Kommentar Kollektives Versagen

Wer erwartet hatte, dass fast dreieinhalb Jahre, nachdem die neunjährige Anna in der Badewanne von ihrer Pflegemutter ertränkt wurde, auch die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin eine harte Strafe erhalten würde, hat sich getäuscht.

Mancher, der bereits beim Prozess gegen die Pflegeeltern vor zwei Jahren fassungslos erfuhr, wie ein kollektives Versagen des Helfersystems die Tat begünstigte, wird über die Milde der Strafe sogar enttäuscht sein. Oder verdrossen über die Bonner Justiz.

Doch die Richter hatten kaum eine andere Wahl. Gerade weil im Fall Anna eben das Versagen vieler dazu führte, dass ein hilfloses Kind sterben musste, ist es problematisch, eine einzelne Person - außer der eigentlichen Täterin und dem Pflegevater - zu verurteilen. Ärzte, die Therapeutin, der Mitarbeiter der Diakonie haben alle ihren Job schlecht gemacht. Auch die Strukturen im Jugendamt trugen Mitschuld.

Offensichtlich hätte es auch die Jugendamtsmitarbeiterin gerne gesehen, wenn die strukturellen Probleme, die im Sommer 2010 im Königswinterer Jugendamt herrschten, im Laufe des Prozesses noch genauer zur Sprache gekommen wären. Das bleibt der Stadt nun erspart.

Wenn die Mitarbeiterin jedoch davon ausgehen sollte, dass sie sich tadellos verhalten hat, ist das ein Schlag ins Gesicht von Annas Mutter. Die Mitarbeiterin trägt - wie andere auch - eine Mitschuld an Annas Tod.

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