Angeklagter spricht von Kampf mit Drachen Prozess um Vergewaltigung in Hennef gestartet

Bonn/Hennef · Der Prozess gegen einen 53-jährigen Obdachlosen, der eine 34-jährige Spaziergängerin am Allner See in Hennef vergewaltigt und fast zehn Stunden festgehalten haben soll, hat am Dienstag begonnen. Das Gericht nahm er jetzt mit in seine Wahnwelt.

Gespenstische Szenen am Dienstag im Landgericht: Als der Angeklagte in Handschellen vorgeführt wurde, streckte er minutenlang die Zunge raus. Und das nicht nur einmal. Dann setzte er sich, begrüßte alle mit bösem Blick, schnäuzte ins Taschentuch, verschränkte die Arme und legte seinen Kopf darauf schlafen. In die seltsame Stille hinein trug die Staatsanwältin die Antragsschrift vor, die von dem Grauen berichtet, das einer 34-Jährigen in der Nacht zum 19. Mai 2018 am Allner See widerfahren sein soll, nachdem sie dem „Obdachlosen mit dem Einkaufswagen“ begegnet war: Die Spaziergängerin, die mit ihren beiden Hunden am See eine Runde drehen wollte, wurde von dem Mann verschleppt, wiederholt vergewaltigt, misshandelt, gedemütigt, an die Hundeleine gelegt und bedroht. Vor allem wurde sie fast zehn qualvolle Stunden in dem Zeltlager des Angeklagten festgehalten. Offenbar von einem, der seit langem schon zwischen den Wahnwelten unterwegs ist.

In dem Bonner Prozess vor der 2. Großen Strafkammer geht es vor allem um die Frage, ob der 53-jährige Diplom-Ingenieur, der seit vielen Jahren an Schizophrenie leidet, bei den Taten – Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung – eingeschränkt schuldfähig oder sogar gänzlich schuldunfähig war. Auch, ob er endgültig in der Psychiatrie untergebracht werden muss. In welchen irrealen Welten der Angeklagte Zuhause ist, obwohl er bereits starke Medikamente bekommt, dokumentierte der 53-Jährige am Dienstag mit einem Brief, den er der psychiatrischen Gutachterin kurz vor Prozessbeginn überreichte und der vom Gericht verlesen wurde. Hierin schildert der Grenzgänger seine Begegnung mit der Spaziergängerin.

„An diesem sonnigen Maitag hatte ich vor, die Sumpffiebermücke zu studieren“, als ihm „zwei Riesenungeheuer entgegenkamen, zwei Drachenköpfe mit je zwei Hundeköpfen“. Während die Hundeköpfe sich gleich über seine Fleischvorräte hermachten, genüsslich sein Bier tranken und ihm mit dem Schwanz unbemerkt 50 Euro aus der Tasche zogen, musste er sich „tierisch anstrengen, die Gutmütigkeit des Drachen nicht zu verlieren“.

Aber es sei alles anders gekommen: „Die ganze Nacht habe ich mit dem Drachen gekämpft“, dabei habe ihm keiner geholfen. Am Morgen sei es ihm gelungen, das Ungeheuer an die Hundeleine zu legen. „Aber ich habe nicht mit der Wildheit des Drachen gerechnet. Plötzlich war er weg.“ „Kann der Drache vielleicht auch eine Frau gewesen sein?“ fragte Kammervorsitzender Wolfgang Schmitz-Justen. Der Angeklagte schüttelte den Kopf, wollte mit niemandem sprechen. Ab und zu schrieb er kleine Pamphlete, die er dem Gericht reichte. Aber sie sollten nicht verlesen werden.

Nach dem nächtlichen Martyrium war es der 34-Jährigen gegen 5 Uhr gelungen, sich von der Leine zu reißen und ihren zwei hungrigen Hunden zu folgen, die das Zelt von zwei Nachtanglern angesteuert hatten. Die beiden 23-Jährigen hatten ihren Hilferuf gehört und erlebten eine Frau unter Schock. „Zwar hat sie versucht, die Sache runterzuspielen, aber sie hatte einen ganz leeren Blick, auch blaue Flecken im Gesicht, sie zitterte“, erinnerte sich einer der Angler am Dienstag als Zeuge. Ihre Kleidung sei nass und verdreckt gewesen. Von dem Obdachlosen keine Spur. Er konnte erst drei Tage später festgenommen werden.

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