Dialekt in Sankt Augustin Bielekovvener sammelt 4000 Mundartwörter
Sankt Augustin · Das Birlinghovener Urgestein Josef Steinhauer ist der Chronist seines Ortes. Er hofft, dass seine Enkel noch Platt sprechen werden. Ein Wörterbuch für seine Tochter.
Josef Steinhauer ist ein angesehener Mann in Birlinghoven. Der Seniorchef der ansässigen Schreinerei hat in seinem Leben schon viel getan für das kulturelle Leben seines Heimatdorfes. Jetzt sitzt der 86-Jährige gern in seinem Wohnzimmer und liest in seinem Buch „Saach ess Bielekovve“. Das über 200 Seiten starke Bändchen ist schon länger auf dem Markt, und es hat an Strahlkraft nicht verloren. Der Titel bedeutet übersetzt ins Hochdeutsche: „Sag mal Birlinghoven“. Denn tatsächlich ist es für Auswärtige kaum möglich, den Mundartausdruck für Birlinghoven unfallfrei auszusprechen. „Wer das kann, der kommt von hier“, sagt Steinhauer.
Denn der Dialekt, so hat er festgestellt, variiert von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Und so ist das Bielekovve Platt ganz einzigartig. Deshalb versammelt der Mundartliebhaber in seinem Buch auf 70 eng beschriebenen Seiten praktisch alle Ortsvokabeln mit Übersetzung. Es ist quasi das Standardwörterbuch fürs Birlinghovener Platt. Die Sammlung hat er nicht aus sich selbst heraus geschöpft, vielmehr hat er mit ungezählten Ureinwohnern der Ortschaft gesprochen, manchmal Zweifelsfälle erörtert und schließlich zusammengeschrieben. Rund 4000 Wörter. Alles notiert in Lautschrift. Denn nirgendwo sonst gibt es dafür ein verlässliches Archiv.
Die kleine Tochter konnte kein Platt
Auslöser für sein Engagement im Auftrag der Mundart, war ein Erlebnis vor bald einem halben Jahrhundert. Seine vierjährige Tochter Maria brachte damals aus dem Kindergarten das Sankt-Martins-Lied „Vom hellije Zente Meertes“ mit und sang es auch prompt. Allerdings mundartlich nicht sehr gekonnt, wie Steinhauer sofort heraushörte. Klar, das Ehepaar hatte seine Tochter in Hochdeutsch erzogen, weil es gesellschaftlich in dieser Zeit nicht schicklich erschien, den Dialekt als Alltagssprache an die Kinder weiter zu geben. Da war das kleine Unvermögen der Tochter nicht verwunderlich. Dennoch schmerzte es den Urrheinländer und er beschloss, einen Weg zu suchen, den Dialekt an seine Tochter weiterzugeben.
Und weil er keine halben Sachen macht, wurden Zettel und Stift obligatorisch. Ab diesem Moment konnte er quasi nicht mehr aufhören, sammelte Begriffe, Redewendungen, lokalhistorische Geschichten, Gedichte und Sagen. Kurz: alles, was ihm erhaltenswert erschien. Inzwischen kann er auf fünf Publikationen zurückblicken, die alle in diesem Geiste verfasst sind, und er machte sich damit zum wichtigsten Chronisten Birlinghovens.
Willi und Josef gingen als „Piefe“
Zuletzt hat er die Gedichte und Lieder seines kürzlich verstorbenen Bruders Willi herausgebracht, für die der ein besonderes Händchen hatte. Die beiden sind lange als das karnevalistische Duo „De zwei Piefe“ aufgetreten. Als Paradestück hatten sie das Lied „Die Sau“ im Gepäck. Es erzählt vom Zeitgenossen Schmitz, der es mit der Körperhygiene nicht so genau nahm und deshalb Ärger mit seiner Frau bekam.
Josef Steinhauer hat viele Jahre als Zugleiter des örtlichen Karnevalszuges fungiert. Der brachte es immerhin auf um die 10 Prunkwagen und etliche Fußgruppen. Das ist schon lange vorbei. Denn das Vereinsleben hat sich verändert. Es gibt viele Zugezogene und immer weniger Ur-Birlinghovener. „Heute ist es schwer, Leute zu finden, die sich für einen Karnevalszug engagieren“, so Steinhauer. Er selbst war gut 60 Jahre im Männerchor und ist Generationen von Kindern als Nikolaus bekannt. Aber immer im mundartlichen Slang. Jetzt hofft der Birlinghovener, dass sich die Mundart erhalten wird und dass auch noch seine Urenkel richtig „Bielekovve saare könne“