GA-Sportgespräch Vereinsvertreter diskutieren über Unkeler Sportlandschaft

UNKEL · Die Sportlandschaft ist in Bewegung, auch in der Verbandsgemeinde Unkel. Hier kämpfen zwar nicht so viele Vereine wie anderswo ums Überleben, doch auch hier ist es schwieriger denn je, junge Menschen für einen Verein zu begeistern und aus dem Kreis der Mitglieder Ehrenamtliche zu gewinnen.

Der General-Anzeiger hat vier Vertreter von Sportvereinen der Verbandsgemeinde Unkel an einen Tisch geholt, genauer: ins Vereinsheim des Fußballvereins Rot-Weiß Erpel. Dennis Betzholz sprach mit Lothar Bonn (RW Erpel), Stephan Hintze (SV Rot-Weiß Rheinbreitbach), Bernd Richarz (Kanu-Club Unkel) sowie Mike Hentschel (Reitverein Bruchhausen) über die derzeitige Situation und den Sportverein in der Zukunft.

13.000 Einwohner, 15 Sportvereine: Ist die Verbandsgemeinde Unkel sportbegeistert?

Bernd Richarz: Ja, sicher. Sehen Sie mal, was hier neben Fußball noch alles angeboten wird: von Kanu über Karate, von Nordic Walking bis Ballett. Die Verbandsgemeinde kann stolz auf ihre Sportlandschaft sein. Wir brauchen uns hier vor niemandem zu verstecken.

Stephan Hintze: Wir stehen natürlich in direkter Konkurrenz mit Bad Honnef, gerade wir in Rheinbreitbach. Die haben alles, und die Fluktuation dahin ist groß. Umgekehrt ist jedes dritte Mitglied von uns aus Bad Honnef.

Müssen die Vereine heute neue Wege gehen?

Mike Hentschel: Auf jeden Fall. Im Reitsport sind die Preise explodiert: Wo wir früher 20 DM für einen Heuballen bezahlt haben, kostet dieser heute 60 Euro. Wir haben zum Beispiel behinderte Menschen in unseren Verein integriert. Das hat uns einen enormen Schub gegeben.

Richarz: Wir fragen uns ständig: Was können wir verbessern, was mehr bieten? Ob Nikolausfeier, Kanutour oder Schlittenfahren: Das ist alles viel Arbeit, sie ist aber notwendig. Wir haben einen Vereinsbus, mit dem wir solche Touren machen können. Aber der ist sehr teuer. Das Problem kennt Ihr in Rheinbreitbach auch ...

Hintze: ...ja, wir werden ihn abschaffen. Der ist einfach zu teuer.

Ist es heute aus finanzieller Sicht schwieriger, einen Verein zu führen?

Lothar Bonn: Ja, vor allem in der armen VG Unkel. Wenn du nach Windhagen oder Sankt Katharinen gehst, fragen sie dich: Wie viele Plätze willst du haben?

Hentschel: Was erwartest Du: Die Stadtkassen sind leer. Da wollen die Gemeinden eher Geld von den Vereinen. (Gelächter in der Runde)

Richarz: Wir können ja noch froh sein, dass wir das Hallenbad in Unkel haben, in dem wir trainieren. Die Fördermittel allein reichen aber in der Tat nicht mehr aus. Ohne unser Rheinschwimmen und unser Vereinsheim wäre das nicht zu stemmen.

Hintze: Ja, deshalb wird das Ehrenamt immer wichtiger.

Aber ist das nicht die nächste Baustelle?

Richarz: Definitiv. Ehrenamtliche zu finden, ist genauso schwer wie Mitglieder. Die meisten scheuen sich vor der Verantwortung und dem Aufwand. Wer will sich schon gerne zwei bis drei Tage in der Woche für andere engagieren?

Hintze: Du stehst ja auch, sobald etwas passiert, am Pranger - gerade in der Jugendarbeit. Aber das hat noch andere Gründe: Viele Ehepaare sind Doppelverdiener, da wartet abends der Haushalt, der Garten, das Auto. Da fehlt die Zeit fürs Ehrenamt. Zudem ist das Rentenalter, das für Jugendarbeit prädestiniert ist, höher als früher.

Hentschel: Es kommt auf das Wir-Gefühl an. Man darf halt nicht den Chef raushängen lassen.

Richarz: Wichtiger wäre, wenn das Ehrenamt von der Politik mal mehr gewürdigt würde. Wir bekommen doch von der Politik gar keinen Rückhalt.

Hintze: Die Förderung des Ehrenamts wirkt tatsächlich gekünstelt, wie eine lästige Pflicht.

Tut die Verbandsgemeinde zu wenig für die Vereine?

Richarz: Es wird gar nichts gemacht. Die Vereine sind auf sich allein gestellt. Für den adäquaten Leistungssport haben wir hier gar keine Kapazitäten, keine Großsporthalle, nicht mal ein Freibad.

Hintze: Man trifft sich bei der Verbandsgemeinde nur als Bittsteller. Und zum Thema Freibad: Das wäre tatsächlich für alle Vereine Gold wert, wenn es wieder eröffnet werden würde.

Wäre es da nicht sinnvoll, über Kooperationen unter den Vereinen nachzudenken? Die Probleme sind schließlich oft die gleichen. So etwas wie eine Fachschaft Unkel?

Bonn: Das würde am Egoismus der einzelnen Vereine scheitern. Zumal: Wir hatten über Jahre, sogar noch bis vor Kurzem, eine Spielgemeinschaft mit den anderen beiden Fußballvereinen in der VG Unkel. Wir haben heute viel mehr Jugendteams als früher. Es läuft bei uns also. Zudem würde eine Dachorganisation sicher auch an der Zeit scheitern. Es bleibt doch jetzt schon so viel liegen.

Hintze: Das sehe ich auch so. Meine Frau ist berufstätig, Torwarttrainerin und im Vorstand - die sitzt manchmal bis zwei Uhr nachts am PC. Wenn jetzt noch so ein Termin dazukäme, würde ich verstehen, wenn sie da nicht hingehen würde.

Richarz: Es wäre ja ein erster Schritt, wenn man einen Tag der Vereine einführen würde, an dem man ins Gespräch käme. Das hat es in Unkel schon mal gegeben.

Bonn: Gute Idee!

Wir geben das an die Verantwortlichen weiter.

Richarz: Und was genial wäre: Ein Vereinsheim für all jene, die keins haben und das von allen Vereinen gebucht werden kann. Und vergesst nicht den demografischen Knick: Wir werden uns noch kloppen um die Mitglieder.

Hintze: Wir haben dann die Wahl: erbitterter Krieg oder gemeinsam zusammenarbeiten. Ich bevorzuge letzteres, obwohl Konkurrenz sicher das Geschäft belebt.

Bonn: Aber glaubt Ihr wirklich, dann hätten wir mehr Ehrenamtliche? Statt 20 Mitgliedern helfen doch dann nur noch zwei.

Das drängt mich zu folgender Frage: Ist der klassische Sportverein ein Auslaufmodell?

Hintze: Nein, definitiv nicht. Ohne die Vereine sähe es in Deutschland mies aus. Nicht die Schule gibt Halt oder vermittelt soziale Kompetenzen, es ist der Verein.

Richarz: Das stimmt. Wir haben 70 Jugendliche im Verein, und wir sagen immer: Wir können drei Härtefälle mit durchziehen. Diese harten Jungs wissen aber später im Berufsleben, was Respekt ist.

Wenn Sie einen Wunsch für die kommenden zwölf Monate frei hätten, welcher wäre das?

Hentschel: Dass unsere Mitglieder weiterhin so anpacken wie bisher.

Bonn: Das ist aber bescheiden.

Hentschel: Ja, aber nur so funktioniert's.

Bonn: Ich wünsche mir einen Kunstrasenplatz. Für den sammeln wir bereits Geld, eine sechsstellige Summe. Aber ehrlich gesagt: Es ist unrealistisch, dass wir das in zwölf Monaten schaffen.

Hintze: Mein Wunsch ist, dass es leichter wird, alte durch junge Übungsleiter abzulösen.

Richarz: Weniger Bürokratie für die Vereine und mehr Geld für die Vereinsarbeit aus öffentlichen Töpfen.

Bonn, Hentschel, Hintze: Das unterschreiben wir direkt mit.

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