Gerd Streichardt aus Lohmar Heimatforscher präsentiert einen Sensationsfund von 1793

LOHMAR · Die auf einem Dachboden in Lohmar über Jahrzehnte versteckte "Waldkiste", die Gerd Streichardt vom Heimat- und Geschichtsverein derzeit in seinem Privathaus "zwischenlagert", ist nach Einschätzung des Historikers und Archivars Hartmut Benz aus Ruppichteroth eine kleine Sensation für die regionale Heimatgeschichte.

 Gerd Streichardt bewahrt die Waldkiste von 1793 zurzeit in seinem Haus auf.

Gerd Streichardt bewahrt die Waldkiste von 1793 zurzeit in seinem Haus auf.

Foto: Paul Kieras

Immer auf der Suche nach dem historischen Schatz, war Streichardt nach jahrelangen Recherchen erfolgreich: Die laut "Waldgedingprotokoll" vom 9. September 1793 im selben Jahr gefertigte Kiste wurde seines Wissens ebenso hinter dem Altar der Sankt Johannes Kirche in Lohmar aufbewahrt wie ihre Vorgänger über Jahrhunderte auch. Wahrscheinlich im Jahr 1803 wechselte sie nach der Säkularisierung in die Obhut des Küsters Albert Piller, der sie im Pfarrhaus aufbewahrte, um das Jahr 1920 dann in die seiner Erben.

2006 erfuhr Streichardt davon, wurde aber mit dem Versprechen des letzten Besitzers, die Kiste nach seinem Tod dem Heimat- und Geschichtsverein übergeben zu lassen, zum Stillschweigen verpflichtet. Die Kiste sollte nicht in Privatbesitz verschwinden oder gar vernichtet werden.

Vor einigen Wochen starb der von Streichardt unbenannte Erblasser und dessen Sohn vermachte ihm die Kiste, nach der viele Heimatforscher und Historiker über Jahrzehnte hinweg vergebens geforscht hatten. Streichardt ist zufrieden: "So lange Jahre die Kiste nicht erwähnen zu dürfen, war schon hart, aber es hat sich gelohnt", sagt er.

Die Geschichte der ersten Waldkiste beginnt laut Streichardt im 15. Jahrhundert - bei dem nun aufgetauchten Fundstück handelt es sich um einen Nachfolger. Damals beschlossen die Bewohner der Gemarkung Lohmar die Gründung einer Waldgemeinschaft, die mit einer heutigen Genossenschaft vergleichbar sei. Sinn und Zweck war es, sich vor Wegnahme von Holz sowie Eicheln und Bucheckern oder auch des nur dürftigen Grases von Unbefugten aus der gesamten Region im heutigen Lohmarer Wald zu schützen.

Außerdem auch davor, dass Unbefugte ihre Schweine zur Mast in den Wald trieben. Im "Waldberechtigungsbuch", das in der Kiste deponiert wurde und 1494 erstmals urkundlich erwähnt wird, waren alle Geschäftsvorgänge rund um die Nutzung des Waldes dokumentiert.

Einen der drei Schlüssel zum Öffnen der Kiste besaß der Erbwaldschultheiß, der von der Äbtissin des Klosters Vilich bestimmt wurde, das seit Klostergründung 987 die erste Lehnsherrschaft über den Lohmarer Markenwald ausübte. Auch die beiden sogenannten Beerbten mit den größten Anteilen, die Benediktiner-Abtei in Siegburg sowie das Cassiusstift in Bonn, verfügten über Schlüssel. Damit sollte Urkundenfälschung ausgeschlossen werden.

In der Truhe befanden sich außerdem die Brenneisen zur Kennzeichnung der Tiere, die den Beerbten gehörten. Die Eisen sind nach Meinung Streichardts wohl für immer verschollen. Die über 500 Jahre dauernde Geschichte des Erbenwaldes ist für Streichardt und seine Mitstreiter im Heimat- und Geschichtsverein nicht aufzuarbeiten. Dazu seien langjährige Forschungen und Recherchen in Archiven notwendig, für die der Verein aber weder die Zeit, noch die finanziellen Mittel habe, so der Autor von Büchern sowie unzähliger Berichte über die Lohmarer Geschichte.

Sein Ende fand der Erbenwald endgültig 1976, als er von der damaligen Gemeinde Lohmar aufgelöst wurde und in deren Besitz überging. An fast 500 "Anerben" zahlte sie insgesamt 1,1 Millionen D-Mark Abfindung aus. Auch Streichardts Familie gehörte zu den Begünstigten. Die Stadt Lohmar will den bedeutsamen Fund bald der Öffentlichkeit vorstellen.

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