Ärger rund um den Bahnhof Pendler fordern mehr Direktverbindungen ab Siegburg

Siegburg · Die geänderten Streckenführungen am ICE-Bahnhof Siegburg/Bonn sorgen weiterhin für Ärger. Betroffene Pendler schildern ihre Erfahrungen.

 An Gleis 6 halten die Züge in Richtung Frankfurt: Pendler fürchten, dass es hier künftig noch voller wird, wenn die Deutsche Bahn Halte streicht.

An Gleis 6 halten die Züge in Richtung Frankfurt: Pendler fürchten, dass es hier künftig noch voller wird, wenn die Deutsche Bahn Halte streicht.

Foto: Holger Arndt

Die Entrüstung der Pendler ist ungebrochen: In den vergangenen Tagen hat sich nach dem Aufruf im GA niemand gemeldet, der vom Fahrplanwechsel in Siegburg/Bonn und den geänderten Streckenführungen Vorteile hätte. In ausführlichen Zuschriften schildern die Betroffenen hingegen, was die Streichung einzelner (Direkt-)Verbindungen für sie bedeutet. Besonders der Wegfall der Verbindung um 6.09 Uhr in Richtung Süden erzürnt viele Nutzer. „Wir Bahn-Pendler, die täglich fahren müssen, würden uns sehr wünschen und ruhiger schlafen können, wenn besonders der Halt um 6.09 Uhr in Siegburg/Bonn nicht wegfällt. Die alternativen Zugverbindungen sind aufgrund der früheren Uhrzeit, der deutlich längeren Fahrzeit und der bereits jetzigen Überfüllung der Züge eine unzumutbare Lösung“, schreiben zwei Frauen dem GA. Aber es gibt noch zahlreiche andere Aspekte, von denen die regelmäßigen Bahnnutzer berichten.

Beispiel ICE 10: Besonders absurd werde das Vorgehen der Bahn am Beispiel des ICE 10 (Ankunft Siegburg 19.19 Uhr), schreibt ein Fahrgast dem GA: „Dieser Zug hält in Siegburg meines Wissens seit Eröffnung der Strecke. Mit dem neuen Fahrplan fährt der Zug in Frankfurt-Flughafen zur exakt selben Zeit (18.43 Uhr) wie im aktuellen Fahrplan. Ebenso fährt der Zug mit dem neuen Fahrplan zur exakt selben Minute in Köln (19.43 Uhr) nach Brüssel ab wie bisher. Der Unterschied ist, dass mit dem neuen Fahrplan der gut ausgelastete Halt in Siegburg entfällt und der Zug dadurch mit dem neuen Fahrplan Köln bereits um 19.32 Uhr (statt 19.39 Uhr wie bisher) erreicht. Damit steht der Zug die ‚gewonnene‘ Zeit einfach in Köln am Bahnhof ab. Absurder geht’s nicht mehr, da der Halt somit ohne Auswirkungen möglich wäre.“ Für den Pendler bedeutet das, dass sich seine Fahrzeit um 45 Minuten verlängert, da auch die Anschlüsse nicht mehr funktionieren. „Ich überlege ernsthaft, meine Bahncard 100 nicht mehr neu zu kaufen und auf das Auto umzusteigen.“

■ Umweg über Köln: Zahlreiche Pendler berichten davon, dass sie immer öfter nach Köln und von dort zurück nach Siegburg fahren müssen. Eine Henneferin schreibt: „Seit dem Jahr 2004 pendle ich regelmäßig von Siegburg/Bonn nach Augsburg. Mein Morgenzug ist jetzt weggefallen, und am Abend muss ich über Köln nach Siegburg/Bonn fahren, was mich jetzt eine Stunde mehr Zeit kostet. Der Abendzug ab Augsburg, 18.02 Uhr mit Halt in Siegburg/Bonn, ist weggefallen, und das, obwohl aus meiner Sicht regelmäßig sehr viele Menschen aussteigen. Ich bin auf die Bahn angewiesen und muss mich jetzt mit den häufigen Umstiegen und dem deutlichen Zeitverlust arrangieren.“

Verspätungen: Ein Logistiker des Frankfurter Flughafens berichtet, dass es auf der Schnellstrecke immer wieder zu „betrieblichen Störungen“ und Verspätungen komme: „Die von der Bahn betriebene Politik inklusive sämtlicher Ausfälle und Verspätungen (alleine heute Morgen wieder +35 Minuten beim ICE 511 und ein mehrfach wiederholter Ausfall des ICE 711 Richtung Stuttgart) sorgen bei den betroffenen Pendlern am Bahnsteig mittlerweile nur noch für blanken Hohn, Gelächter und massives Unverständnis.“

■ Ärger über Kosten: Sowohl die Ticketpreise für das Jobticket (für einen Betroffenen knapp 4000 Euro im Jahr aus eigener Tasche) als auch für die Bahncard 100 sind gestiegen. Aktuell kostet die Bahncard 100 pro Jahr 4395 Euro in der zweiten Klasse. Dafür können die Kunden ein Jahr in Deutschland flexibel reisen. Wer einen Sitzplatz reservieren möchte, kann zusätzlich ein Paket von 46 Reservierungen für 46 Euro buchen (1 Euro pro Fahrt) , die innerhalb von 31 Tagen zu verbrauchen sind.

Umsteigen am Flughafen Frankfurt: „Früher konnte man um 7.09 oder 8.09 Uhr den Zug zum Flughafen Frankfurt nehmen und dort in einen Anschluss-ICE nach Frankfurt-Hauptbahnhof steigen. Aber auch diese Anschlusszüge gibt es nicht mehr, sodass man dann zu Fuß quer durch den Flughafen laufen muss, um am Regionalbahnhof eine S-Bahn zu nehmen. Da diese aber nicht mehr im City-Tarif der teuren Bahncard 100 enthalten sind, muss man auf eine Regionalbahn warten – und die fahren selten“, so ein Reisender aus Sankt Augustin.

Streichungen auch Richtung Ruhrgebiet: „Die Kritik sollte nicht nur die Fahrtrichtung von und nach Frankfurt in den Fokus stellen“, meint ein weiterer Sankt Augustiner, denn: „Jeden Morgen fahren unzählige Fahrgäste der Deutschen Bahn auch nach Düsseldorf, Duisburg und Essen. In knapp einer Stunde erreicht man den Dax-Standort Essen mit Firmen wie RWE, ThyssenKrupp, Evonik, Hochtief, Steag etc. Eine Streichung des Zuges um kurz vor 8 Uhr konzentriert alles auf die erste und einzige Direktverbindung um 6.50 Uhr, Ankunft 8.03 Uhr. Der einzige Zug am Abend um 17 Uhr ab Essen lässt Siegburg/Bonn mittlerweile auch liegen. Das Ruhrgebiet sollte mehr Erwähnung finden.“

■ Problem bei Fernverbindung: „Da ich häufiger nach London fahre, ist für mich ein Ärgernis, dass der 9.21 Uhr Zug nach Brüssel nicht mehr in Siegburg hält. Möchte man erreichen, dass die Menschen nicht mehr so viel fliegen, dann muss man den Zugweg komfortabel gestalten“, meint eine GA-Leserin. „Die Unzuverlässigkeit von Zubringerregionalzügen zwischen Bonn und Köln erfordert es, dass man mindestens zwei Pufferzüge einplanen muss, um den Anschluss in Köln zu erreichen. Dies verlängert die Reisezeit und macht Zeitvorteile der Bahn zunichte. Was nützen mir Züge, die 300 km/h fahren, wenn ich die gesparte Zeit durch Pufferzüge wieder mehr als verliere?“

Nachteil für Behinderte: Ein Leser aus Meckenheim weist darauf hin, dass der Wegfall durchgehender Züge auch für geh- oder sehbehinderte Menschen zum Problem wird: „Das Streichen direkter Zugverbindungen Siegburg/Ulm ist für uns sehr nachteilig. In Ulm wohnen unsere Kinder und Enkelkinder, die regelmäßig, nahezu monatlich, von meiner Frau besucht werden. Meine Frau ist fast erblindet. Sie kann deshalb ohne Hilfe nicht umsteigen. Im durchgehenden Zug (meist ICE 515 um 12.09 Uhr ab Siegburg) reist sie problemlos.“

 ■ Kritik an ICE 4 statt ICE 3: „Wenn man sich den neuen Fahrplan genauer ansieht, verlieren wir endgültig den guten Glauben an die Deutsche Bahn“, sagt ein Pendler. Der ICE 511 um 6.09 Uhr von Siegburg/Bonn wird ab dem 15. Dezember durch den neuen ICE 4 ersetzt. „Wenn man bedenkt, dass es in Deutschland lediglich eine Handvoll Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt, auf denen die Züge 300 km/h fahren können, fehlt uns die Sinnhaftigkeit und Logik dahinter, den ICE 4, der mit einer maximalen Geschwindigkeit von 250 km/h fahren kann, auf dieser Strecke einzusetzen.“ Wie berichtet, hat die Bahn den ICE 4 seit dem vergangenen Jahr auf der Schnellstrecke getestet, die langsamere Fahrt wird dabei durch den Wegfall von Haltepunkten kompensiert. Ein Pendler weist allerdings darauf hin, dass ein Fahrplanwechsel doch genau dafür da sei: Den Fahrplan an längere Fahrtzeiten anzupassen statt Halte zu streichen.

■ Wenig Informationen am Bahnsteig: Eine Leserin berichtet, dass die wartenden Fahrgäste nur „scheibchenweise“ informiert würden: „Dies ist besonders im Winter bitter, da einem mit der Taktik, die Verspätung immer Schritt für Schritt um fünf Minuten zu erhöhen, die Möglichkeit genommen wird, sich einen geschützteren Ort als das Gleis 6 in Siegburg zu suchen.“ Über defekte Türen, kaputte Toiletten, nicht funktionsfähige Bistrowagen oder fehlende Wagen rege sich schon längst niemand mehr auf.

■ Erinnerungen an den ICE-Brand: Einige Fahrgäste fühlen sich an die Zeit nach dem Brand im vergangenen Jahr bei Dierdorf erinnert, wo sie wegen der Bauarbeiten ebenfalls Umwege oder Umsteigezeiten hinnehmen mussten. Da ist laut einem Pendler aus Bad Honnef nicht nur die Gefahr, Anschlüsse zu verpassen: „Nicht zuletzt ist es etwas Anderes, zwei Stunden in einem durchgehenden Zug konzentriert arbeiten zu können, oder durch Umstieg und Wartezeiten plus Sitzplatzsuche das Ganze zu verkomplizieren.“

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