Hennef hatte einst eigene Zeitungen Wie ein Verleger die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritt

Hennef · Hennef wies einst eine breite Medienlandschaft auf: Ein Verleger gelangte schnell an die Grenzen der damaligen Pressefreiheit – und damit sogar ins Gefängnis.

Peter Stroß, Herausgeber der Hennefer Zeitung/Hennefer Volkszeitung.

Peter Stroß, Herausgeber der Hennefer Zeitung/Hennefer Volkszeitung.

Foto: Stadtarchiv Hennef

Dass die medialen Möglichkeiten der Meinungsäußerung bereits während der Kaiserzeit ihre Grenzen hatte, musste in Hennef Peter Stroß (1859-1918) erfahren. Der gelernte Schriftsetzer und Gründer der Hennefer Zeitung sowie der späteren Hennefer Volkszeitung, veröffentlichte, ohne die nötige redaktionelle Sorgfalt walten zu lassen, im Februar 1896 eine Anzeige, die mit der Post zugestellt wurde und mit einer gefälschten Unterschrift versehen war. Verfasser des inkriminierten Schreibens war der damalige Hennefer Bürgermeister Albert Dick, der darin eine Möglichkeit sah, einen lästigen Kritiker mundtot zu machen.

Dick riet zum Strafantrag und die Strafkammer Bonn verurteilte den Hennefer Zeitungsmacher zu zehn Mark Geldstrafe. Diese und viele andere Geschichten, besonders zur Hennefer Zeitungslandschaft, sind im 16. Band mit Beiträgen zur Geschichte der Stadt Hennef zu finden, den der Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVV) kürzlich herausgab. Auf mehr als 360 Seiten setzen sich die Autoren Helmut Fischer, Erika Rollenske, Rudolf Möhlenbruch, Elisabeth Wette-Roch und Ralph Hühnermann mit interessanten Themen auseinander.

Verleger muss wegen Berichterstattung ins Gefängnis

So widmet sich Heimatforscher Helmut Fischer mit seinen Beiträgen nicht nur den Anfängen der Industrialisierung Hennefs, die 1869 mit der Gründung der Carl Reuther-Landmaschinen-Fabrik Fahrt aufnahm, sondern auch der Geschichte der Hennefer Zeitungslandschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Dazu passt auch der Beitrag von Rollenske, einst Autorin bei der alternativen Hennefer Zeitung Luur‘ens, die 1980 bis 1985 in der Siegstadt erschien.

Wie gefährliche Pressearbeit sein kann, erfuhr Stroß laut Fischer übrigens 1898 erneut, als die Hennefer Zeitung, die er 1892 gegründet hatte, über den Arzt Paul Honsberg berichtete, der einem durch Messerstiche schwer verletzen Mann die Hilfe verweigert haben soll. Dieser Vorgang wurde damals von der Hennefer Zeitung mit dem Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung und Sorgfaltsverletzung aufgegriffen. Der Beschuldigte Arzt setzte sich dagegen juristisch zur Wehr. Wegen Beleidigung verurteilte das Hennefer Schöffengericht im Oktober 1898 Verleger Stroß zu zwei Monaten Gefängnis, den Redakteur Heinrich Wegener zu 500 Mark Geldstrafe. Die Berufung gegen das Urteil wurde von der Bonner Strafkammer 1899 verworfen.

 Autorin Erika Rollenske mit einer Ausgabe der Zeitung "Luur‘ens".

Autorin Erika Rollenske mit einer Ausgabe der Zeitung "Luur‘ens".

Foto: Ingo Eisner

Die letzte Entscheidung ist laut Autor Helmut Fischer nicht bekannt, zeigt aber, dass bereits lange vor der Spiegel-Affäre Verleger und Redakteure zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Heimatforscher Helmut Fischer zeichnet eindrucksvoll die Geschichte der Hennefer Zeitung (1892-1905), die später zur Hennefer Volkszeitung (1906 bis 1940) wurde, nach. Ab 1914 erschien sie täglich (außer nach Sonn-und Feiertagen) als achtseitiges, illustriertes Unterhaltungsblatt im Format 34,5 mal 48,5 Zentimeter. Die Geschichte beinhaltet alle Probleme, mit denen sich Zeitungsmacher Stroß und später sein Sohn Armand damals auseinandersetzen mussten, vor allem während der beiden Weltkriege, der Weltwirtschaftskrise und der Nazi-Diktatur.

Alternatives Blatt „Luur‘ens“ nach fünf Jahren wieder eingestellt

Laut Autor Fischer gelang es Verleger Stroß zwar nicht, eine kritische Öffentlichkeit herzustellen, dafür schaffte er es mit seinem unbeirrbaren Einsatz, eine damals kaum informierte Bevölkerung, die aus Bauern, Arbeitern und Gewerbetreibenden bestand, in das sich ausdehnende Netz des Nachrichtenaustauschs einzubinden. Kurz vor seinem Tod übergab Stroß 1918 den Verlag der Hennefer Volkszeitung seinem Sohn Armand, der 1932 verstarb. Dessen Witwe Rosa stellt das Erscheinen der Hennefer Volkszeitung 1940 ein. Während diese Zeitung knapp 50 Jahre über lokale Ereignisse in Hennef berichtet hatte, existierte das alternative Blatt Luur‘ens („mal herschauen“) gerade einmal fünf Jahre.

Die Idee zu einem alternativen monatlich erscheinenden Magazin rund um das Hennefer Leben war bereits 1979 entstanden. 1980 erschien die erste Ausgabe. Bis 1983 wurden dabei auch viele kommunalpolitische Themen wie die damalige Raumnot am Hennefer Gymnasium, der geplante Rathausbau, die Zukunft der Meys Fabrik oder die Verkehrsproblematik auf der Frankfurter Straße aufgegriffen. Luur‘ens wurde damals von Bürgern gemacht, die das Fehlen einer Hennefer Lokalzeitung und das Vorbeireden am Interesse der Bevölkerung leid waren.

Bis 1983 erschien Luur‘ens monatlich in einer Auflage von 2000 Exemplaren zum Stückpreis von 60 Pfennig. „Wir haben uns regelmäßig im Büro der Firma Harling getroffen, das über Schreibmaschinen verfügte, mit denen man in Spalten schreiben konnte“, erinnert sich Rollenske, die zu den Autoren zählte und für ihren Beitrag im aktuellen VVV-Band die Geschichte dieser alternativen Zeitung noch einmal Revue passieren lässt. Aufgrund von Personalmangel und finanzieller Probleme erschien im Mai 1985 die letzte Luur‘ens-Ausgabe.

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