Schwimmkurs für Frauen in Hennef „Beim Schwimmen fühle ich mich frei“

Hennef · Mehr als 50 Frauen und Mädchen fahren jeden Sonntag nach Hennef. Ihr Ziel: das Schwimmbad der Sportschule. In den Zeiten, in denen die Vereine nicht trainieren, lernen sie schwimmen – unbeobachtet. Teilnehmerinnen und Trainerinnen berichten von diesem ungewöhnlichen Projekt.

 Sonja Göde übergibt Samira Shek Mohamed ihr Abzeichen, sie ist seit Beginn des Projektes dabei.

Sonja Göde übergibt Samira Shek Mohamed ihr Abzeichen, sie ist seit Beginn des Projektes dabei.

Foto: Melanie Beckmann

Wenn sie ins Wasser gehen, sind sie mit ihren Trainerinnen allein im Schwimmbad. Ein besonderer Schwimmkurs nur für Frauen zieht schon seit einigen Jahren viele Frauen und Mädchen Sonntag für Sonntag in die Sportschule nach Hennef. Aktuell haben die verschiedenen Kurse mehr als 50 Teilnehmerinnen.

Der Polizeisportverein Siegburg, die katholische Jugendagentur Bonn und die Sportschule riefen das Projekt „Schwimmkurs für Frauen“ 2015 ins Leben. Mit diesem Angebot sollten Frauen und Mädchen motiviert werden, schwimmen zu lernen, die es bis dahin aus religiösen, kulturellen oder einfach persönlichen Gründen nicht lernen konnten.

Gihan Eibo war bereits 2015 bei einem der ersten Schwimmkurse dabei. Heute ist die Syrerin selbst Trainerin und trainiert auch noch selbst – sie will als Rettungsschwimmerin ausgebildet werden. Es gibt weitere Frauen, die nicht nur für einen Kurs nach Hennef kommen oder nur bleiben, bis sie das Seepferdchen-Abzeichen bekommen. Zusammen mit Gihan Eibo wurde Samira Shek Mohamed auf das Schwimmangebot aufmerksam. Auch Samira Shek Mohamed ist seit sieben Jahren dabei und stolz auf ihr frisches Silber-Abzeichen.

Am Anfang stand die Angst vor dem Wasser

„Am Anfang hatte ich große Angst vor dem Wasser, auch in Syrien hatte ich Angst vor dem Meer“, sagt sie. Heute feiere sie einen großen Erfolg, denn sie hat nicht nur das Silber-Abzeichen gemacht, sondern ist auch zum ersten Mal vom Ein-Meter-Brett gesprungen. Mittlerweile liebt Samira Shek Mohamed das Schwimmen trotz anfänglicher Angst sehr. Ihr liegt viel an der Gemeinschaft und dem Zusammenhalt innerhalb der Schwimmgruppe. Sie hat dem Schwimmkurs eine weitere Teilnehmerin beschert: Ihre Tochter hat ebenfalls das Bronze- und das Silber-Abzeichen erhalten.

Im Projekt gibt es inzwischen von ängstlichen Nichtschwimmerinnen bis hin zu erprobten Schwimmerinnen eine breite Spanne an Teilnehmerinnen. Dafür wird das Becken der Sportschule in verschiedene Bereiche geteilt. So kann gleichzeitig ein anspruchsvolles Training und eine Wassergewöhnung für Nichtschwimmerinnen erfolgen.

Bei der Verleihung der Abzeichen beim letzten Training des Jahres ist vom Seepferdchen bis zum Gold-Abzeichen alles dabei. „Ich bin stolz auf euch, dass ihr eure Ängste überwunden und das Schwimmen gelernt habt“, sagt Sonja Göde bei der Verleihung. Die Polizeihauptkommissarin leitet das Projekt vor Ort in Hennef. Dabei wird sie inzwischen von sechs Trainerinnen unterstützt.

70 Prozent schaffen das Seepferdchen auf Anhieb

„70 Prozent der Teilnehmerinnen erreichen im ersten Kurs ihr Seepferdchen“, sagt Göde. Das sei eine beachtliche Leistung, denn ein Großteil der Teilnehmerinnen habe noch nie viel mit Sport am Hut gehabt. Sie betont, dass es normal sei, mehr als einen Kurs zu brauchen. „Kinder brauchen für das Seepferdchen auch oft mehr als einen Kurs und gerade für Erwachsene ist es schwierig, eine neue Technik zu erlernen“, sagt sie.

Eine der Gold-Absolventinnen in diesem Jahr ist Ilham Zayed. Sie nimmt an dem Projekt seit drei Jahren teil und konnte vorher gar nicht schwimmen. Im ersten Anlauf hat sie vor drei Jahren das Seepferdchen geschafft und heute bereits das Gold-Abzeichen. Sie kommt aus dem Gazastreifen, lebt aber seit 20 Jahren in Deutschland. In ihrer Heimat hatte sie es nicht leicht, schwimmen zu lernen. „Da musste man mit seiner Kleidung in das Wasser gehen, weil es nur männliche Trainer gab“, erklärt sie und fügt hinzu, dass es auch nicht so leicht sei, im Meer schwimmen zu lernen.

Die Palästinenserin ist stolz. Inzwischen fährt sie gern mit ihrer Familie in den Urlaub ans Meer. „Mittlerweile liebe ich das Schwimmen, dabei fühle ich mich frei“, sagt sie. Sie habe sich einen Burkini gekauft, als sie von dem Projekt hörte. „So ein Angebot gibt es nicht oft“, sagt Zayed. Sie berichtet, dass eine ihrer Freundinnen jede Woche aus Königswinter zum Schwimmtraining nach Hennef kommt. Zayeds Ziel ist es, selbst einmal hier Trainerin zu werden.

Kurse sind durchgängig ausgebucht

In der Sportschule in Hennef können die Frauen im Badeanzug schwimmen, denn das Schwimmbad wird geschlossen, wenn das Training beginnt. „Normalerweise kommt sonntags gar kein Verein in dieses Schwimmbad“, sagt Göde. Die Hennefer Sportschule habe das Projekt von Anfang an unterstützt und auch schon für den nächsten Kurs Wasserzeiten zur Verfügung gestellt.

Werbung will Göde für das Projekt nicht machen. Haben die Initiatorinnen beim Start noch Anzeigen geschaltet, erfahren heute so viele Frauen durch Mund-zu-Mund-Propaganda von dem Projekt, dass es meist durchgängig ausgebucht ist. „Wir haben nur begrenzte Wasserzeiten“, sagt Göde. Für den nächsten Kurs hat sie schon jetzt viele Anfragen.

Für Teilnehmerin Amall Essa hat das Projekt eine entscheidende Besonderheit: „Hier sind wir alle gleich. Wir sind alle Frauen, wollen alle das Schwimmen lernen und deshalb schämt man sich hier nicht“, sagt sie. Sie stammt aus Syrien und konnte dort nicht gut lernen, wie man schwimmt. Als Erwachsene hat sie sich dann geschämt, in Schwimmbäder zu gehen, weil sie nicht schwimmen konnte. „Jetzt kann ich aber meinen Kindern stolz mein Abzeichen zeigen“, sagt sie, denn sie hat heute ihr Seepferdchen-Abzeichen erhalten.

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