Fitnessstudios im Rhein-Sieg-Kreis „Wir sind frustriert und enttäuscht“

Rhein-Sieg-Kreis · Die Fitness- und Gesundheitsbranche lahmt wegen der Corona-Pandemie und hofft auf Erste Hilfe. Die kommt aber nicht. Zwar hat die Bundesregierung ein großzügig klingendes und milliardenschweres Hilfsprogramm aufgelegt, das Geld kommt aber bei den Betreibern von Sportstudios nicht oder verspätet an.

 Ein rot-weißes Flatterband ist an Fahrradtrainern befestigt, die in einem Fitnessstudio stehen. (Symbolfoto)

Ein rot-weißes Flatterband ist an Fahrradtrainern befestigt, die in einem Fitnessstudio stehen. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Wer im Internet den Filmkanal Youtube anklickt und den Beitrag von Thorsten Schröder ansieht, weiß schnell, wie krank die Fitness-Wirtschaft ist. Der Geschäftsführer des Sportparks Am Kreuzeck ringt in seiner Not-Botschaft um Luft und Worte. Dramatisch schildert er seinen „Kunden, Freunden und Mitgliedern, uns fehlen ein paar Euro“. Und „wir können Miete, Kredite und Löhne nicht mehr bezahlen“. Per Videobotschaft bittet Schröder gar um Spenden, um seinen Betrieb am Leben halten zu können. Ansonsten „wissen wir nicht mehr, wie es weitergeht“. Inzwischen ist im Sportpark weder telefonisch noch per E-Mail jemand zu erreichen. „Leider geschlossen“ steht an der Eingangstür.

Die Fitness- und Gesundheitsbranche lahmt wegen der Corona-Pandemie und hofft auf Erste Hilfe. Die kommt aber nicht. Zwar hat die Bundesregierung ein großzügig klingendes und milliardenschweres Hilfsprogramm aufgelegt, das Geld kommt aber bei den Betreibern von Sportstudios nicht oder verspätet an.

Investitionen in Hygienemaßnahmen

Fitness-Studios dienen in hohem Maße der Gesunderhaltung ihrer Mitglieder. Reha-Sport, Konditionstraining, Rückenschule, Yoga, Herz-Kreislauftraining und vieles mehr wird dort angeboten, weiß Florian Kündgen, stellvertretender Geschäftsführer des DSSV, des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen mit Sitz in Hamburg. Während Frisöre und Kosmetikerinnen im zweiten Lockdown arbeiten dürfen, „wurden die Anlagen wie auch die Betriebe der Gastronomie- und Hotellerie willkürlich geschlossen“, ärgert sich Kündgen. Dabei hätten die Anlagen teilweise im oder nach dem ersten Lockdown fünf- bis sechsstellige Beträge in umfangreiche Hygienemaßnahmen investiert.

Laut Kündgen gibt es eine Studie vom europäischen Sportstättenverband, die aufzeigt, dass es nahezu keine Infektionen in Studios gab oder gibt. Überbrückungshilfe I oder II stand vielen Unternehmen der Fitnessbranche nicht zu, da sie die Beiträge weiter abgebucht haben und somit die Voraussetzungen für die Hilfen nicht gegeben waren. Als Ersatz wurden den Mitgliedern Gutscheine oder Entschädigungen angeboten. Auch die Novemberhilfe, die ganz unbürokratisch an alle Betriebe gehen sollte, die behördlich geschlossen wurden, komme nur bei jeder dritten bis vierten Anlage an.

 Vor leeren Trainingsgeräten: Die Geschäftsleitung von „Sportaktiv“ in Hennef (von links) Jennifer Giseler, Dirk Pax und Horst-Christian Severyns.

Vor leeren Trainingsgeräten: Die Geschäftsleitung von „Sportaktiv“ in Hennef (von links) Jennifer Giseler, Dirk Pax und Horst-Christian Severyns.

Foto: Hanjo Wimmeroth

Keine Corona-Fälle im Studio

Darunter leidet auch zum Beispiel „Sportaktiv“ in Hennef. Wie Geschäftsführerin Jennifer Giseler erklärt, habe das Unternehmen von den so dringend benötigten und vom Staat versprochenen Corona-Hilfsgeldern nichts erhalten. Mit der Begründung, dass „Sportaktiv“ ein verbundenes Unternehmen ist. Die Gesellschafterfamilie, zurzeit in der dritten Generation tätig, besitzt mehrere Unternehmen, die alle von der Corona-Pandemie betroffen sind – und vom Lockdown. „Sportaktiv“ wurde nicht erlaubt, selbstständig Hilfsgelder zu beantragen. Nachdem die Firma ein Hygienekonzept mit hohen Investitionen erfolgreich umgesetzt habe und laut Giseler keinen einzigen positiven Corona-Fall bei Kunden und Mitarbeiter hatte, kam nun der zweite Lockdown.

Nach Rücksprache mit ihrem Steuerberater habe „Sportaktiv“ keine Mitgliedsbeiträge für November per Lastschrift eingezogen, so Giseler weiter. In der Hoffnung, die dritte November-Corona-Hilfe zu erhalten, die 75 Prozent vom Nettoumsatz 2019 ausmachen sollte, habe sie nun erneut zu erfahren, dass „Sportaktiv“ auch diese Hilfe nicht erhalten wird. Die Begründung diesmal: „Sportaktiv“ hätte mehr als 80 Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmensverbundes machen müssen.

KfW-Kredit von Hausbank abgelehnt

Aber es kam noch schlimmer, berichtet Giseler. Weil keinerlei Hilfsgelder für „Sportaktiv“ gewährt wurden, habe die Gesellschafterfamilie versucht, über ihre Hausbank, die Volksbank Bonn Rhein-Sieg eG, KfW-Corona-Hilfsdarlehen zu beantragen. Bei diesen Hilfsdarlehen hätte die KfW mit 90 bis 100 Prozent für das Darlehen gebürgt. Dieses Darlehen wurde von der Hausbank abgelehnt. Begründung hier: Man solle erst die freie Kreditlinie der verbundenen Unternehmen aufbrauchen.

Die Eigentümer halten dies für illegal und betriebswirtschaftlichen Irrsinn. Die verbundenen Unternehmen, die alle unter der aktuellen Covid-19-Pandemie leiden, brauchen ihre noch freien Kreditlinien, um den eigenen Geschäftsbetrieb am Leben zu erhalten, sagt Giseler. Und diese Kreditlinie wurde zweckgebunden vergeben und nicht, um sich untereinander zu finanzieren.

Dazu teilte die Hausbank „Sportaktiv“ mit, dass man „nicht auf sie gewartet“ hätte und die Beantragungszeit bis 31. Dezember zu kurz sei. 186 DinA4-Seiten hat „Sportaktiv“ für den schriftlichen Antrag und das Rating eingereicht, die Absage kam dann per Telefon. Giseler: „Wir sind frustriert und enttäuscht.“

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