Corona im Rhein-Sieg-Kreis Das sagt die regionale Ärztevertreterin zur vierten Impfung

Rhein-Sieg-Kreis · Um die vierte Corona-Impfung gibt es derzeit viele Diskussionen. Und auch in den Praxen in der Region bekommen Patienten unterschiedliche Informationen. Ein Gespräch mit Jacqueline Hiepler, KV-Vorsitzende Rhein-Sieg, über die aktuelle Lage.

Wer sollte sich jetzt sofort die 4. Impfung holen und wer auf den neuen Impfstoff warten?

Wer sollte sich jetzt sofort die 4. Impfung holen und wer auf den neuen Impfstoff warten?

Foto: dpa/Sven Hoppe

Wer nicht unmittelbar zu einer der vulnerablen Gruppen gehört und über eine zweite Booster-Dosis der Corona-Impfung nachdenkt, kann angesichts der augenblicklich konfusen Diskussion schnell den Durchblick verlieren. Die Ratschläge der Ständigen Impfkommission (Stiko) unterscheiden sich von der Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Und auch in den Praxen in der Region bekommen Patienten unterschiedliche Informationen. Darüber hinaus soll noch in diesem Monat wenigstens ein angepasster Impfstoff kommen. Sollte man darauf warten? Darüber sprachen wir mit Jacqueline Hiepler, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Rhein-Sieg und Hausärztin in Hennef.

„Es ist richtig, dass zurzeit eine große Verunsicherung unter den Patientinnen und Patienten herrscht. Wir werden täglich mit solchen Fragen konfrontiert“, sagt Jacqueline Hiepler dazu, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Rhein-Sieg und Hausärztin in Hennef. Es gebe keine Klarheit, und viele Betroffene fühlten sich wie im Nirwana der Informationsgegensätze. Sie persönlich empfehle grundsätzlich eine Impfung, um schwere Krankheitsverläufe oder gar Tod oder schwere Long-Covid-Verläufe zu vermeiden.

Aus ihrer Praxiserfahrung weiß die Medizinerin, dass Langzeitfolgen nach einer Infektion mit dem Coronavirus sehr häufig hartnäckiger verlaufen, als bei jenen, die geimpft gewesen sind. „Das Fatigue-Syndrom mit anhaltendem Gefühl von Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit kann bei geimpften Personen nach einer Corona-Infektion zwar auch mal auftreten. Das sind aber vielfach momentane Erscheinungen. Bei Ungeimpften taucht es in sehr viel stärkerer Form auf“, erklärt sie.

Durchseuchung hat stattgefunden

Daher: „Es gibt fitte 60-Jährige, bei denen die dritte Impfung noch gut ausreicht, und es gibt 60-Jährige, denen ich eine zweite Booster-Impfung durchaus anrate“, sagt sie. Sie sehe das sehr „pragmatisch“ und immer einzelfallabhängig. Menschen mit chronischen Erkrankungen beziehungsweise reduzierter Immunabwehr sollten aus ihrer fachlichen Sicht eine vierte Impfung in Erwägung ziehen und zwar unabhängig vom Alter.

Andererseits hätten sich bei der Sommerwelle ja sehr viele Menschen mit dem Virus angesteckt. „Man kennt doch kaum noch jemanden, der nicht Corona hatte“, sagt sie und schätzt, dass eine weitgehende „Durchseuchung“ der Bevölkerung ja stattgefunden habe. „Für die Genesenen kommt sie ja einer Impfung gleich“, so Hiepler.

Auf den neuen Impfstoff warten?

Was empfiehlt sie ihren noch nicht erkrankten Patienten: Sich jetzt mit dem vorhandenen Impfstoff impfen zu lassen oder auf den angepassten zu warten? „Auch da würde ich die persönlichen Expositionen anfragen“, sagt Hiepler nachdenklich. „Wenn das jemand ist, der beruflich viel unterwegs ist und viele Außenkontakte hat oder jemand vielleicht jetzt verreisen will, dann würde ich eine Impfung mit dem vorhandenen Impfstoff anraten. Ansonsten: Warten Sie bis der neue Impfstoff da ist.“ Wenn dieser die Zulassung bekomme, dann sei auch der Nachweis erbracht, dass er dem jetzt geläufigen Impfstoff „überlegen“ sei.

Und über zu knappen Impfstoff müsse man sich heute keine Gedanken mehr machen: „Der Impfstoff wird ja eher vernichtet, als dass er für die Praxen begrenzt würde“, sagt die Ärztin. Dass Patienten unterschiedliche Ratschläge von ihren Kolleginnen und Kollegen bekommen, wundert sie nicht. „Wir haben ja auch eine Therapiehoheit. Es liegt im Ermessen des Arztes oder der Ärztin, wie da nach Absprache mit den Patienten vorgegangen wird.“ Da gebe es sicher Praxen, die strikt nach Stiko-Empfehlung vorgingen, aber es gebe eben auch Praxen, die mit vielen schweren oder gar tödlich verlaufenen Erkrankungen zu tun gehabt haben, die bei der Frage nach einer Immunisierung vielleicht eine andere Haltung haben, erklärt sie.

Für die vulnerablen Gruppen indes stehe das weitere Vorgehen jetzt schon fest, sagt die regionale KV-Vorsitzende: „Im Herbst werden wir wieder durch die Seniorenheime gehen und dort sowohl die Grippeschutzimpfung und die 5. Impfung mit dem neuen angepassten Impfstoff anbieten.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Kluges Urteil
Kommentar zur Masern-Impfpflicht Kluges Urteil
Aus dem Ressort