Forstarbeiter haben Hochsaison - Spaziergänger genießen Der Winterwald lädt zum Innehalten ein

RHEIN-SIEG-KREIS · Die Natur ist dabei, sich auf die kalte Jahreszeit einzustellen. Wie, das weiß Revierförster Arne Wollgarten, der regelmäßig in seinem "Beritt" unterwegs ist. Es verwundert, dass sich der 31 Jahre alte Revierleiter dieses veralteten Begriffs für seinen Forstbezirk bedient. Aber vielleicht ist dies schon ein Hinweis darauf, wie sehr sich auch ein junger Förster den Traditionen verpflichtet fühlt.

 Im Winter eröffnen sich andere Perspektiven: Der Wald wird "durchsichtig" und hell. Fotos: Axel Vogel/Stefan Hermes

Im Winter eröffnen sich andere Perspektiven: Der Wald wird "durchsichtig" und hell. Fotos: Axel Vogel/Stefan Hermes

Foto: Axel Vogel

Er ist verantwortlich für 1500 Hektar Villewald und hat im Moment alle Hände voll zu tun. Der Winter ist die Zeit, in dem der Wald geerntet, aufgeräumt und wieder gestaltet werden kann. Von der Aufforstung, die bis zum ersten Frost geschehen kann, bis zu den Holzernte-Maßnahmen, die erst durchgeführt werden, wenn die Bäume alle Kraft aus ihrem Laub geholt haben und die Witterung es zulässt, das Holz aus dem Wald zu transportieren.

Derzeit kommt die Forstwirtschaft an ihre Grenzen, da es bis vor Kurzem etwas zu viel geregnet hat und die schweren Maschinen, die zur Holzernte eingesetzt werden, schon zu viele Schäden in dem weichen Waldboden hinterlassen könnten. Der Bodenwasserspeicher ist durch die Wetterbedingungen extrem gefüllt und alles, was jetzt noch hinzukommt, bleibt als Pfütze stehen.

So erklärt es sich, dass man ab und zu scheinbar verlassene Maschinen im Wald stehen sieht, die allerdings dann, wenn die Böden es wieder zulassen, umso massiver im Einsatz sind, worüber sich gerne mal der ein oder andere Spaziergänger beschwert.

Arne Wollgarten versucht sehr sensibel den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen an den Wald gerecht zu werden, doch wird es ihm kaum gelingen, alle davon zu überzeugen. Er weiß, was vielen Waldliebhabern nicht in letzter Konsequenz bewusst ist, dass der Wald auch ein Wirtschaftsraum ist.

Überhaupt gewinnt man den Eindruck, dass der seit einem Jahr als Revierförster für Bornheim, Alfter und Rheinbach tätige Wald-Bachelor eher einem Manager, als dem klassischen Bild des Försters entspricht. Erst nach und nach stellt sich im Gespräch heraus, welche tiefe Verbundenheit er mit der Natur besitzt.

Wir sind auf einer langsamen Kontrollfahrt durch das Forstbetriebsgebiet Vorgebirge und kommen an großen Stapeln von Rohholz vorbei, das an den sogenannten Fahrgassen auf seinen Abtransport wartet. Es sind alles Baumstämme, die von dem Förster zum Fällen ausgesucht und markiert wurden.

Über das Jahr verteilt werden 6000 bis 7000 Festmeter Holz aus dem Wald zu den Sägewerken im Umland transportiert. Das entspricht in etwa auch dem Zuwachs eines Jahres, womit man hier von einer "nachhaltigen Forstwirtschaft" sprechen kann. Die Mengen sind auf die vier hauptsächlich vorkommenden Baumarten verteilt: Eiche, Buche, Kiefer und Fichte.

Aufgrund der besonderen Bodenverhältnisse in der Ville kam es in diesem Jahr insbesondere bei der Fichte zu Problemen, was an einer "stauenden Schicht" liegt, die in etwa 80 Zentimetern Tiefe kein Wasser mehr durchlässt. Das hat zur Folge, dass die Erde im Sommer viel zu schnell austrocknet und das Wasser in Regenzeiten nicht absickern kann. So sind die vielen jetzt sichtbaren Wasserflächen im Wald kein Grundwasser, sondern aufgestautes Regenwasser.

Für die Bäume bedeutet das "Wasserstress", der bei der Fichte zum erhöhten Befall mit dem Borkenkäfer führt. Normalerweise gelingt es dem Nadelbaum, den eindringenden Borkenkäfer mit Harz zu verschließen und somit unschädlich zu machen. Fehlt ihm das Wasser, sinkt sein Harzdruck und er kann sich nicht mehr wehren.

Der Geländewagen des Försters muss sich immer wieder an Privatfahrzeugen vorbeizwängen, deren Besitzer dabei sind, sich Brennholz aufzuladen, was auch für Arne Wollgarten eine gern gesehene Aktion ist, wenn man sich vorher eine Genehmigung vom Forstamt eingeholt hat.

Die Zugvögel haben jetzt im Winter unsere Wälder verlassen. Sie würden in unseren Breitengraden nicht mehr genügend Insekten finden. Nur die Exemplare, die auf Samen spezialisiert sind oder Kleinsäuger und Mäuse jagen, sind noch bei uns zu beobachten oder bekommen sogar noch Besuch aus den weiter nördlich liegenden Regionen. Auch das "Brutgeschäft" ist zum Stillstand gekommen. Bis auf den heimischen Fichtenkreuzschnabel wird im Winter von keinem Vogel Nachwuchs zu erwarten sein.

Das Reh- und Damwild ist nun ohne Jungtiere unterwegs. Es befindet sich in einer Art "stillen Schwangerschaft". Die Paarungszeit liegt beim Reh im Hochsommer, dann kommt jedoch die sogenannte "Eiruhe", die die Entwicklung der Föten unterbricht, die erst im Frühjahr, wenn es wieder genügend Nahrung gibt, beginnt.

Jetzt befindet sich das Wild in den Dickungen, den geschützteren Bereichen des Waldes, und versucht in den "Verstecken" seinen Energiehaushalt zu schonen. Die Jagd ist weitestgehend beendet. "Dem Wild geht es gut", meint Arne Wollgarten, "erst wenn es zu extrem hohen Schneelagen kommt, könnte ein Zufüttern notwendig werden. Ansonsten gehört auch mal ein strenger Winter dazu. Das ist das Brutale in der Natur, dass es schwache Individuen dann nicht mehr schaffen. Dieser Ausleseprozess trägt dann aber letztlich zu einer gesunden Population bei."

Arne Wollgarten ist fasziniert vom Winterwald. Nicht nur, weil er in den Frosttagen besser mit seinem Gerät durch den Wald kommt, sondern vor allem auch, weil sich der Wald von einer anderen Seite zeigt. Er wird wilder. Das Licht wird rauer. Die Farbigkeit wird reduziert. Es sind weniger Menschen im Wald unterwegs. Die Wege sind frei. Stille. Man kann jetzt in der flachen Topografie der Ville tief in den Wald hineinschauen. Ganz neue Blickverbindungen entstehen. Der Winterwald lädt zum Innehalten ein.

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