Hunderudel als Wolfsabwehr Herdenschutzhunde bewachen Pferde in Hennef

Hennef · Noch haben sich keine Wolfsrudel in NRW angesiedelt. Aber Pferdehalterin Beatrix Hewig will vorsorgen: Sie lässt ihre Araberhengste in Hennef auf der Weide von Herdenschutzhunden bewachen.

Es raschelt im Gebüsch. Araberhengst Yakout hebt den Kopf und bläht die Nüstern. Gleichzeitig setzen sich auf der Weide vier massige Hunde mit dickem, hellbraunen Fell in Bewegung. Rüde Aco bleibt bei den Pferden, Iwan und Agata stellen sich jeweils in einer Ecke des Grundstückes in Hennef-Happerschoß auf. Ein kurzes, tiefes Bellen, dann fixieren sie mit wachsamem Blick die Umgebung. Nach einer Minute ist der Job der Herdenschutzhunde erledigt. Keine Gefahr droht, das Rudel legt sich entspannt in die Wintersonne, die vier Araber zupfen die ersten Halme von der Wiese.

Die Kölnerin Beatrix Hewig hat sich vor zwei Jahren für die ungewöhnliche Wohngemeinschaft an ihrem Offenstall entschieden. Seitdem leben hier rund um die Uhr Pferde und Hunde gemeinsam. Vier Araberhengste und sechs speziell für diese Aufgabe gezüchtete Herdenschutzhunde teilen sich die 1,3 Hektar Grund. Ausschlag für den Einzug der Hunde, drei von ihnen sind Kaukasen, drei mazedonische Sarplaninac, gab ein Vorfall im rund 20 Kilometer entfernten Rösrath: Hier riss ein Wolf im Mai 2016 zwei Ziegen. „Ich wollte vorbereitet sein für den Tag, an dem sich hier in der Region ein Wolfsrudel fest ansiedelt“, sagt die Pferdehalterin.

„Bis das Zusammenspiel zwischen Pferd und Herdenschutzhund funktioniert, kann es bis zu zwei Jahre dauern.“ Auf ihrer Weide ist aus den Arabern und ihren Beschützern mittlerweile ein Team geworden. Immer wieder beschnuppern sich Pferd und Hund freundlich. Wenn die Pferde über die Weide galoppieren, laufen Leitrüde Aga und seine vierbeinigen Kollegen hinterher. „Nur beim fressen muss ich alle trennen“, sagt Hewig. Zu groß sei der Futterneid auch zwischen den verschiedenen Tierarten.

Doch der Einsatz der Herdenschutzhunde verlangt Haltern viel ab. Der genetisch tief verankerte Trieb zur Verteidigung von Nutztieren und Territorium erfordert Erfahrung und Wissen über das Verhalten der Hunde. Fremde können die Koppel nur in Begleitung von Beatrix Hewig betreten. Andere Hunde müssen draußen bleiben: „Die würden als Bedrohung gesehen und sofort angegriffen“, sagt Hewig.

Ein engmaschiger Elektrozaun mit Untergrabungsschutz und eine Sicherheitszone zum Spazierweg trennen Herdenschutzhunde und Passanten. Gassigehen oder ein Abend neben Frauchen auf dem Sofa sind undenkbar. „Die Herdenschutzhunde sind seit Jahrhunderten für ein Leben im Freien mit einer Aufgabe gezüchtet“, sagt Hewig.

Bisher werden Herdenschutzhunde, die in ihrer Heimat in Osteuropa vor allem Ziegen- und Schafherden gegen Wölfe und Bären verteidigen, erst vereinzelt in deutschen Wolfsgebieten eingesetzt. In Brandenburg oder Sachsen-Anhalt etwa, wo mittlerweile zahlreiche Wolfsrudel leben, erhalten Landwirte staatliche Zuschüsse, wenn sie ihre Herden von Hunden bewachen lassen. Die vierbeinige Wolfs-Abwehr ist nicht billig: Ein einsatzbereites Tier kostet bis zu 3000 Euro, die Unterhaltskosten liegen bei etwa 1000 Euro im Jahr. In einigen Bundesländern zählen Herdenschutzhunde zu den gefährlichen Rassen, was zu einer deutlich erhöhten Hundesteuer führt. Auch Tierärzte sehen die Haltung von den Gebrauchshunden in eng besiedelten Gebieten Deutschlands kritisch.

So warnte die Tierärztekammer Baden-Württemberg vor einer „risikoreichen Scheinlösung“. Beatrix Hewig hat vorgesorgt. Gleich mehrere Schilder warnen am Weidetor vor ihren Tieren, deren puscheliger Teddybär-Look über ihre kompromisslose Bereitschaft zu Verteidigung der Herde hinwegtäuschen könnte. „Anfangs haben sich die Nachbarn hier weniger Sorgen um ihre eigene Sicherheit gemacht, als darum, dass es den Hunden im Freien schlecht gehen könnte,“ sagt Hewig. Erst nach vielen Gesprächen sei das Verständnis dafür gewachsen, dass die Sarplaninac und Kaukasen ein Leben im Freien dem Körbchen an der Heizung vorziehen.

Fast ihre gesamte Freizeit verbringt die Sekretärin, die bei einer Bonner Versicherung arbeitet, bei ihren Tieren. „Anders ist das nicht zu schaffen“, sagt sie. Ob die Wolfshüter wirklich schon einmal ein Raubtier verjagt haben, bleibt ihr Geheimnis. In Nordrhein-Westfalen leben noch keine festen Rudel. Vor allem gegen Ende des Winters streifen immer wieder Jungtiere durch die hiesigen Wälder.

Zuletzt wurde Ende Januar im münsterländischen Kreis Warendorf ein Wolf durch einen Fotonachweis identifiziert. Angriffe der Tiere auf Pferde sind nach Ansicht von Experten zudem extrem selten. „Wölfe suchen sich meist leichtere Beute“, sagt Thomas Pusch vom Naturschutzbund Nabu. Das Verletzungsrisiko bei der Jagd sei ihnen zu groß. Ausschließen will der Experte Wolfsangriffe auf Pferde jedoch nicht. So haben die Raubtiere in Sachsen-Anhalt mehrere Fohlen einer halb wild lebenden Herde von Konik-Ponys gerissen.

Dass ein Wolf einen ihrer wehrhaften Araberhengste angreifen könnte, hält auch Beatrix Hewig für unwahrscheinlich. Sie sorgt sich eher darum, dass das Auftreten eines Raubtieres ihre Herde derart in Panik versetzen könnte, dass sie den Zaun durchbrechen und kopflos flüchten. Auch vor unerbetenen menschlichen Besuchern seien die Pferde gewappnet. „Mit den Hunden auf dem Gelände kann ich zu Hause in meiner Wohnung nachts in Ruhe schlafen“, sagt Hewig.

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