Industriekletterer Alexander Geraths Lohmarer verrichtet Handwerksarbeiten in 80 Metern Höhe

Lohmar · Alexander Geraths hängt nicht nur sprichwörtlich in den Seilen. Als Industriekletterer verschafft er sich Zugang zu den kniffligsten Stellen hoher Gebäude. Der Lohmarer Unternehmer verrät, ob ihn auf schwankenden Mobilfunkmasten auch die Höhenangst packt.

 Von Höhenangst keine Spur: Industriekletterer Tobias Schiel gelangt mit seiner Seilzugangstechnik auch an die entlegensten Stellen eines Hauses.

Von Höhenangst keine Spur: Industriekletterer Tobias Schiel gelangt mit seiner Seilzugangstechnik auch an die entlegensten Stellen eines Hauses.

Foto: Scarlet Schmitz

„Ohne Gerüst? Sehr gerne!” – so liest sich das Motto des Industriekletterers Alexander Geraths auf seiner Homepage. Als Seilzugangstechniker, wie man den Beruf auch nennt, klettert er auf hohe Mobilfunkmasten oder repariert etwas an der Spitze eines Kirchturms. Und das – tatsächlich – ganz ohne Gerüst. Er hängt dabei lediglich an einem dünnen Seil. „Wir arbeiten immer mindestens zu zweit, damit ein Kollege die Rettung sicherstellen kann”, erzählt Geraths.

Auch wenn das Bild eines kletternden Mannes auf der Kirchturmspitze auf einige Passanten unwirklich und gefährlich wirke: Seine Arbeit sei sicherer als das tägliche Autofahren, sagt Geraths. „Natürlich hört man dann oft Sprüche wie ‚Was sagt denn Ihre Frau dazu?‘ oder ‚Ist das denn auch wirklich sicher?‘”, berichtet der gelernte Dachdecker aus seinem Berufsalltag. „Unsere Unfallzahlen sind jedoch unfassbar gut.“ In seinen zehn Berufsjahren als Dachdecker habe er hingegen schon viel größeren jugendlichen Leichtsinn gesehen.

Kollegen für Notfälle

Das bestätigt auch Inudstriekletter-Kollege Tobias Schiel, der an diesem Tag mit Geraths zusammen den Auftrag eines Privathaushalts in Lohmar bearbeitet: „Wenn jemand am Rande eines hohen Daches entlangläuft, dann akzeptieren wir das, weil wir das häufig sehen“, beschreibt er die öffentliche Wahrnehmung. Anders aber sei es, wenn er gemeinsam mit anderen Seilzugangstechnikern auf gut 80 Metern Höhe arbeite. „Dann passiert es häufig, dass wir gefragt werden, ob wir das überhaupt dürfen”, so Schiel.

Industriekletterer arbeiten nach dem Konzept der Partnerrettung. „Der Kollege stellt für mich die Rettung sicher, weil es nur ein schmales Zeitfenster gibt, falls mal was passiert”, erklärt Geraths. Wenn der Rettungsdienst im Notfall erscheine und eine baumelnde Person in schwindelnder Höhe vorfinde, könnten die Ersthelfer vielleicht auch nicht sofort eingreifen. Dafür sei eine Person vom Fach vor Ort nötig. „Rund 80 Prozent unserer Ausbildung widmet sich dem Thema ‚Wie rette ich einen Kollegen‘”, so Geraths. Glücklicherweise habe sich aber während seiner Berufslaufbahn bisher kein einziger, noch so kleiner Zwischenfall ereignet.

„Sitzende Tätigkeit mit Ausblick“

Und was ist mit Höhenangst? „Nur wenn ich eine neue Höhe zum ersten Mal erklimme, dann spüre ich noch so ein Kribbeln dabei”, gibt der Industriekletterer zu. Ab einer Höhe von mehr als 30 Metern spiele auch der Wind eine große Rolle: „Es ist völlig normal, dass ein Mobilfunkmast einen Meter nach links und nach rechts schwingt”, erzählt Geraths. Ein Meter – das sei nicht einmal viel. „Das ist dann wie auf einem Segelboot”, scherzt der Klettermeister.

Was ihn eher aus der Ruhe bringen könne, sei das Werfen des Wurfsacks, mit Hilfe dessen der Industriekletterer die Seile an der gewünschten Stelle durchziehen kann. „Dabei ist einiges an Geschicklichkeit gefordert“, sagt er. „Und wenn man gefühlt so 30 Mal daneben geworfen hat, dann ist das schon ein Moment, in dem man die Geduld verlieren kann.“

Seinen Beruf umschreibt Geraths lächelnd als „sitzende Tätigkeit mit Ausblick”, denn: „Wir hängen überhaupt nicht an den Seilen, sondern sitzen darin.“ Er arbeite mit einer speziellen Zwei-Seil-Technik: ein Seil ist zum Sitzen und das andere dient der Sicherheit. Nur wenn es einmal richtig stark in die Tiefe geht, so wie es etwa bei Fassadenarbeiten der Fall ist, belastet Geraths auch das zweite Seil mit. „Bei drei Prozent Seildehnung wird man sonst zum Jojo”, erzählt er humorvoll.

Aufträge in der Heimat

Vor vier Jahren gründete Alexander Geraths seine Firma „Craft Climbing” und hat sich damit auf handwerkliche Arbeiten an schwer zugänglichen Stellen spezialisiert. „Als leidenschaftlicher Handwerker gefallen mir einfach die unbegrenzten Möglichkeiten, die mir die professionelle Höhenarbeit bieten kann”, berichtet er von seiner Passion, die er zum Beruf machte.

Vergangene Woche war Geraths in Lohmar unterwegs, nächste Woche geht es dann nach Berlin und im Frühjahr sei er sogar in Texas gewesen. Dort haben er und seine Kollegen für eine deutsche Firma die Lüftungsanlagen verlegt. „Aber so wie heute in Lohmar ist es mir eigentlich am liebsten, weil ich direkt um die Ecke wohne”, freut sich der Seilzugangstechniker. Für die Zukunft wünscht er sich mehr Aufträge mit „Heimspiel” und hofft, dass seine Arbeit vor allem im Privathaushaltsbereich populärer wird.

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