Grammy-Gewinnerin aus Hennef Popstar Kim Petras landet ihren bisher größten Triumph

Hennef/Los Angeles · Kim Petras aus Hennef hat Geschichte geschrieben. Die 30-Jährige ist die erste Transfrau, die einen Grammy holt. Der Weg zum Popstar, der in Los Angeles eine neue Heimat fand, war steinig.

 Kim Petras und Sam Smith nehmen in Los Angeles den Grammy für das beste Popduo entgegen.

Kim Petras und Sam Smith nehmen in Los Angeles den Grammy für das beste Popduo entgegen.

Foto: AP/Chris Pizzello

Ganz in Rot gekleidet – mit High Heels, Kleid und Netzschleier – steht Kim Petras bei ihrem bisher größten Triumph auf der Bühne in Los Angeles. Für ihren Clubhit „Unholy“ wurde die in Hennef-Uckerath aufgewachsene Sängerin mit einem Grammy Award ausgezeichnet. Während sie zum Publikum spricht, nimmt Co-Sänger Sam Smith das begehrte Grammophon entgegen. „Ich bin die erste Transgenderfrau, die diesen Award gewinnt. Ich will nur all den unglaublichen Transgender-Legenden vor mir danken, die diese Türen für mich geöffnet haben, damit ich heute Abend hier sein kann“, sagt Petras mit zittriger Stimme. Im Publikum sitzen Weltstars wie Beyoncé, Harry Styles und Taylor Swift – sie alle springen auf und jubeln ihr zu. „Ich bin an einer Autobahn mitten im Nirgendwo in Deutschland aufgewachsen. Und meine Mutter hat mir geglaubt, dass ich ein Mädchen bin. Ohne sie wäre ich nicht hier“, führt die 30-Jährige aus. Sie kämpft mit den Tränen. „Das ist ein großer Moment für mich“, sagt Petras und fällt Sam Smith in den Arm.

Die Autobahn, von der Kim Petras auf der Bühne in Los Angeles spricht, ist die A 3, das Nirgendwo, in dem sie aufwuchs, ist Hennef-Uckerath. Und ihre Mutter glaubte ihr schon als Kind, dass sie ein Mädchen ist, auch wenn sie 1992 als Tim geboren wurde. Bis sie mit 16 Jahren als jüngste Transfrau weltweit geschlechtsangleichend operiert und damit in ganz Deutschland bekannt wurde, brauchte es allerdings drei verschiedene psychologische Gutachten. „Ich glaube, wenn mein 13-jähriges Ich mein jetziges Leben sehen würde, wäre ich ausgerastet und wäre mega happy“, sagt Kim Petras.

„Ich habe mich schon immer als Mädchen gefühlt“

Schon als kleines Kind trägt sie Röcke, spielt mit Puppen und stöbert im Kleiderschrank ihrer Schwestern. „Ich habe mich schon immer als Mädchen gefühlt. Es war intuitiv immer da“, erinnert sich Petras bei einer NDR-Talkshow 2011. In der Schule muss sich die Sechsjährige neutral kleiden, zu Hause streift sie Kleider über. Unterstützung erhält Kim von ihren Eltern und Freunden. „Tim hat des Öfteren abends im Bett geweint und sagte ‚Ich bin unglücklich, ich kann als Junge nicht leben, ich möchte ein Mädchen sein’“, erinnerte sich später Vater Lutz Petras.

Kim Petras entwickelt in frühen Jahren eine große Leidenschaft für Musik und Tanz. „Sie wollte das Prinzesschen tanzen und war im Ballettunterricht immer scharf auf das rosa Tütü“, erzählte ihre Mutter Kornelia Petras. Die Eltern lassen zwei unabhängige Gutachten erstellen: Beide bestätigen, dass das Kind transsexuell ist. Lutz Petras erinnerte sich, wie sich das Kind vor der einsetzenden Pubertät fürchtete: „Sie hatte Angst vor Bartwuchs, dem Stimmbruch und anderen Anzeichen.“ Mit zwölf Jahren wird Kim in einem Hormon-Zentrum in Hamburg behandelt, sie ist die jüngste Patientin Deutschlands. Der Spezialist stoppt mit Spritzen zuerst die männliche Pubertät und verschreibt dann Hormone, die die weibliche Veränderung des Körpers anregen.

Britney Spears und Paris Hilton als Vorbilder

Mit 14 Jahren schreibt Kim erste eigene Songs und probt mit ihrem Vater. Mit 15 Jahren veröffentlicht sie im Internet eigene Popsongs. Ihre Vorbilder damals: Britney Spears und Paris Hilton. „Der Traum mit dem Singen war bei mir eben ziemlich ausgeprägt. Und deswegen wäre es natürlich fatal gewesen, wenn ich auf einmal eine tiefe Stimme hätte“, sagte Kim 2007 gegenüber stern TV. Durch die Hormoneinnahme blieb der Stimmbruch aus. Petras behielt ihre hohe, klare Stimme. Im Alltag versucht Petras, ihre Transsexualität zu vergessen. Doch in der Schule gestaltet sich das schwierig. Viele Mitschüler rufen ihr „Schwuchtel“ oder „Transe“ hinterher. „Kinder können richtig scheiße sein“, resümiert Petras später. Sie will wie ein normales Mädchen leben. Doch eine geschlechtsanpassende Operation ist in Deutschland erst mit Erreichen der Volljährigkeit erlaubt. Schließlich bewilligt die Krankenkasse den Eingriff mit einer Ausnahmeregelung dennoch. „Für mich hat die Operation bedeutet, dass ich endlich ich selbst sein konnte und dass ich mich in meinem eigenen Körper wohlfühlen konnte“, sagt Kim. „Und genau das ist auch eingetreten. Seitdem bin ich einfach glücklich.“

2011 verlässt Kim Petras Uckerath und geht nach Los Angeles, um dort den großen Durchbruch zu schaffen. Mit Kellnern verdient sie Geld für die Flüge, wohnt in einer WG. „Ich bin mit 19 zum ersten Mal in L. A. gewesen, bin die erste Zeit immer als Tourist eingereist“, erklärt die Grammy-Gewinnerin der Bild-Zeitung. In den USA nimmt Kims Karriere schnell Fahrt auf. Troy Carter, der Ex-Manager von Lady Gaga, beschrieb sie mal als „das Beste, was ich seit Gaga gehört habe“, die angesehene „New York Times“ sah in ihr die Antwort auf Weltstar Madonna. Petras knüpft Kontakte, schreibt Songs für andere, gründet ihr eigenes Musiklabel und veröffentlicht mit „Clarity“ und „Turn Off the Light“ auch eigene Alben.

Zu ihrem Erfolg gratuliert ihr auch der Bürgermeister von Hennef. „Ihr sicherlich schwieriger Lebensweg kann vielen Menschen ein Vorbild sein“, sagt Mario Dahm, auch wenn sie heute sage, dass sie im Nirgendwo aufgewachsen sei. „Ich glaube, dass die Gesellschaft heute weiter ist, auch unsere Stadt ist bunter und offener geworden – und das ist auch zu einem Teil sicherlich ihr Verdienst“, so Dahm. Mit Hennef-Uckerath verbindet die Sängerin auch heute noch die Familie. Zu ihren Eltern hat Petras engen Kontakt. In einem Interview mit dem „Stern“ sagt die Sängerin: „Zu meiner Mutter habe ich eine sehr gute Beziehung, sie ist mein Vorbild, und wir hören jeden Tag voneinander. Meine Eltern kommen immer zu meinen Konzerten und verfolgen meine Karriere im Internet. Sie finden alles, was ich mache, mega!“

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