Die Bürgermeister und der Landrat im Kreis Neuwied fordern ausschließliche Briefwahl zur Landtagswahl „Wer geht in diesen Tagen in ein Wahllokal?“

Region. · Alle Bürgermeister im Kreis Neuwied und Landrat Achim Hallerbach kritisieren die anstehende Urnenwahl am 14. März in Pandemiezeiten.

  Nur per Briefwahl soll die Landtagswahl am 14. März abgehalten werden, fordern alle Bürgermeister im Kreis Neuwied und Landrat Achim Hallerbach.

Nur per Briefwahl soll die Landtagswahl am 14. März abgehalten werden, fordern alle Bürgermeister im Kreis Neuwied und Landrat Achim Hallerbach.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Landeswahlleiter Michael Hürter hat eine ausschließliche Briefwahl bei der Landtagswahl am 14. März in Rheinland-Pfalz abgelehnt. Mehrere Kreiswahlleitungen und Bürgermeister hatten das beantragt. Dazu Fragen und Antworten.

Warum hat der Landeswahlleiter so entschieden?

Eine ausschließliche Briefwahl könne nur angeordnet werden, wenn in dem betroffenen Gebiet „das öffentliche Leben insgesamt weitgehend zum Erliegen gekommen ist“, teilte Hürter mit. Solange die Geschäfte geöffnet seien und die Menschen zur Arbeit fahren würden, sei das aber nicht der Fall, ergänzte ein Sprecher des Landeswahlleiters.

Aber die Pandemie erfordert doch Hygieneregeln, Kontaktbeschränkungen und Gebote zum Abstand halten. Warum nicht auch bei der Landtagswahl?

„Die Hürden für eine ausschließliche Briefwahl sind hoch“, so Hürter. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben ließen die generelle Briefwahl nur als Ultima Ratio in Betracht kommen. In Artikel 76 der Landesverfassung heißt es: „Wahlen und Volksentscheide auf Grund dieser Verfassung sind allgemein, gleich, unmittelbar, geheim und frei.“ Unmittelbar könne zum Beispiel nur eine Abstimmung im Wahllokal sein, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums.

Wie stellt das Land sicher, dass die Ansteckungsgefahr gering bleibt?

Weil sich Wähler nur für wenige Minuten im Wahllokal aufhielten und dort die Regeln wie Maske tragen, Handhygiene und Abstand gelten, sei sichergestellt, dass man vor gesundheitlichen Risiken geschützt werde, sagte der Landeswahlleiter.

Einer der stärksten Befürworter der ausschließlichen Briefwahl ist Achim Hallerbach, Landrat im Kreis Neuwied. Warum setzt er sich zusammen mit allen Bürgermeistern im Kreis so vehement dafür ein?

Unter Berücksichtigung der aktuellen Pandemielage betrachtet Hallerbach „die Durchführung der Landtagswahl als Urnenwahl, trotz Hygienemaßnahmen in den Wahllokalen, als äußerst problematisch“, sagte er auf GA-Anfrage. Auch mit vielen Vorsichtsmaßnahmen lasse sich das Restrisiko einer Infizierung nicht ausschließen.

Besteht die Gefahr, dass Wähler wegen der Ansteckungsgefahr der Wahl fernbleiben?

Hallerbach, der auch Kreiswahlleiter ist, sieht die Wahlbeteiligung als Problem an. „Wer geht in diesen Tagen in ein Wahllokal, in dem mehrere Menschen aus mindestens vier Haushalten sitzen?“, fragte der Landrat.

Was ist, wenn sich die Pandemie-Lage verschärft?

Dann könnte auch der Landeswahlleiter ins Nachdenken kommen. Der Mainzer Landtag hat Vorsorge getroffen. Im Dezember beschlossen die Abgeordneten eine Änderung des Landeswahlgesetzes und machten prinzipiell den Weg für eine ausschließliche Briefwahl frei. Sie könne demnach „im Fall einer Naturkatastrophe oder einer anderen außergewöhnlichen Notsituation“ angeordnet werden, heißt es nun im Gesetz.

Ändert sich denn irgendetwas an der normalen Briefwahl?

Nein. Alle Wahlberechtigten können weiterhin ohne Angabe von Gründen die Briefwahl beantragen.

Gibt es Überlegungen des Neuwieder Kreiswahlleiters, die ausschließliche Briefwahl anzuordnen?

„Dazu fehlt mir die Rechtsgrundlage, ansonsten würde ich das machen“, sagte Hallerbach. Die Anordnungsbefugnis obliege ausschließlich der Landeswahlleitung.

Wie schwierig ist es, in Pandemiezeiten Wahlhelfer zu finden?

Aufgrund der Rückmeldungen lasse sich bereits heute abschätzen, dass nicht alle Wahllokale mit der gesetzlich notwendigen Personenzahl besetzt werden können, berichtet der Kreiswahlleiter. Diese Furcht teilt Jörg Harperath, Büroleiter der Verbandsgemeinde Unkel: „Wir brauchen für 13 Stimmbezirke jeweils 13 Wahlhelfer. Das wären rund 170 Frauen und Männer“, so Harperath. In Linz müssen 219 Helfer für die 14 Stimmbezirke in der Verbandsgemeinde gefunden werden.

Was geschieht, wenn es nicht genügend freiwillige Wahlhelfer gibt?

Für den Fall setzt die Verbandsgemeinde Unkel auf Mitarbeiter der Verwaltung. „Wir werden unsere Leute verpflichten müssen und setzen damit aber die Mitarbeiter einer Gefahr aus“, kritisierte Harperath.

Sehen die Kommunen eine Chance, dass die ausschließliche Briefwahl doch noch umgesetzt wird?

„Wir müssen es umsetzen, wir werden es umsetzen“, sagte Harperath. Gleichzeitig werde Unkel dafür werben, dass die Wahlberechtigten vom Briefwahlrecht Gebrauch machen. Ebenso sieht es Hans-Günter Fischer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Linz: „Dafür gibt es die Möglichkeit zur Briefwahl. Das ist einfach, zuverlässig und schützt uns gegenseitig. Deshalb bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger, zu überlegen, ob sie in diesem Jahr davon Gebrauch machen“, so Fischer. Selbstverständlich könne jeder und jede auch ins Wahllokal kommen. „Eine Briefwahl hilft uns dabei, auch im März gegen das Virus anzukämpfen.“

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