Heimatforscher Helmut Fischer aus Hennef Zeitzeugen verdeutlichen Schrecken des Krieges

HENNEF · "Als ich im ersten oder zweiten Schuljahr war, begegnete ich auf dem Berg an der Pumpe dem Lehrer Stoll, der die Oberklasse unserer Schule unterrichtete. Ich sagte; Tag, Herr Lehrer. Darauf hin bekam ich ein paar saftige Ohrfeigen, denn ich hätte ,Heil Hitler, Herr Lehrer' sagen müssen." Es sind Erinnerungen wie diese von Professor Helmut Fischer, die einen auf eine Reise in eine andere Zeit mitnehmen und die Schrecken des zweiten Weltkrieges noch einmal spürbar werden lassen.

 Helmut Fischer bei der Präsentation seines Heftes...

Helmut Fischer bei der Präsentation seines Heftes...

Foto: Ingo Eisner

Hundertprozentige Nazis wie dieser Lehrer, aber auch Bombennächte, das Klirren von Panzerketten, Luftkämpfe, die Bombardierung von Blankenberg am 25. März 1945, der Geruch von verbranntem Fleisch, der Anblick von verkohlten Leichen und vor allem die permanente Angst, die nächste Nacht nicht zu überleben - all das sind traumatische Erlebnisse, die Fischer, der 1934 geboren wurde, als Kind am eigenen Leib erleben und erdulden musste. Aber nicht nur er.

Der Heimatforscher führte Gespräche mit 18 weiteren Zeitzeugen aus einem umgrenzten Pfarr- und Schulbezirk, zu dem auch Blankenberg gehörte. Er erfuhr Einiges über deren Kindheit während des Krieges und hielt die Gespräche als Protokolle auf Hoch- und Plattdeutsch in einem Bändchen fest, das er nun präsentierte

"1945 - Kinder im Kampfgebiet an der Sieg" heißt das 114 Seiten starke Begleitheft zum Rheinischen Jahrbuch für Volkskunde, das Fischer zusammen mit Dela-Madeleine Haverkamp von der Rheinischen Vereinigung für Volkskunde herausbrachte. Der Band fängt eindrucksvoll die erschreckenden Erinnerungen von Menschen ein, die damals die letzten Kriegstage als Kinder an der Heimatfront in ihren engen, dörflichen Strukturen erlebten. Zwei Jahre lang hatte sich Fischer Zeit für diese Gespräche genommen, die nicht immer einfach waren. "Das sind enorm bedrückende Erlebnisse, die tief in die Psyche der Menschen eingedrungen sind. Ein Zeitzeuge wollte nur mit mir alleine sprechen", sagte Fischer.

Fischer hielt in seinem Buch auch die schreckliche Geschichte von Gerd Feldkeller fest. Der Sohn eines Schneiders trug eine Art schwarze Uniform, als er 1945 zusammen mit zwei weiteren Jungs durch Blankenberg ging. Plötzlich erfasste ihn eine Maschinengewehrsalve und er fiel tot um. Die Waffe war von deutschen Soldaten zurückgelassen worden. Nach den Überlieferungen soll ein Kind mit dem Maschinengewehr gespielt haben. Dabei hätten sich die Schüsse gelöst, die Feldkeller tragisch das noch junge Leben kosteten.

Auch berühmte Namen sind mit dem Kriegsende an der Sieg verbunden. Laut Fischer soll der damalige Generalfeldmarschall Walter Model in Blankenberg gewesen sein. Außerdem erlebte der Schriftsteller und spätere Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll als Soldat bei Oberauel das Kriegsende "mit nassen Klamotten im Dreck".

"1945 - Kinder im Kampfgebiet an der Sieg" ist in einer Auflage von 500 Stück erschienen und kann für 10,80 Euro unter d.haverkamp@uni-bonn.de bestellt werden.

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