Vera Lengsfeld in Hennef Publizistin, Politikerin und Bürgerrechtlerin gastierte in der Meys Fabrik

HENNEF · "Wenn es die Opposition in der DDR während der 80er Jahre nicht gegeben hätte, wäre es auch nicht zur Herbstrevolution 1989 gekommen", sagt Vera Lengsfeld. Bürgerrechtlerin, Bundesverdienstkreuzträgerin, Politikerin und Publizistin. Lengsfeld, 1952 in Thüringen geboren, schaut auf ein bewegtes Leben zurück.

 Vera Lengsfeld, frühere DDR-Dissidentin, berichtet in der Meys Fabrik über ihre Vergangenheit.

Vera Lengsfeld, frühere DDR-Dissidentin, berichtet in der Meys Fabrik über ihre Vergangenheit.

Foto: Ingo Eisner

Ein Leben, so wechselhaft und ereignisreich wie die Geschichte der DDR, in der sie bis zum Zusammenbruch des politischen Systems lebte und arbeitete. 2011 erschien ihr aktuelles Buch "Ich wollte frei sein. Die Mauer, die Stasi, die Revolution", in dem sie ihr Leben als Oppositionelle beleuchtet. Am Donnerstagabend folgte sie einer Einladung des Frauenkulturvereins "fraulück" sowie der Rhein-Sieg-VHS und gastierte in der Hennefer Meys Fabrik. Unter dem Titel "Mein Leben in der DDR" gewährte sie den Zuhörern Einblicke in ihr Leben und las Passagen aus ihrem Buch vor.

Ganz still war es im Saal, als Lengsfeld vor den Zuhörern, darunter auch ein Geschichtskurs des Gymnasiums, ihr Leben Revue passieren ließ. Als SED-Mitglied durfte sie zwar in Leipzig die Geschichte der Arbeiterbewegung und in Berlin "Philosophie" studieren. Als engagierte Friedensaktivistin kollidierte sie allerdings mit dem SED-Regime.Wegen der Mitgliedschaft in oppositionellen Gruppen und ihres öffentlichen Protestes gegen die Aufstellung von Atomraketen in der DDR wurde sie 1983 aus der SED ausgeschlossen.

Ob Berufsverbot oder Parteiausschluss, Lengsfeld engagierte sich weiter für den Frieden und beteiligte sich an Protestaktionen.1988 wurde sie auf dem Weg zur Liebknecht-Luxemburg-Demo in Ost-Berlin verhaftet und verbrachte ihre Untersuchungshaft im Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen. Nachdem sie wegen "versuchter Zusammenrottung" zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, wurde sie kurzerhand in den Westen abgeschoben.

An dieser Abschiebung war laut Lengsfeld auch der Anwalt und heutige Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi beteiligt. "Da Gysi, ohne von mir dazu ermächtigt worden zu sein, während meiner Inhaftierung an meiner Abschiebung in den Westen mitwirkte, gewann ich schon damals den Eindruck, dass er mit dem Staatssicherheitsdienst zusammenarbeitete", sagt Lengsfeld.

"Die Massenverhaftung zahlreicher Bürgerrechtler in den Westen war der erste Nagel im Sarg der DDR". Nach einer Zeit in England kehrte sie am Tag des Mauerfalls in die DDR zurück, um sich für ihren Sohn Philipp einzusetzen, der aus politischen Gründen von der Ost-Berliner Carl-von-Ossietzky-Oberschule relegiert worden war. Für die Grüne Partei der DDR ließ sie sich 1990 in die Volkskammer wählen, der sie bis zu deren Auflösung im Oktober 1990 angehörte. Bis 1996 saß sie dann als Mitglied der Grünen im Bundestag, danach bis 2005 für die CDU.

Im Juli 2012 wurde sie zur Landesvorsitzenden der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) Berlin-Brandenburg gewählt. Das Leben in der DDR hinterließ Spuren. Der größte Schock für die engagierte Frau dürfte gewesen sein, als sie 1991 aus den Stasi-Akten erfuhr, dass ihr zweiter Ehemann, Knud Wollenberger, sie als Inoffizieller Stasi-Mitarbeiter unter dem Decknamen "IM Donald" bespitzelt haben soll. Sie reichte die Scheidung ein und nahm ihren Geburtsnamen wieder an.

Unlängst stellte Lengsfeld gegen Gysi Strafanzeige wegen Meineids. Gysi bestreitet bis heute die Vorwürfe der Spitzelei für den DDR-Geheimdienst. In eidesstattlichen Erklärungen, die Gysi abgegeben hat, versicherte er, mit der Staatssicherheit nicht zusammen gearbeitet zu haben. Seit Ende Januar ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachtes, eine seiner eidesstattlichen Versicherungen aus dem Jahr 2011 könnte falsch gewesen sein. Lengsfeld ist sich sicher, dass Gysi diesmal nicht so einfach davon kommt.

"Die Staatsanwaltschaft, wenn sie sich unvoreingenommen mit der Aktenlage und den Zeugen beschäftigt, wird zu einem eindeutigen Schluss kommen", sagt Lengsfeld. Am Freitag besuchte sie das Siegburger Berufskolleg und berichtete auch dort, nach einer Vorführung des Films "Das Leben der anderen" über ihr Leben.

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