Lars Ertzinger aus Hennef Die kuriose Reise eines Fotoapparats

Königswinter · Ein Fotoapparat führt oftmals ein bewegtes Leben, reist mit in ferne Länder und gelangt nicht selten an ungewöhnliche Orte. Der Fotoapparat, um den es hier geht, ist Teil einer kuriosen Geschichte, die fast zu schön ist, um wahr zu sein. Doch: Sie ist tatsächlich geschehen.

 Hier oben auf dem Wallberg am Tegernsee haben Lars Ertzinger und seine Freundin Jenifer Alias die Kamera Mitte Mai gefunden. Als der Eigentümer aus Königswinter diese zwei Monate zuvor verlor, lag hier noch Tiefschnee.

Hier oben auf dem Wallberg am Tegernsee haben Lars Ertzinger und seine Freundin Jenifer Alias die Kamera Mitte Mai gefunden. Als der Eigentümer aus Königswinter diese zwei Monate zuvor verlor, lag hier noch Tiefschnee.

Foto: Privat

Der Tag, nachdem Jenifer zum ersten Mal Schnee sah, endete in einem großen Rätsel. Die Philippinin und ihr Freund Lars Ertzinger aus Hennef hatten eine lange Reise hinter sich: Beide leben zusammen in Schanghai, er arbeitet im deutschen Generalkonsulat.

Nun waren sie in seiner Heimat, besuchten seine Eltern und reisten nur wenige Tage später in die Schweiz, kraxelten auf einen Gletscher und sahen: Schnee. Auf der Rückreise machten sie Halt am Tegernsee und bestiegen den Wallberg, 1722 Meter hoch, mit Blick über Bayerns schönste Berge.

Hier oben beginnt sie, diese Geschichte, wie sie vermutlich nur das Leben schreibt. Die Zwei finden einen Fotoapparat - und nehmen ihn an sich. Zurück in Hennef durchforstet Lars Ertzinger mit seinen Eltern Herbert und Heidi die rund 500 Fotos, um einen Anhaltspunkt zu finden, wem diese Kamera gehören könnte.

Sie erweist sich als kostbarer Schatz an Erinnerungen, der - wie sich später herausstellt - seit Anfang März auf dem Wallberg verborgen lag und nun gehoben wurde. Ein Speicherchip voll gepackt mit Abzügen einer Rundreise durch Polen, Litauen und Süddeutschland, ein unbezahlbarer Verlust für den Eigentümer der Kamera.

Und, siehe da, die Suche nach der Nadel im Heuhaufen endete erfolgreich: Auf einem Foto ist ein Auto zu sehen. Das Nummernschild ist deutlich zu erkennen. Es hat das Kürzel: SU. "Der Besitzer der Kamera hätte von überall aus der Welt kommen können - aber aus der Nachbarschaft? Unglaublich", sagt Mutter Heidi Ertzinger.

Aber damit nicht genug: Als Sohn Lars und Freundin Jenifer längst wieder in Richtung Schanghai entschwunden waren, nahmen die Eltern das Heft in die Hand. Sie übergaben die Kamera der Polizei, die ermittelte tatsächlich den Besitzer. Der Glückliche kam aus Königswinter.

Dieser rief schließlich die Ertzingers an, um sich zu bedanken - mehrmals erfolglos. Die Eheleute waren verreist. Und so sprach er seine Dankesworte auf den Anrufbeantworter. Ohne seine Nummer oder seinen Namen zu hinterlassen. "Ich hätte den Mann so gerne kennengelernt", dachte sich damals Herbert Ertzinger. Es schien, als bliebe ihm diese Begegnung vergönnt.

Es vergingen zwei Monate, die Geschichte des Fotoapparats waberte noch immer in ihren Köpfen, als die Ertzingers am vergangenen Sonntag zum GA-Sommergarten gingen. Der Kastaniengarten des Rheinhotels Dreesen in Bad Godesberg füllte sich gerade, die HopStopBanda mit russischem Folk-Mix stand bereits in den Startlöchern, als ihnen ein Mann auffiel.

Ein Herr mit prachtvollem Lockenkopf, unverwechselbar, nahm wenige Stühle vor ihnen Platz. Sie erkannten ihn wieder. Das war der Mann auf den Fotos. Der Mann, dem die Kamera gehörte. Sie sprachen ihn an - und tatsächlich: Er war es. Er erzählte ihnen, wie er damals auf dem Wallberg ausrutschte, ihm die Kamera aus der Hand glitt und im Tiefschnee unauffindbar verschwand.

Als Lars Ertzinger und Freundin Jenifer zwei Monate später, Mitte Mai, den Wallberg bestiegen, war der Schnee weitestgehend geschmolzen. Die Sonne spiegelte sich in der Linse der Kamera.

"Wir sind keine Kirchengänger, aber irgendwer hat hier die Fäden gezogen", sagt Heidi Ertzinger überzeugt. Dass ein Hennefer, der in Schanghai lebt, am Tegernsee einen Fotoapparat findet, der einem Mann aus Königswinter gehört, sei ja schon "ein Gag", sagt Mutter Heidi, "aber dass wir den Mann dann in Bonn wiedererkennen, schlägt dem Fass den Boden aus."

Übrigens: Die Ertzingers gaben dem Mann ihre Kontaktdaten. Seine haben sie nicht, weder Namen noch Rufnummer. Und jetzt warten sie erneut, auf seinen Anruf. Nicht auszuschließen, dass eine Fortsetzung folgen könnte.

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