Interview mit VVS-Chef Hans Peter Lindlar „60.000 Autos sind doch Wahnsinn“

Siebengebirge · 150 Jahre nach seiner Gründung steht der Verschönerungsverein für das Siebengebirge vor neuen Herausforderungen. Vorsitzender Hans Peter Lindlar setzt auf eine Stärkung des Nahverkehrs, um das Siebengebirge zu entlasten.

 Ist seit 2012 Vorsitzender des VVS: Hans Peter Lindlar vor dem Forsthaus.

Ist seit 2012 Vorsitzender des VVS: Hans Peter Lindlar vor dem Forsthaus.

Foto: Frank Homann

Die Trockenheit der vergangenen beiden Jahre und der Borkenkäfer haben auch dem Wald des Verschönerungsvereins für das Siebengebirge (VVS) mächtig zugesetzt. Über die Probleme und das Jubiläumsjahr – der VVS wird in diesem Jahr 150 Jahre alt – sprach Hansjürgen Melzer mit dem Vorsitzenden Hans Peter Lindlar.

Der VVS hat in den vergangenen Jahren Mitglieder eingebüßt. Wo liegt die aktuelle Zahl?

Hans Peter Lindlar: Zurzeit sind es genau 1707. Wir haben ja in diesem Jahr unsere Werbeaktion, mit der wir passend zum Jubiläum 150 neue Mitglieder gewinnen wollen. Bisher haben wir etwa 50 gewonnen, unter ihnen eine ganze Reihe Jüngerer. Die brauchen wir auch für die Zukunft, um das Durchschnittsalter etwas zu senken. Wir sind das ganze Jahr verstärkt aktiv und werben für uns, wo Bürger sich treffen. Im August sind wir zum Beispiel an jedem Sonntag an einer der Ausflugsstätten im Siebengebirge.

Wie machen Sie Neumitgliedern den Beitritt schmackhaft?

Lindlar: Wir haben lange schon, bevor die Klimadiskussion so hochgekommen ist, beschlossen, dass wir für jedes neue Mitglied im Siebengebirge einen Baum pflanzen. Das wollen wir in der nächsten Vegetationsruhephase machen. Im nächsten Frühjahr wollen wir dann die neuen Mitglieder einladen, um ihnen zu zeigen, wo ihr Baum steht. Es gibt durch den Borkenkäfer ja eine Reihe von freien Flächen. Im vergangenen Winterhalbjahr haben wir bereits 5000 Bäume an Stellen gesetzt, wo vor allem Fichten im Rahmen des Waldumbauprogramms weggenommen werden.

Passiert das auch im Wildnisgebiet?

Lindlar: Ja. Vor drei Jahren haben wir uns noch sehr ausführlich mit dem Thema beschäftigt, wie wir dort mit der Entnahme umgehen. Der Borkenkäfer hätte uns damals diese Diskussion erspart. Und wir haben ja nicht nur das Fichtensterben durch den Borkenkäfer. Wir haben auch gerade bei älteren Buchen die Probleme durch die Trockenheit. Und wir haben das Eschensterben durch einen Pilz.

Ist es in dieser Situation ein Vorteil, dass der VVS 524 von 850 Hektar als Wildnisgebiet ausgewiesen hat?

Lindlar: Sicher. Wir sehen das mit einer gewissen Entspanntheit, weil die Vereinbarung mit dem Land ja ist, den Wald sich selbst zu überlassen. Im Wildnisgebiet haben wir nur die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass es dort, wo wir Nachbarn mit Wirtschaftswald haben, nicht zu Schäden kommt. Das ist geschehen, indem wir frühzeitig die Fichten weggenommen haben. Wir als VVS haben keine so großen Sorgen wie die kleineren Waldbauern. Da werden die gefällten Fichten teilweise direkt in den Container nach China verladen. Dazu kommt, dass die Preise von 90 Euro pro Festmeter auf 30 gefallen sind. Da bleibt unter dem Strich nichts mehr übrig.

Touristenattraktion vor den Toren Bonns: Das Siebengebirge vom Heinrichsblick aus.

Touristenattraktion vor den Toren Bonns: Das Siebengebirge vom Heinrichsblick aus.

Foto: Frank Homann

Ein weiteres Problem in Ihrer Amtszeit sind die bröckelnden Felsen im Siebengebirge gewesen. Stichwort Siegfriedfelsen. Hat sich das Thema beruhigt?

Lindlar: Das wird sich wohl niemals ganz beruhigen. Das Gebirge ist, so hart und regungslos es auch aussieht, doch etwas, was lebt. Die starken Niederschläge der letzten Zeit tragen zum Beispiel dazu bei, dass Böden abgeschwemmt werden. Auch der Drachenfels, der zum Glück dem Land NRW gehört, hat gezeigt, dass die Sicherungen nach gut 50 Jahren saniert werden mussten. Ich hoffe aber, dass wir in den Rhöndorfer Weinbergen jetzt Ruhe haben und auch der Siegfriedfelsen Ruhe gibt. Wir haben zusätzlich zu der großen Sicherungsmaßnahme mit dem Zaun damals ja auch auf unserem Gelände für gut 90 000 Euro einen Felsen sehr aufwendig sichern lassen.

Wie sieht es am Nasseplatz aus?

Lindlar: Laut dem Gutachter sind zwei Wände massiv steinsturzgefährdet. Die Katastrophe wäre gewesen, wenn dort einem Kind ein Stein auf den Kopf gefallen wäre. Wir kamen im Ergebnis auf Sanierungsmaßnahmen von mehr als 100 000 Euro. Dass der Verein das nicht stemmen konnte, war klar. Wir haben daraufhin den Naturpark gefragt, ob er den Nasseplatz als Grillplatz erhalten möchte. Doch dem war das auch zu aufwendig. Im Ergebnis haben wir dann die Hütten abgebaut. Wer jetzt noch dorthin geht, tut dies auf eigene Gefahr. Wir sind nicht mehr verkehrssicherungspflichtig.

Hat sich die Übernahme der Trägerschaft des Naturparks durch den Rhein-Sieg-Kreis bewährt?

Lindlar: Ja. Wir haben zum Beispiel ein größeres Maß an Fördermitteln für unsere Arbeit bekommen. Mir fehlt aber noch, dass sich Fachleute aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis, die ja mit am Tisch sitzen, zusammenfinden und einen Saisonfahrplan für den ÖPNV entwickeln. Menschen aus Bonn, die an unseren Wanderungen teilnehmen, klagen darüber, dass sie ein Problem haben, am Sonntag um 10 Uhr bei uns auf der Margarethenhöhe zu sein, weil die Busverbindungen so schlecht sind. Da muss unbedingt dran gearbeitet werden mit der Perspektive, den Autoverkehr im Siebengebirge zu minimieren.

Wie soll das gelingen?

Lindlar: Man bräuchte einen Rundverkehr der Buslinien, die von Mitte April bis Ende September die wichtigsten Parkplätze miteinander verbinden. Der geplante P&R-Parkplatz in Ittenbach an der Autobahn könnte auch ein solcher Ausgangspunkt sein. Welches Ausmaß der Autoverkehr annimmt, zeigen die rund 60 000 Parker im vergangenen Jahr auf unseren beiden Parkplätzen an der Margarethenhöhe. Das ist doch Wahnsinn. Wenn man das in den höheren Zusammenhang mit einem Naturschutzgebiet höchster europäischer Qualität setzt, geht das gar nicht. Ich dränge darauf, andere Lösungen zu suchen. Wir sind auch in Gesprächen mit der Deutschen Bahn, ihre Haltepunkte als Ausgangspunkte für Wanderungen attraktiver zu machen.

Hat es schon Kontakt mit dem neuen Burghof-Eigentümer gegeben?

Lindlar: Ja. Herr Siebdrat war hier wie vorher auch schon Herr Asbeck. Was auch nicht verwundert, weil der Burghof keinen eigenen Zugang hat. Der Kutschenweg gehört uns. Wir haben als VVS ein hohes Interesse, dass der Burghof möglichst bald in Ordnung gebracht wird, weil er in seinem Verfall ein Schandfleck für das Siebengebirge ist. Ich bin froh, dass Herr Siebdrat als privater Investor eingestiegen ist, weil ich der festen Überzeugung bin, dass das wesentlich schneller geht, als wenn die öffentliche Hand es machen würde. Er hat ja auch schon angefangen, die Substanz zu sichern.

Ist eine Kooperation geplant?

Lindlar: Wir unterstützen den neuen Eigentümer, indem wir die Zufahrt offen halten und die Pläne für unser Wildniszentrum ruhen lassen. Wir warten erst einmal ab, was im Burghof passiert. Wir könnten uns vorstellen, auch die Ausstellung, die derzeit noch im Forsthaus untergebracht ist, neu konzipiert um den Gedanken der Wildnis in einem der Gutsgebäude zu präsentieren. Wir versprächen uns davon, näher an die Leute heranzukommen. Im Forsthaus ist der Besucherstrom ja eher tröpfchenweise. Uns ist auch lieber, wenn ein altes Gebäude wieder in Wert gesetzt wird, als dass wir im Naturschutzgebiet etwas Neues bauen.

Sie haben bei der Mitgliederversammlung im Oktober angekündigt, nach der dreijährigen Amtszeit aufhören zu wollen. Was haben Sie bis 2022 noch vor?

Lindlar: Ich mache das dann zehn Jahre und bin dann 76. Dann sollen das Jüngere machen. Meine Erfahrung ist, dass eine Aufgabe nur gut gemacht ist, wenn man sie auch gut weitergibt. Wir haben nach dem Jubiläumsjahr des Verschönerungsvereins auch noch eine große Aufgabe. Wir wollen den Wildnisvertrag mit dem Land, der für 20 Jahre bis 2030 geschlossen ist, noch überarbeiten und erneuern. Das haben wir mit den maßgeblichen Leuten des Ministeriums auch schon so besprochen. Nach 20 Jahren hat die Natur ja gerade erst angefangen, sich selbst zu verwirklichen. So eine Vereinbarung müsste eigentlich ein Jahrhundertvertrag sein.

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