Dem Tag mehr Leben schenken Ambulanter Hospizdienst aus dem Rhein-Sieg-Kreis feiert Jubiläum

Sankt Augustin · Der ambulante Hospizdienst Sankt Augustin, Siegburg und Troisdorf besteht seit 25 Jahren. Mehr als 30 Ehrenamtliche begleiten jährlich 60 Menschen in ihrer letzten Lebensphase.

 Seit 25 Jahren im Einsatz für Sterbende und ihre Angehörigen: Gerhild Garenfeld (v.l.), Peter Köllmann, Karin Lengefeld, Frank Steeger, Lidwien Weyer van Herten, Stephanie Lindenberg-Culemann und Brigitte Placke.

Seit 25 Jahren im Einsatz für Sterbende und ihre Angehörigen: Gerhild Garenfeld (v.l.), Peter Köllmann, Karin Lengefeld, Frank Steeger, Lidwien Weyer van Herten, Stephanie Lindenberg-Culemann und Brigitte Placke.

Foto: Nadine Quadt

Als ihr Mann im Sommer 1992 die Diagnose „unheilbar“ erhielt, stand für Karin Lengefeld fest, dass sie sich zu Hause um ihn kümmert. „Er sollte nicht im Krankenhaus sterben“, sagt die Sankt Augustinerin. Sie ließ sich von ihrer Arbeit freistellen, pflegte und begleitete ihren Mann in seinen letzten Wochen. Nach seinem Tod reifte in ihr der Wunsch, diesen Weg auch anderen Menschen zu ermöglichen. Ein Wunsch, den andere mit ihr teilten – und der 1995 mit der Gründung der ökumenischen Initiative zur Begleitung Schwerkranker, Sterbender und Trauernder in Erfüllung ging. 25 Jahre später begleiten Karin Lengefeld und 34 weitere Ehrenamtliche im ambulanten Hospizdienst der Initiative für Siegburg, Sankt Augustin und Troisdorf jährlich 60 Menschen in ihrer letzten Lebensphase.

Eigentlich sollte das Jubiläum Anfang Juni groß gefeiert werden. „Wir holen die Feier auf jeden Fall nach“, sagt Frank Steeger, Vorsitzender des 120 Mitglieder zählenden Vereins. Die Arbeit im ambulanten Hospizdienst läuft unterdessen wieder. „Wir sind auch in Corona-Zeiten hier“, sagt Stephanie Lindenberg-Culemann, eine von drei hauptamtlichen Koordinatorinnen im Verein. Es gebe derzeit vermehrt Telefonsprechstunden.

Dem Tag mehr Leben schenken

Neben telefonischen Beratungen und Trauergesprächen ist zudem ein Befähigungskursus für Interessierte, die Schwerkranke und Sterbende begleiten möchten, in Vorbereitung. „Unsere Grundidee ist es, dem Tag mehr Leben zu schenken und nicht dem Leben mehr Tage“, umschreibt Lindemann-Culemann, was hauptamtliche wie ehrenamtliche Mitarbeiter antreibt. Es gehe darum, das Leben „schön zu machen“. Und auch darum, den Angehörigen einen Freiraum zu geben, ihnen ein Gesprächspartner zu sein.

„Als wir angefangen haben, war das noch ein ganz neuer Ansatz“, erinnert sich Lidwien Weyer van Herten zurück. Sie war ebenfalls unter den Vereinsgründern, heute ist sie eine von zwei Trauerbegleiterinnen. Eine Ärztin habe damals zu ihr gesagt: „Wir müssen lernen, dass Menschen sterben dürfen.“ Als Pionierarbeit bezeichnet Karin Lengefeld denn auch ihr Engagement der ersten Jahre. Unterstützt haben sie dabei die evangelische Kirchengemeinde Mülldorf – in deren Dietrich-Bonhoeffer-Haus der Verein bis heute seinen Raum hat – sowie Freunde aus der katholischen Gemeinde. Bewusst habe man sich aber nicht an eine der Kirchengemeinden gebunden, sondern einen eigenen Verein gegründet.

Gemeinsame Interessen sind wichtig

„Es war eine anstrengende, aufregende und wunderbare Zeit“, resümiert Lengefeld mit Blick auf die ersten Jahre. 37 Menschen habe sie mittlerweile im ambulanten Hospizdienst begleitet, zwischenzeitlich zudem 15 Jahre in einer Palliativstation gearbeitet. „Ich bin nur reich geworden aus dieser Arbeit heraus“, sagt sie. „Wir haben unsere Arbeit professionalisiert und auf stabile Füße gestellt“, hebt Weyer van Herten die wichtigste Entwicklung in den zurückliegenden 25 Jahren hervor. Es gebe Fortbildungen und Seminare für alle Sterbebegleiter, der Verein und seine Arbeit stünden mehr in der Öffentlichkeit.

„Das Wichtigste ist, dass wir den Menschen so annehmen, wie er ist, und uns an seine Bedürfnisse anpassen“, sagt Brigitte Placke, die noch neu im Team ist. Im vergangenen Jahr hat sie ihren Befähigungskursus gemacht und gerade ihre erste Sterbebegleitung. „Es war beruhigend und schön, dass mich eine Koordinatorin beim ersten Termin begleitet hat“, sagt sie. Stephanie Lindemann-Culemann und ihre Kolleginnen wählen im Vorfeld aus, welcher Sterbebegleiter zu welchem Betroffenen passen könnte. Gemeinsame Interessen sind etwa ein Kriterium, sagt Koordinatorin Gerhild Garenfeld.

Gesunde Distanz wahren

Über regelmäßige Gespräche, Treffen und Supervisionen unterstützen sie und ihre Kolleginnen die Sterbegleiterinnen dabei, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Das habe ihr in all den Jahren geholfen, sagt Lengefeld. „Für mich ist es bis heute die größte Herausforderung, die Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden“, sagt sie. Es gehe darum mit den Betroffenen zu fühlen, nicht mit ihnen zu leiden. Dennoch falle ihr der Abschied von einer Familie jedes Mal schwer. „Als Ehrenamtler ist man nah an den Menschen dran und dadurch auch berührbar“, sagt Garenfeld.

„In unserem Kursus zeigen wir, wie es gelingt, trotzdem eine gesunde Distanz zum eigenen Leben zu wahren“, ergänzt Stephanie Lindenberg-Culemann. Lidwien Weyer van Herten nutzt etwa die Fahrradfahrt vom Dietrich-Bonhoeffer-Haus nach Hause, um nach einer Trauerbegleitung abzuschalten. Für sie steht nach 25 Jahren fest: „In dem Moment, wo ich nicht mehr berührbar bin, höre ich auf.“

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