Prozess gegen 32-Jährigen aus Bockeroth Schüsse auf Elfjährigen kamen aus Gewehr des Stiefvaters

Königswinter/Bonn · Luftgewehre können gefährliche Durchschlagskraft haben. Das hat ein Gutachter im Prozess um die Schüsse auf einen Elfjährigen aus Bockeroth vor dem Bonner Landgericht deutlich gemacht. Nahezu feststeht, dass die Schüsse aus dem Gewehr des angeklagten Stiefvaters kamen.

 Die Schüsse auf den Elfjährigen hatten die Menschen in Bockeroth schwer geschockt. Zuerst waren die Ermittler davon ausgegangen, dass sie auf dem Spielplatz gefallen waren.

Die Schüsse auf den Elfjährigen hatten die Menschen in Bockeroth schwer geschockt. Zuerst waren die Ermittler davon ausgegangen, dass sie auf dem Spielplatz gefallen waren.

Foto: Ralf Klodt

Vor dem Bonner Landgericht ist am Mittwoch der Prozess um die Luftgewehrschüsse auf einen elfjährigen Jungen im Königswinterer Ortsteil Bockeroth fortgesetzt worden: Angeklagt ist der Stiefvater des Jungen. Der 32-jährige muss sich wegen schwerer Misshandlung eines Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie versuchten Mordes durch Unterlassen verantworten. Bereits am letzten vorausgegangenen Verhandlungstag hatten die Rechtsmedizinerin, die den verletzten Jungen einen Tag nach dem Vorfall untersucht hatte, sowie ein Schusswaffensachverständiger des Landeskriminalamts (LKA) als Zeugen ausgesagt. Mittlerweile scheint es unstrittig, dass die Schüsse aus einer bei dem Stiefvater sichergestellten Waffe abgegeben wurden.

 Sie gälten ja gemeinhin als eine Art „Spielzeugwaffen“, sagte am Mittwoch ein weiterer Sachverständiger als Zeuge mit Blick auf frei verkäufliche Luftgewehre aus. Das sei aber mitnichten so. Bis zu einer Entfernung von sage und schreibe 170 Metern, sei es möglich, dass die  abgeschossenen, sogenannten Diabolo-Patronen die Haut eines Menschen durchdringen und in den Körper eindringen könnten, ließ der Kölner Fachmann das Gericht wissen.

 Elfjähriger wird mit Schussverletzungen notoperiert

Der Junge war am Abend des 8. April vergangenen Jahres „kreidebleich“ und mit Schmerzen zunächst in die Sankt Augustiner Kinderklinik gebracht worden. Dort stellten die Ärzte fest, dass die Beschwerden des unter einer Form des Autismus leidenden Kindes durch Schüsse verursacht worden sind. Noch in der Nacht wurde der Junge in die Bonner Uniklinik verlegt und dort notoperiert.

Drei Treffer habe der Elfjährige erlitten, fasste der Fachmann für forensische Morphologie, einer medizinischen Disziplin, die sich in erster Linie mit der Aufklärung nicht-natürlicher und unklarer Todesfälle befasst, die Befunde zusammen. Einer habe einen Pneumothorax verursacht. Das ist eine potentiell lebensbedrohliche Verletzung, die zu einem Kollaps der Lunge führen kann. Schlimmer sei aber noch die zweite Verletzung gewesen: Hier hatte ein sogenannter Spitzdiabolo Rippen, Lunge und Zwerchfell durchdrungen und sich in den Darm gebohrt. Beide Geschosse traten um die vier Zentimeter tief in den Körper des kleinen Jungen ein. Bei dem dritten Schuss habe es sich um einen Streifschuss gehandelt.

Der Stiefvater hatte zu Prozessbeginn alle Vorwürfe weit von sich gewiesen: Es sei ein völlig normaler Tag gewesen bis sein Stiefsohn ihm nach der Rückkehr von einem benachbarten Spielplatz drei merkwürdige, blutende Wunden gezeigt habe. Erst als die Beschwerden des Jungen beim Abendessen massiver wurden, habe man beschlossen mit dem Kind zum Krankenhaus zu fahren. Noch in der Nacht beschlagnahmte die Polizei das Luftgewehr des 32-Jährigen. Dass es sich dabei um die Tatwaffe handeln könne, hatte der Anwalt des Stiefvaters zu Prozessauftakt kategorisch ausgeschlossen und das BKA-Gutachten sogar als „Murks“ bezeichnet.

Am Mittwoch sagten neben dem Gutachter und weiteren Zeugen auch der Fahrer des Schulbusses, der den entwicklungsverzögerten Jungen regelmäßig zur Schule fuhr, sowie eine Begleiterin aus: Beide erinnerten sich deutlich, dass der Elfjährige immer wieder Ängste entwickelte, wenn der Wagen seiner Mutter nach Schulschluss nicht vor der Türe seines Elternhauses parkte: Sie hätten ihn nur mit viel gutem Zureden aus dem Bus bekommen, wenn der Junge, der nicht sprechen kann, nur das Auto seines Stiefvaters vor der Tür stehen sah, erinnerten sich beide Zeugen unabhängig voneinander.

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