Sexuelle Gewalt im Rhein-Sieg-Kreis Betroffene nutzen Angebot der anonymen Spurensicherung

RHEIN-SIEG-KREIS · Sie brauchen vor allem Zeit. Opfer sexueller Gewalt kämpfen mit widerstreitenden Gefühlen zwischen Angst, Scham und Wut, sie müssen das traumatisierende Erlebnis erst einmal verarbeiten, körperlich wie psychisch.

Der Gedanke an eine Anzeige ihres Peinigers, der in den meisten Fällen aus dem Familien- oder Freundeskreis kommt, reift oft erst Monate oder Jahre nach der eigentlichen Tat. Dann ist es für die Sicherung gerichtsfester Beweise allerdings zu spät.

Eben dort setzt das vom Arbeitskreis Opferschutz Bonn/Rhein-Sieg entwickelte Pilotprojekt Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten (ASS) seit 2006 an. Es schenkt den Betroffenen Bedenkzeit.

Vielen Opfern sexueller Gewalt fällt der Gang zum Arzt leichter, als der zur Polizei. Diese Erkenntnis hat das Gremium, das aus Fachkräften und Verbänden, Kommunen, Polizei, Krankenhäusern und Rechtsmedizin besteht, seinerzeit zum Grundgedanken seines Projektes gemacht.

Dessen Dreh- und Angelpunkt ist ein Koffer, der in allen Krankenhäusern mit gynäkologischer Ambulanz in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis steht und Fragebögen und Utensilien zur Spurensicherung enthält.

Wendet sich ein Opfer sexueller Gewalt - das sind in den meisten Fällen Frauen und Kinder - an einen Arzt, sichert dieser gerichtsverwertbare Spuren und lagert das DNA-fähige Material, also Kleidungsstücke oder Spermaspuren, zehn Jahre lang anonym im Rechtsmedizinischen Institut der Universität Bonn ein.

Entscheidet sich das Opfer später zu einer Anzeige, können die gesicherten Daten über eine Chiffrenummer der Ermittlungsakte zugeordnet werden. Erfolgt keine Anzeige, werden die Spuren nach zehn Jahren vernichtet. Laut Kreisverwaltung wird das Angebot der ASS genutzt. Mit Stand November 2013 haben bislang 115 Betroffene nach einer Vergewaltigung gerichtsfeste Beweise anonym sichern lassen.

In elf Fällen haben sich die Opfer schließlich auch zu einer Anzeige ihres Peinigers durchgerungen. Gleichwohl ist die Dunkelziffer bei Sexualdelikten nach wie vor sehr hoch. Laut Polizei kommen lediglich zehn bis 20 Prozent der Fälle zur Anzeige. Zusammen mit der Ärztekammer Bonn/Rhein-Sieg schult der Arbeitskreis Opferschutz zudem Pflegekräfte und Ärzte in der Dokumentation sexueller und häuslicher Gewalt.

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