Begehbare Skulptur macht das Grauen greifbar Hennefer Gesamtschule verlängert Bildungspartnerschaft

Hennef · Seit acht Jahren haben die Hennefer Gesamtschule Meiersheide und das Archiv des Rhein-Sieg-Kreises eine Bildungspartnerschaft zusammen. Jetzt haben sie ihre erfolgreiche Zusammenarbeit um weitere zwei Jahre verlängert. Das neuste Projekt ist eine Nachbildung des Ghettos von Wilna.

 Beim ersten Besuch von Tamar Dreifuss in Hennef waren sie schon dabei: Melina Haas (v.l.), Kaani Elyasi und Rebecca Gunt in der begehbaren Skulptur, die künftig deren Geschichte wachhalten soll.

Beim ersten Besuch von Tamar Dreifuss in Hennef waren sie schon dabei: Melina Haas (v.l.), Kaani Elyasi und Rebecca Gunt in der begehbaren Skulptur, die künftig deren Geschichte wachhalten soll.

Foto: Ingo Eisner

Es ist ein bewegender Moment, wenn man die begehbare Skulptur betritt, die eine Nachbildung des Ghettos von Wilna sein soll und derzeit in der Gesamtschule Meiersheide entsteht. Wenn sie fertig ist, wird die Stimme von Tamar Dreifuss erklingen, die über einen Audioguide in insgesamt sieben Räumen unter dem Titel „Tamar Dreifuss-Erklären-Erzählen-Erleben“ die Geschichte ihrer Verfolgung durch die Nationalsozialisten und ihre Rettung erzählen wird. Sogar die Hundehütte, in der sich Dreifuss mit ihrer Mutter vor den Häschern versteckte, wurde nachgebildet. Sechs Jahre lang erzählte Dreifuss als Zeitzeugin regelmäßig den Fünftklässlern ihre Geschichte. Da sie nach München gezogen ist und der Weg nach Hennef für sie zu weit und zu beschwerlich wurde, soll die Skulptur, die in den vergangenen zwei Jahren von Lehrern und Schülern gebaut wurde, nun einen Ersatz schaffen, um ihre Geschichte weiterhin erlebbar zu machen.

„Am 20. November soll die Skulptur eingeweiht werden. Wenn alles gut geht, wird Tamar Dreifuss dann noch mal kommen“, sagte Lehrerin Christiane Liedtke, als Schulleiterin Diane Wiebecke, Kreisschuldezernent Thomas Wagner und die Kreisarchivarin Claudia Arndt die Bildungspartnerschaft zwischen der Schule und dem Archiv des Rhein-Sieg-Kreises um zwei weitere Jahre verlängerten. „Wir freuen uns sehr, unsere seit 2013 bestehende Bildungspartnerschaft wieder verlängern zu können“, sagte Schulleiterin Diana Wiebecke. „Mit wiederkehrenden Projekttagen, Publikationen, Ausstellungen, Filmprojekten und regionalen Recherchen haben wir seit nunmehr acht Jahren eine lebendige und starke Partnerschaft“. Schüler nahmen an Schnuppertagen im Kreisarchiv teil, konnten dort regelmäßig zu verschiedenen Themen recherchieren und besuchten zudem öfters die Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“.

Skulpturen sollen Teil der Bildungspartnerschaft sein

 Mit ihrer Unterschrift verlängern Projektleiterin Christiane Liedtke (v.l.), Kreisarchivarin Claudia Arndt, Kreisschuldezernent Thomas Wagner und Schulleiterin Diana Wiebecke die Bildungspartnerschaft.

Mit ihrer Unterschrift verlängern Projektleiterin Christiane Liedtke (v.l.), Kreisarchivarin Claudia Arndt, Kreisschuldezernent Thomas Wagner und Schulleiterin Diana Wiebecke die Bildungspartnerschaft.

Foto: Ingo Eisner

Die begehbaren Skulptur soll künftig Teil der Bildungspartnerschaft sein. „Perspektivisch wollen wir sie aufnehmen, müssen aber noch ein paar Dinge abklären, beispielsweise die Lagerung der Bauteile“, sagte Claudia Arndt. „Angesichts eines sich verstärkenden Alltags-Antisemitismus erleben wir, wie wichtig es ist, gerade sehr junge Menschen mit dieser Thematik in Kontakt zu bringen und eine Brücke zwischen Empathie und Sachwissen zu bauen“, sagte Liedtke.

Inspiration zu der Skulptur war das Bild „Ghetto“ aus dem Jahr 1976 von Samuel Bak, einem Cousin von Tamar Dreifuss, das in bedrückender Weise die Atmosphäre und das Leiden der hermetisch abgeriegelten und gebrandmarkten, um ihr Leben fürchtenden Menschen im Ghetto von Wilna vermittelt. Grundlage des Audioguide ist das Kinderbuch „Die wundersame Rettung der kleinen Tamar: Ein jüdisches Mädchen überlebt den Holocaust in Osteuropa“, in dem Dreifuss ihre Erinnerungen eindrucksvoll und kindgerecht verarbeitet hat.

Dreifuss, die 1938 in der litauischen Stadt Wilna geboren wurde, erlebte als kleines Mädchen die Gräuel des Holocausts am eigenen Leib. Ihre Großeltern fielen Massenerschießungen zum Opfer, ihr Vater starb in einem Konzentrationslager. Tamar und ihre Mutter wurden schließlich in Viehwaggons zu einem sogenannten Übergangslager in Estland deportiert, aus dem den beiden auf wundersame Weise die Flucht gelang.

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