Schwurgericht Bonn Drei Jahre Haft für Kindstötung

HENNEF/BONN · Das Bonner Schwurgericht spricht eine 22-Jährige des Totschlags schuldig und schickt sie hinter Gitter. Sie hat ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen und verbirgt ihre Augen hinter einer Sonnenbrille, als sie an den Kameras vorbei in den Gerichtssaal huscht.

An diesem Tag fällt das Bonner Schwurgericht sein Urteil über die 22-jährige Henneferin, die ihr Baby nach heimlicher Schwangerschaft und heimlicher Geburt am 16. November in der Wohnung ihrer Eltern tötete. An diesem Tag musste sie nicht allein kommen wie an den Tagen zuvor. Ihre Eltern und ihre beste Freundin sitzen im Zuschauerraum, als das Gericht verkündet: Die Angeklagte wird wegen Totschlags zu drei Jahren Haft verurteilt.

Wie erstarrt wirkt die zierliche junge Frau, die eher wie eine 17-Jährige wirkt, als Kammervorsitzende Anke Klatte zu ihr sagt: "Wir haben uns viel Mühe gegeben, Sie kennenzulernen und die Hintergründe der Tat zu begreifen, um ein gerechtes Urteil zu finden. Aber wir müssen auch an das Opfer denken, ein kleines Kind, Ihr Kind, das durch Ihre Tat nie auf dieser Welt leben durfte." Die 22-Jährige weint lautlos.

Dann schildert die Richterin den Lebensweg der Angeklagten und die Hintergründe einer Tat, die kaum zu begreifen ist in einer Zeit, in der ein uneheliches Kind längst kein Makel mehr ist. Richterin Klatte schildert, wie die Angeklagte als Kind eines Bundeswehroffiziers und einer Hausfrau in normalen Verhältnissen aufwuchs, bis 2008 die Ehe der Eltern zusehends zerbrach. Wie die Sprachlosigkeit in der Familie nach dem Fremdgehen des Vaters und dem ernsthaften Selbstmordversuch der Mutter, die von der Angeklagten gefunden wurde, dazu führte, dass auch sie sich niemandem anvertraute.

Auch nicht, als sie im Frühjahr 2012 merkte, dass sie schwanger war. Nur ihren Ex-Freund, den sie für den Kindsvater hielt, bat sie um Hilfe, doch als er sie im Stich ließ, tat sie laut Richterin das, was sie gelernt hatte: Sie schob die Schwangerschaft beiseite und verheimlichte sie vor jedem. Selbst als sie zwei Wochen vor der Geburt von Mutter und Freundin darauf angesprochen wurde und Hilfe angeboten bekam, ignorierte sie ihren Zustand weiter und belog ihre beste Freundin, als die nachhakte.

Als sie am 15. November abends Wehen und nachts immer größere Schmerzen bekam, wandte sie sich nicht hilfesuchend an die Eltern im Nebenzimmer. "Ob sie da schon vorhatte, ihr Kind zu töten, konnten wir nicht klären", stellte die Richterin fest. Aber spätestens als das Kind morgens geboren wurde und schrie, "beschloss sie, es umzubringen", so die Richterin: "Sie drückte ihm ein Kissen aufs Gesicht, mindestens eine Minute lang."

Für das Gericht stehe fest, dass es sich hier aufgrund der Gesamtumstände und ihrer Persönlichkeitsdefizite um einen minderschweren Fall des Totschlags handle, so die Richterin. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie nur vermindert steuerungsfähig war. Das alles führe auch angesichts ihres Geständnisses zu einer Strafminderung, und das Gericht halte drei Jahre Haft für tat- und schuldangemessen.

Mit verweinten Augen verlässt die 22-Jährige das Gericht. Ihr Anwalt Uwe Krechel kündigt Revision an, er hatte eine Bewährungsstrafe beantragt mit der Auflage, dass sie eine Therapie machen müsse. Die brauche sie dringend, sagt er, es gehe ihr sehr schlecht: Sie müsse damit fertig werden, dass sie ihr Kind getötet habe.

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