Musikgeschichte in Siegburg Franz Josef Cleuver – Wirt und Komponist

Sankt Augustin/Siegburg · Niederpleiser Musiker betrieb die Gastwirtschaft im Siegburger Nordbahnhof und leitete zahlreiche Chöre im Rhein-Sieg-Kreis

Friedhöfe sind nicht nur Orte des Abschieds von Verstorbenen, sie sind auch Orte der Begegnung mit ihnen. Diese Erfahrung macht die junge Forscherin Franca Victoria Schankweiler immer wieder. Auf der Suche nach den Spuren des Lebens wurde die Historikerin auf dem Alten Friedhof in Siegburg gleich mehrfach fündig. So führten zunächst ihre Forschungen im Rahmen ihrer Doktorarbeit über den Briefwechsel von August Wilhelm von Schlegel und seiner Haushälterin Maria Löbel nach Siegburg, denn Löbels Schwester Theresia lebte dort mit ihrer Familie. Bei der Spurensuche auf dem Alten Friedhof entdeckte Schankweiler dann eher beiläufig das Grab eines Siegburger Komponisten, dessen Name heute kaum mehr geläufig ist: Franz Josef Cleuver (1866-1940), der am Sonntag 150 Jahre alt geworden wäre. „Ich bin mal gespannt, ob einer seiner ehemaligen Chöre seinen damaligen Chorleiter in den nächsten Konzerten zu würdigen weiß“, sagte Schankweiler

Als alleinstehendes Denkmal direkt gegenüber dem Eingang des Alten Friedhofes in Siegburg weckte der Grabstein sofort Schankweilers Interesse. „Das Grab des Musikdirektors und seiner Ehefrau Gertrud machte mich neugierig“, sagt Schankweiler, die sofort in die Forschung einstieg. Was sie dabei über Franz Josef Cleuver und auch über dessen Bruder Carl Johann (1852-1921) entdeckte, konnte man jetzt bei ihrem Vortrag über „Die Komponisten Carl Johann und Franz Josef Cleuver aus Niederpleis“ in der Augustiner Stadtbücherei erfahren. Veröffentlicht hat Schankweiler ihren aktuellen Forschungsstand außerdem in den Augustiner Beiträgen zur Stadtgeschichte (Band 53).

Die Brüder waren zwei von neun Kindern der Eheleute Cleuver und kamen in Niederpleis zur Welt. Der Vater Franz Josef, der Küster an Sankt Martinus Niederpleis war, förderte die musikalischen Talente seiner Kinder. Während Carl Johann einen Ruf ins niederländische Middelburg als Musikdirektor erhielt, blieb der andere im Rheinland aktiv. Franz Josef leitete mehrere Chöre. Schankweiler benennt unter anderem den Siegburger Männer-Gesang-Verein, die Germania Siegburg, den MGV Eintracht Siegburg, den Synagogenchor, den Kirchenchor der Sankt Anno Gemeinde, den Liederkranz Kirchen, den MGV Waldbröl und die Liedertafel Hamm.

Mit den Komponisten ihrer Zeit standen die Cleuvers in brieflichem Kontakt – überliefert ist unter anderem ihr Briefwechsel mit Josef Gabriel Rheinberger und Engelbert Humperdinck. Franz Josef Cleuvers Bitte an Humperdinck um ein Chorlied für das Stiftungsfest des Siegburger Männergesangvereins lehnte Humperdinck im März 1907 schriftlich ab. Humperdincks Erklärung: Neben Zeitmangel drückte der erfolgreiche Siegburger Komponist Cleuver gegenüber auch ganz klar seine Enttäuschung über die eigene Heimatstadt aus: „Denn bis jetzt hat man nicht viel davon bemerkt, dass meine liebe Vaterstadt sich jemals meiner erinnert hätte, man darf im Gegenteil behaupten, dass ich überall mehr bekannt bin als in meiner (…) Heimat, in der ich Kindheit und Jugend verlebte.“

Die Proben seines Siegburger Männergesangvereins fanden im Siegburger Nordbahnhof statt, den Cleuver als Wirt der dort eingerichteten Gastwirtschaft betrieb. Was dort geprobt wurde, lässt sich nur bedingt herausfinden. Cleuvers „Sieglied“, mit dem der Komponist größere Bekanntheit erlangte, war sicherlich dabei: „Wo die muntere Sieg zum Rheine hin eilt, wo Burgen auf waldigen Höh'n, in freundlichen Dörfchen der Wand'rer gern weilt, dort ist meine Heimat so schön!“ Die Chorgemeinschaft Germania Siegburg führt das Lied, das als lokalpatriotische Liebeserklärung an die eigene Heimat ganz in der Tradition des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu sehen ist, noch heute gelegentlich auf. Schankweiler benennt darüber hinaus das Lied „Mutter, gib mir deinen Segen“ und Cleuvers geistliche Motette über „Psalm 150“ als weitere in der Zeit bekanntere Werke des Niederpleiser Komponisten.

Abgeschlossen sind Schankweilers Forschungen über die Cleuvers noch nicht. Nach Besuchen und Forschungen in Archiven und Bibliotheken in der Region sowie in Köln und Middelburg plant die Historikerin eine weitere Veröffentlichung über die Familie Cleuver. Von besonderem Interesse sei bei den weiteren Forschungen unter anderem die Tätigkeit als Chorleiter des Siegburger Synagogenchores und Wirt des Nordbahnhofs, in dem musikalische Veranstaltungen stattfanden. Ein Zeitzeuge Cleuvers meldete sich bei Schankweilers Augustiner Vortrag überraschend zu Wort. Der 95-jährige Johannes Hallberg aus Buisdorf erinnerte sich daran, das Ehepaar Cleuver als Kind kennengelernt zu haben. Seine Mutter Margaretha Hallberg war bei Cleuvers „in Stellung“. Die „feine Art der Frau“ und das Ansehen, das die Familie genoss, ist Hallberg heute noch in guter Erinnerung.

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