Hilfe im Rhein-Sieg-Kreis Abhilfe bei Depressionen und Einsamkeit zum Fest

Rhein-Sieg-Kreis · Nicht für alle Menschen ist Weihnachten ein Grund zur Freude. Bei Trauer, Einsamkeit oder mit Depressionen kann die Zeit besonders schwer sein. Für Betroffene gibt es auch über die Feiertage Hilfsangebote.

 Im Dezember gehen bei der Telefonseelsorge Bonn / Rhein-Sieg besonders viele Anrufe ein.

Im Dezember gehen bei der Telefonseelsorge Bonn / Rhein-Sieg besonders viele Anrufe ein.

Foto: Sofia Grillo

Das Fest der Freude, der Familie, der Besinnlichkeit – so wird Weihnachten gerne umschrieben und von den meisten auch wahrgenommen. Auf den Bildschirmen sieht man glückliche Menschen, die in Harmonie beisammen sind, gemeinsam Essen, sich mit Geschenken eine Freude machen. Doch für viele entsprechen diese Bilder nicht der Realität. Für Menschen, die trauern, einsam sind oder mit Depressionen zu kämpfen haben, stellt die Weihnachtszeit eine große emotionale Herausforderung dar – nicht zuletzt wegen eben jener beschriebenen Bilder. Auch im Rhein-Sieg-Kreis finden Betroffene jedoch Hilfe.

Hans-Joachim Fischer ist seit August im Gesundheitsamt des Kreises für den Bereich Aufsuchende Hilfen tätig und zudem Ansprechpartner des „Bündnis gegen Depression“ im Kreis. Aus seiner Zeit als Psychiater in einer Klinik in Winnenden weiß er: „Am 24. Dezember halten sich viele Menschen mit Depressionen noch über Wasser. Doch am 25. oder 26. Dezember schlagen die Depressionen dann oft durch. Es gab in der Zeit hohe Aufnahmezahlen in der Klinik, nicht zuletzt wegen Suizidversuchen.“ Gerade weil Weihnachten ein Fest der Familie sei, passiere es oft, dass spätestens ab dem zweiten Tag Konflikte hochkochten, die dem erkrankten Menschen zu schaffen machten.

Alle anderen scheinen glücklich

Doch viel schlimmer, so Fischer, sei die Einsamkeit, die in den drei Tagen, an denen alle anderen ein Fest im Kreis ihrer Lieben feiern, schwer lastet. Fischer rät, der Einsamkeit, wenn es irgendwie möglich ist, schon vor den Festtagen entgegenzusteuern, in dem man sich eventuell Hilfe bei Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen sucht. An den Festtagen könnten sich verzweifelte Menschen an die Telefonseelsorge wenden oder, bevor zu es einem Suizidversuch kommt, an die Sozialpsychiatrischen Zentren in der Region.

Für Menschen im Rhein-Sieg-Kreis und in Bonn ist die Telefonseelsorge (TS) Bonn / Rhein-Sieg zuständig. Der Dezember ist dort der Monat mit den meisten Anrufen, weiß Teamleiterin Dagmar Fox. So auch im vergangenen Jahr, mit 946 Anrufen im letzten Monat des Jahres. Zum Vergleich: Im Juni und August 2020 riefen jeweils 830 Hilfesuchende an, im November 890. Fox erklärt: „Menschen, die einsam sind, bekommen es in der Weihnachtszeit besonders zu spüren. Gerade, weil an Weihnachten medial unheimlich viel aufgebaut wird: Alle Menschen scheinen glücklich.“ Neben Themen wie depressive Stimmung, Einsamkeit und Isolation gehe es in den Telefongesprächen aber oft auch um Alltagsbeziehungen mit den Angehörigen. „Die Familien haben hohe Erwartungen an das Fest, erhoffen sich, dass es besonders schön und harmonisch wird. Und wenn das nicht eintritt, ist die Verzweiflung natürlich groß“, schildert Fox.

Pandemie verstärkt persönliche Krisen

Die Telefonseelsorge soll in erster Linie den Menschen in schwierigen oder herausfordernden Lebenslagen ein Gespräch und ein offenes Ohr anbieten. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter kommen aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis. Sie bleiben am Telefon anonym, genauso wie die Anrufer, was die Hemmschwelle für Gespräche über schwierige Themen senkt. „Es geht bei uns nicht um Ratschläge. Der Seelsorger wird in erster Linie die Krise des Anrufers mit aushalten und begleiten“, erklärt Dagmar Fox. Neben der anonymen Telefonseelsorge, die 24 Stunden am Tag und an sieben Tagen in der Woche erreichbar ist, bietet der Verein auch Mail-Seelsorge an. Persönliche Gespräche sind für Menschen bis 27 Jahren möglich, in Krisen und im Zusammenhang mit Suizidalität.

Wie auch Hans-Joachim Fischer beobachtet Dagmar Fox, dass die Corona-Pandemie die persönlichen Krisen in der Winterzeit noch verstärkt habe. Im Oktober dieses Jahres sei es nur bei rund 3,7 Prozent der Gespräche der TS um Corona gegangen, im November seien es schon 11 Prozent gewesen, in der letzten Novemberwoche über 16 Prozent. Fox erinnert sich an das vergangene Jahr, in dem über die Weihnachtszeit Lockdown war: „Menschen, die sowieso schon einsam waren und kein starkes soziales Netz haben, hatten auch nicht mehr ihre alltäglichen Anlaufstellen für Gemeinschaft, wie etwa den Verein, das Café, Geschäfte oder den Sport.“ Auch Fischer hat wahrgenommen, dass die coronabedingten Maßnahmen depressive Neigungen bei vielen Menschen verstärkt haben. „Sport, Gemeinschaft oder soziale Aktionen sind nicht medikamentöse Antidepressiva – und die fielen weg.“

Ehrenamtler weiterhin erreichbar

Im Café T.O.D. (Tabu Offen Diskutieren) am Siegburger Nordfriedhof müssen dieses Jahr wie im vergangenen Jahr die Adventsteffen ausfallen. „Gerade im dunkleren Monat versuchen wir mit solchen Veranstaltungen, die Menschen ein wenig aufzufangen“, so Andrea Müller-Battermann, Vorsitzende des Vereins, der das Café T.O.D. führt. „Zu uns kommen das ganze Jahr über Menschen, die einsam sind oder mit ihrer Trauer nicht zurecht kommen, Hilfe brauchen und das Gespräch suchen“, so Müller-Battermann. Bei besonderen Ereignissen falle es Trauernden dann sehr auf, dass die verstorbene Person fehle – das können Hochzeitstage, Geburtstage und auch Weihnachten sein.

„Ich kann mir vorstellen, wenn eine Person einen lieben Menschen verloren hat und sie deswegen ganz alleine ist, dass es ihr vor dem Fest graut“, vermutet auch Müller-Battermann. Gerade Alleinstehenden helfe die Gemeinschaft oft, mit der Trauer umzugehen. Das erlebe die Vorsitzende auch bei den wöchentlichen Stricknachmittagen, die im Café T.O.D. organisiert werden: „Den Damen tut es gut, einmal rauszukommen, über ein anderes Thema zu reden und eben nicht alleine zu stricken“, so die Ehrenamtlerin. Auch wenn das Café über Weihnachten geschlossen hat, sind die Mitarbeiter erreichbar. Sie verfügen über ein großes Netzwerk an Beratungsstellen und ausgebildeten Personen, an die sie Hilfesuchende vermitteln können.

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