Zwölf Kilometer langer Böllweg Diese Winterwanderung bei Much folgt den Spuren von Heinrich Böll

Rhein-Sieg-Kreis · Der Böllweg in Much bietet Schauplätze aus dem Leben des Schriftstellers Heinrich Böll. Unsere Autorin beschreibt die Stationen des zwölf Kilometer langen Weges, die gespickt sind mit spannenden Infos zum Dichter und seiner Familie.

 Schon am Anfang des Wegs eröffnen sich dem Wanderer die ersten Postkarten-Motive.

Schon am Anfang des Wegs eröffnen sich dem Wanderer die ersten Postkarten-Motive.

Foto: Inga Sprünken

In Köln ist nur der ein echter Kölscher, der dort geboren wurde. Das ist auch in Much so. Ein „Mücher“ muss dort geboren sein. Das waren zu früheren Zeiten die meisten Kinder aus dem Ort, gab es doch das St. Josefs-Haus, ein Celitinnen-Kloster, das als Krankenhaus geführt wurde. Dort erblickte auch Christoph Böll das Licht der Welt.

Er wurde kein großer Mücher, denn er starb schon drei Monate nach seiner Geburt an den Folgen eines Brechdurchfalls. Diesen Umstand erfahren Wanderer am Eingang zum Friedhof in Neßhoven, wo sich noch heute die Grabstätte des Sohnes von Heinrich und Annemarie Böll befindet.

Zwölf Kilometer langer Böllweg

Der Friedhof ist eine von acht Stationen auf dem zwölf Kilometer langen Böllweg, der als „Bergischer Streifzug 20“ mit tollen Ausblicken über die Höhen rund um die bergische Gemeinde führt. Dabei bewegt man sich stets auf den Spuren des großen Dichters, der von 1944 bis 1946 in Much lebte, nachdem seine Wohnung in Köln ausgebombt worden war.

Die Zeit in der Gemeinde hat ihn auch in seinem literarischen Werk beschäftigt. So schrieb der Dichter „die kleine Odyssee“ in dem „Brief an meine Söhne und vier Fahrräder“ nieder.

Das erzählt eine der beiden Tafeln am Start der Wanderung, am Hotel Fit in Much-Berghausen. Hier gibt es einen kurzen Abriss vom Leben und Wirken des im Jahr 1917 geborenen und 1985 verstorbenen Literatur-Nobelpreis-Trägers. Folgt man den roten Wegehinweisen nach rechts, eröffnet sich schon nach wenigen Metern ein fantastischer Blick auf Much mit der karminroten Pfarrkiche St. Martinus.

An dieser Stelle wurden nach Erfindung der Fotografie unzählige Postkartenmotive aufgenommen. Außer auf dem Böllweg befindet man sich hier auch auf dem Panorama-Rundweg, der um die Gemeinde herum führt.

So ist der nächste Punkt auf dem Höhenweg die Germana-Kapelle. Sie steht an einer Stelle, an der schon im 18. Jahrhundert ein Heiligenhäuschen gestanden hatte. Ihr heutiger Bau stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde der Patronin der Hirten gewidmet. Das nimmt Bezug auf die vielen Mädchen, die rund um Much das Vieh hüten mussten.

Böll wollte die Rückkehr an die Front verhindern

Nur wenige Meter weiter passiert man ein Wegekreuz, an dem eine Tafel eine Geschichte über einen Mucher Arzt erzählt, der Böll während seiner Zeit bei der Wehrmacht verbotenerweise wehrunfähig schrieb. Der Dichter war 1936 eingezogen worden und versuchte bei Heimaturlauben bei seiner in Much-Marienfeld lebenden Ehefrau, eine Rückkehr an die Front möglichst lange hinauszuzögern. Das gelang ihm jedoch nur teilweise.

Im März 1945 verabschiedete er sich an dieser Stelle von Annemarie erneut an die nur wenige Kilometer entfernte Front. Kurze Zeit später geriet er in Kriegsgefangenschaft, aus der er im Herbst 1945 zurückkehrte. Bevor man die nächste Tafel unterhalb von Berzbach erreicht, kommt man vorbei an einem Hinweis zum Technik- und Bauernmuseum. Ein Abstecher dahin lohnt sich, denn hier wird das Leben und Arbeiten in alter Zeit wieder lebendig.

Abstecher beim Bauernmuseum

Die Tafel ein Stück weiter am Ende der Dorfstraße markiert indes den Milchweg. Auf diesem Trampelpfad war die Familie Böll zwischen Marienfeld und Berzbach unterwegs, um Milch zu holen. Bauer Johann Peters versorgte die Flüchtlinge für kleines Geld stets mit frischer Milch. Die Milchsuppe, mit Haferflocken, Gries oder Mehl angedickt, war auch für die schwangere Annemarie Böll die einzige sichere warme Mahlzeit.

Interessierte erfahren auch, wie Böll sich mit einem von einem Polizisten geliehenen Fahrrad von der Front an der Sieg bei Hennef-Allner nach Much aufmachte. Alternativ zum Wanderweg, der nun entlang der B 513 Richtung Marienfeld führt, kann man nach einem Abstecher zum Bauernmuseum auf einer kleinen befestigten Straße hoch in den Ort laufen, wo sich das ehemalige Pfarrsälchen befindet, in dem die Bölls gelebt hatten.

Das jung verheiratete Paar war nach einer Station in Ahrweiler zusammen mit Bölls Vater Viktor Ende 1944 ins Notquartier seines Bruders Alois und dessen Frau Maria und deren drei Kinder gezogen. Der Bruder hatte den 70 Quadratmeter großen Raum im Obergeschoss des unscheinbaren Hauses mit Presspappe in mehrere kleine Zimmer unterteilt.

Annemarie und Heinrich Böll schliefen in Wohnzimmer und Küche. Die beiden Böll-Brüder kamen während ihrer Soldaten-Zeit vielfach heimlich an diesen Ort zu ihren Familien, immer in der Gefahr, als Deserteur erschossen zu werden.

Der Weg führt bis ins Bröltal

Von Marienfeld führt der Weg nach Neßhoven, vorbei am Friedhof, wo der erstgeborene Böll-Sohn begraben liegt. In dem kleinen Ort oberhalb des Bröltals, in das der Weg später hinabführt, erinnert eine Tafel an den späteren Wohnort von Annemarie Böll. Sie war nach der Geburt des Sohnes am 20. Juli dort in dem Fachwerkhaus beim Bauern Josef Franken untergekommen. Und dorthin kehrte Böll zurück. Das Paar lebte dort in zwei Zimmern, bis es nach der Besetzung und Renovierung eines kriegsgeschädigten Hauses in Köln-Bayenthal wieder nach Köln zurückzog.

Der Weg führt weiter hinunter ins Bröltal, wo sich oberhalb von Bruchhausen die letzte Tafel befindet. Sie erzählt von der Wehrmachtsdienststelle, die sich in dem kleinen Ort in einer Gaststätte befand. Dort meldete sich Böll nach vergeblichen Versuchen, seinen Heimaturlaub weiter hinauszuzögern, im März wieder zur Front zurück.

Im April kam er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er im Herbst wieder zurückkehrte. Der Weg führt von nun an stetig bergauf wieder über Marienfeld und Berzbach zurück zum Parkplatz des Hotels Fit.

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