Freunde finden. Nun kommen Sie: Als parteiloser Bürgermeister können Sie ihrem Lästertrieb jetzt freien Lauf lassen.
Fehr (lacht): Mir gefällt ein anderer Spruch besser: Kennen Sie die Steigerungsform von Feind? Erzfeind, Parteifreund. Aber mal im Ernst: Ich sehe keinerlei Veranlassung, einer politischen Partei anzugehören. Für mich sind die Interessen vor Ort entscheidend, nicht der Fraktionszwang. Aber der Trend geht ja ohnehin zum parteilosen Bürgermeister. Es gibt seit Kurzem einen Verein der parteilosen Bürgermeister.

Klingt ein wenig nach einer anonymen Selbsthilfegruppe.
Fehr: Das ist Ihre Interpretation.

Hat parteilos zu sein nur Vorteile?
Fehr: Keineswegs. Das Amt zu kriegen, war nicht so schwierig wie es auszuüben. Als Parteiloser hat man nicht den Rückhalt, nicht den breiten Erfahrungsschatz. Aber, und darauf bin ich stolz: Wir haben trotzdem viele Anträge mit einstimmigen Beschlüssen verabschiedet. Das geht nur mit guter Überzeugungsarbeit.

Sie sind nicht nur parteilos, sondern auch in Doppelfunktion tätig - als Bürgermeister der Verbandsgemeinde und der Ortsgemeinde Rheinbreitbach. Wie sehr belastet Sie diese Doppelrolle?
Fehr: Enorm. Die Doppelfunktion ist wahnsinnig zeitintensiv. So ein Abend wie heute, an dem ich gemütlich im Biergarten sitzen kann, kommt so gut wie nie vor. Man ist ständig Ansprechpartner - selbst abends beim Spaziergang mit meiner Frau. Außerdem gibt es hin und wieder widerstreitende Interessen.

Sitzt dann Karsten Fehr mit Karsten Fehr am Verhandlungstisch?
Fehr: Nein. In solchen Fällen lasse ich meine Ersten Beigeordneten verhandeln. Das hat schon mehrmals gut geklappt.

Wissen Sie eigentlich immer, in welcher Funktion Sie gerade unterwegs sind?
Fehr (lacht): Ja, noch leide ich nicht unter Schizophrenie. Wobei die Doppelrolle manchmal heiter sein kann: Neulich besuchte ich die Jahreshauptversammlung der Rheinbreitbacher Karnevalsgesellschaft, als mich der Vorsitzende offiziell mit den Worten begrüßte: "Lieber VG-Bürgermeister Herr Fehr, lieber Ortsbürgermeister Karsten".

Im nächsten Jahr werden Sie sich in Rheinbreitbach nicht mehr zur Wahl stellen. Ist die Vorfreude groß?
Fehr: Fragen Sie mal meine Frau: Die freut sich riesig. Bei mir ist es eher ein lachendes und weinendes Auge. Es wäre noch einiges anzupacken, wie etwa die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED.

Sie haben in den nächsten Monaten andere Sorgen.
Fehr: Sie wollen doch wohl nicht mit mir über den Windpark reden.

Das wundert Sie nicht wirklich?
Fehr: Natürlich nicht. Ich werde ja dauernd damit konfrontiert, auch im Biergarten. Aber sehen Sie sich um: Sehen Sie hier ein Windrad? Und ich verrate Ihnen etwas: Auch künftig werden Sie von hier aus keine sehen.

Aber von anderswo sehr wohl. Erpels Bürgermeisterin Cilly Adenauer hat im Sommer-Interview gesagt, sie sei sich ganz sicher, dass der Windpark kommen werde. Sind Sie ähnlich überzeugt?
Fehr: Ich bin da leidenschaftsloser. Wenn es gelingt, dann gelingt es, weil die Gutachten eine Verträglichkeit mit der Natur belegen. Ich kann also gar nicht sicher sein, da die Gutachten noch nicht da sind. Aber: Der Weg ist eingeschlagen und wird auch zu Ende geführt.

Sie wissen, dass Sie ein Diplomat sind, wie er im Buche steht?
Fehr (lacht): Ja, das gehört zum Job dazu.

Wie der Anzug und die Krawatte? Würden Sie lieber so, wie Sie jetzt vor mir sitzen, Ihr Amt ausüben?
Fehr: Drei Mal dürfen Sie raten. Ich bin kein Anzug-Krawatten-Typ. Sie ahnen nicht, wie schnell der Anzug abgestreift ist, wenn ich nach Hause komme.

Noch einmal zurück zum Thema Windkraft. Vor etwa einer Woche hat der Kreisausschuss im Rhein-Sieg-Kreis eine Resolution gegen den Windpark auf dem Asberg unterzeichnet. Ärgert Sie das?
Fehr (überlegt kurz): Wie soll ich das sagen, ohne zu lästern? Die Resolution können sie im Kreis gerne unterschreiben. Sie ändert nur nichts. Wenn die Voraussetzungen für den Windpark gegeben sind, besteht für den Projektierer ein gesetzlicher Anspruch. Aber es wird in unsere Abwägung mit einfließen.

Der Diplomat spricht.
Fehr: Was soll ich sonst sagen? Ich will nicht lästern.

Auf einer Skala von null bis zehn: Wie viel wissen Sie über Windenergie?
Fehr: Täglich mehr. Also: acht.

Und wie wichtig ist Ihnen der Windpark?
Fehr: Eine glatte zehn.

Die Sonne geht in wenigen Minuten hinterm Rolandseck unter. Zeit für die letzte Frage. Sie stehen politisch im Fokus der Windpark-Debatte. Würden Sie es als Niederlage empfinden, wenn der Windpark scheitert?
Fehr: Überhaupt nicht. Das hat nichts mit Karsten Fehr zu tun. Es geht um die Energiewende - und mehr als 90 Prozent der Bürger, die mich privat auf den Windpark ansprechen, wollen diese Wende.

Zur Person

Karsten Fehr ist am 10. Juni 1962 in Bonn geboren. Mit 14 Jahren zieht er nach Rheinbreitbach. Fehr macht Abitur am Siebengebirgsgymnasium in Bad Honnef und studiert dann Rechtswissenschaften in Bonn. Jahrelang arbeitet er als Anwalt, zuletzt mit einer eigenen Kanzlei in Rheinbreitbach. 2004 wird er in den Ortsgemeinderat Rheinbreitbach als Parteiloser auf der SPD-Liste gewählt. Fünf Jahre später wird er Ortsbürgermeister von Rheinbreitbach. 2012 wird er zudem Bürgermeister der Verbandsgemeinde Unkel. Fehr ist verheiratet und hat eine Tochter (20) und einen Sohn (16).

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