Günter Hochgürtel über seinen ersten Roman "Landlust" "Die Frauen haben die Hosen an"

Die Geschichte, die Günter Hochgürtel den Lesern seines Debüt-Romans "Landlust" erzählt, ist fast unglaublich. Dabei hat sie sich im Kern so zugetragen. Vor 30 Jahren. Im Eifeldörfchen Katzvey bei Mechernich. Dort boten junge Damen in einem Privathaus Männern ihre Dienste an. Mit Hochgürtel sprach Hans-Peter Fuß.

 Troubadour und Autor: Günter Hochgürtel hat seinen ersten Roman geschrieben.

Troubadour und Autor: Günter Hochgürtel hat seinen ersten Roman geschrieben.

Worauf können sich Ihre Leser freuen?
Günter Hochgürtel: Auf lebendige Dialoge, schräge Typen und ungewöhnliche Vorgänge.

Sie sind als Solosänger, Texter, Komponist und Kopf der Eifelband "Wibbelstetz" bekannt. Jetzt haben Sie Ihren ersten Roman geschrieben. Wann ist Idee dazu gereift?
Hochgürtel: Die Geschichte ist ja wirklich passiert. Ich habe als junger Redakteur vor 30 Jahren darüber berichtet. Mir schwebte immer mal vor, einen Roman zu schreiben. Und dieser reale Stoff bot die ideale Basis.

Warum haben Sie den Stoff 30 Jahre ruhen lassen?
Hochgürtel: Ich wollte schon immer Schriftsteller werden. Als man uns nach dem Abitur in der Schule fragte, was wir werden wollten, habe ich "Poet" angegeben. Aber bislang hatte ich so viel Spaß an der Musik und an meinen Konzerten, dass ich für ein längeres Projekt keine Zeit hatte.

Wie haben Sie die Ereignisse damals als journalistischer Beobachter erlebt?
Hochgürtel: Wenn ich mich recht erinnere, war das 1984. In Katzvey, einem 800-Einwohner-Dorf bei Mechernich, zogen drei Damen in einen Bungalow und nannten ihn "Club Exclusive". Der Bungalow lag an einer Stichstraße, die für Ortsunkundige schwer zu finden war. Es gab damals ja noch keine Navis. So haben viele Kunden in der Nachbarschaft geklingelt und nach den Damen gefragt. Bald sahen viele Dorfbewohner die öffentliche Moral in Gefahr und bildeten eine Bürgerinitiative. Man traf sich jeden Abend an der Einfahrt zu der Stichstraße, blockierte die Zufahrt und tat so, als würde man die Freier fotografieren. Darauf schalteten die Prostituierten die Polizei ein, die Sache war sogar Thema im Mechernicher Stadtrat und sorgte bald auch bundesweit für Schlagzeilen. Irgendwann fielen vor dem Club sogar Schüsse, was für die Stadt dann Grund genug war, das Etablissement zu schließen. Später ist das Haus aus nie geklärter Ursache abgebrannt. Der Besitzer geriet in Verdacht. Ihm konnte jedoch nichts nachgewiesen werden.

Wie haben Sie die Vorkommnisse damals bewertet?
Hochgürtel: Mich hat fasziniert, wie konsequent sich die Leute solidarisiert haben. Drei Monate haben die Katzveyer abwechselnd an der Stichstraße gehockt und dem Club das Leben schwer gemacht.

Wie genau zeichnet Ihre Geschichte die Wirklichkeit nach?
Hochgürtel: Zu 90 Prozent. Ich habe mir natürlich die Freiheit genommen, die Abläufe zu straffen oder auszuschmücken. Aber im Kern stimmt die Geschichte.

Und die Charaktere?
Hochgürtel: Auch die sind nicht wesentlich überzeichnet. Die kommen so oder so ähnlich in jedem Eifeldorf vor. Ich kenne die Eifel, ich halte die Augen auf. Die Episode, in der der Bauunternehmer einen Benzindieb ins Gullyloch sperrt, bis die Polizei eintrifft, die hat sich wirklich so zugetragen. Der Unternehmer hat übrigens auch einmal einen zahlungsunwilligen Kunden mit seinem Bagger besucht und ihm mitgeteilt, er würde jetzt gleich seinen Hausgiebel wieder einreißen, wenn er nicht sofort die Rechnung begleiche. Aber sonst ist der Mann ein herzensguter Kerl. Die Sitten in der Eifel sind eben manchmal etwas rau.

War es Ihnen ein Anliegen, überkommene Moralvorstellungen und Scheinheiligkeit anzuklagen?
Hochgürtel: Das würde mir zu weit gehen. Aber es ist doch so: In jedem Eifeldorf gibt es uneheliche Kinder. Das darf es zwar offiziell alles nicht geben, aber die Leute leben damit. Die Leute beobachten sich gegenseitig, es herrscht eine starke soziale Kontrolle. Aus psychologischer Sicht hat es mich interessiert, wie eine in sich geschlossene dörfliche Gesellschaft auf jemanden reagiert, der ein Stück außerhalb dieser gesellschaftlichen Normen lebt.

Die realen Geschehnisse liegen 30 Jahre zurück. Ist das Thema heute noch aktuell?
Hochgürtel: Prostituierte fallen ja in der Stadt nicht weiter auf. Es ist gut, dass das Rotlichtgewerbe vom Gesetzgeber her nicht mehr so kriminalisiert wird wie früher. Aber auf dem platten Land sind Bordelle nach wie vor nicht gern gesehen und werden höchstens in Wohnwagen außerhalb der Ortschaften geduldet.

Ohne zu viel von der Story zu verraten: Gibt es am Ende einen Gewinner?
Hochgürtel: Wenn einer gewonnen hat, dann die Frauen des Dorfes. Sie haben die Hosen an und bestimmen letztlich, wo es lang geht, wie die Dorfgemeinschaft funktioniert. Sie bringen ihre Männer dazu, sich dem Protest gegen den Club anzuschließen, obwohl die Männer den Neubürgerinnen eher aufgeschlossen und neugierig gegenüberstehen. Die Frauen lehnen den Club ab, weil sie durch die Damen Konkurrenz befürchten. Sie geraten unter Druck, mehr aus sich zu machen, sich besser anzuziehen. So reflektieren sie ihr Leben und die Beziehung zu ihren Männern.

Wie lief der Schreibprozess ab?
Hochgürtel: Die Story hatte ich ja schon länger im Kopf. Ich hatte die ersten 60 Seiten fertig, da habe ich ein Jahr Pause gemacht, um meine CD mit den französischen Chansons zu produzieren.

Was ist schwieriger: Einen dreiminütigen Song zu schreiben oder ein 300-seitiges Buch?
Hochgürtel: Ein Song geht natürlich schneller. Man muss sehr präzise arbeiten, um die Geschichte, die man erzählen will, auf den Punkt zu bringen. Im Roman kann man schon mal abschweifen. Man braucht aber Sitzfleisch über Monate hinweg. Ich wollte mir beweisen, dass ich in der Lage bin, eine längere literarische Form als einen Songtext zu beherrschen. Das Schöne am Liederschreiben ist ja, dass man ein, zwei Wochen an einem Stück arbeitet, zwei Monate übt, bis alles sitzt, und dann die Nummer vor Publikum ausprobieren kann. Man kriegt also schnell ein Feedback.

Das dauert bei einem Buch natürlich etwas länger....
Hochgürtel: So ist es. Das Schreiben eines Buches erfordert täglich stundenlange hochkonzentrierte Arbeit. Man schreibt ja Seite um Seite einsam vor sich hin, ohne dass man weiß, ob man am Ende ein gutes Produkt abliefern kann. Jemand liest mal zwischendurch ein Kapitel, aber nur der Autor selbst kennt das große Ganze. Man muss schon sehr von seiner Arbeit überzeugt sein, um unbeirrt weiterzumachen.

Ist ein zweites Buch in Planung?
Hochgürtel: Könnte sein. Ein alter Schulfreund hat mir von seinen Erlebnissen als Mitglied der Bhagwan-Sekte in Poona und Oregon erzählt. Das böte genug Stoff für einen Roman.

Zur Person

Günter Hochgürtel, 58, ist bekannt als Eifel-Troubadour. Er singt eigene Lieder, französische Chansons, und ist seit 30 Jahren Texter und Sänger der Eifelrockband "Wibbelstetz". Mit "Landlust" stellt er seinen ersten Roman vor. Hochgürtel arbeitet als Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger. Mit seiner Frau lebt er in Nettersheim. Das Buch "Landlust" ist im Buchhandel für 8,90 Euro und über die Homepage des Autors (www.guenter-hochguertel.de/buecher) zu bestellen.

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