Aus Neunkirchen-Seelscheid Mühlstein gegen Kindesmissbrauch in den Vatikan gebracht

Neunkirchen-Seelscheid · Johannes Heibel und Steinmetz Bruno Harich, der in Neunkirchen-Seelscheid lebt und arbeitet, überreichen dem Papst den „Mahnenden Mühlstein“. Der gravierte Stein ist ein Mahnmal gegen Kindes-Missbrauch in der Kirche. Nach einer zehnjährigen Wanderschaft steht er jetzt im Vatikan.

Bildhauer Bruno Harich gravierte in seiner Werkstatt den „Mahnenden Mühlstein“ mit den Worten aus dem Matthäus-Evangelium.

Bildhauer Bruno Harich gravierte in seiner Werkstatt den „Mahnenden Mühlstein“ mit den Worten aus dem Matthäus-Evangelium.

Foto: Inga Sprünken

Es war ein Moment, den er so nie mehr erleben wird, wie er sagt: der Besuch beim Papst und dessen Worte. Denn es war keine normale Audienz, die Bruno Harich und Johannes Heibel in Rom erlebten. Der Bildhauer aus Neunkirchen-Seelscheid und Vorsitzender der Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen aus Siershahn im Westerwald hatten ein besonderes Geschenk im Gepäck: einen 1,4 Tonnen schweren und 1,40 Meter großen Mühlstein. Als „Mahnender Mühlstein“ hatte der bereits eine zehnjährige Odyssee durch 31 deutsche Städte hinter sich und sollte nun zu seiner letzten Station im Vatikan.

„Wer aber einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, dem wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde“, diese Worte aus dem Matthäus-Evangelium, Kapitel 18, Vers 6, hatte der Papst mehrfach im Rahmen der Missbrauchs-Vorwürfe in der katholischen Kirche zitiert – und nun waren sie in den Stein gemeißelt.

„Das ist kein Aufruf zur Todesstrafe“, klärt der Steinmetz über die vielfach missverstandene Formulierung auf. „Hier steht ,würde‘ und nicht ,sollte‘“, so Harich zu den Diskussionen, die es bei den Einweihungen immer neuer Stein-Standorte in Hamburg, Berlin, Würzburg oder Regensburg gegeben hatte.

Vorfall gab Ausschlag zur Aktion

Ein Vorfall gab den Ausschlag zu der Aktion. Heibel beschäftigt sich seit 1991 mit dem Thema Kindes-Missbrauch. Der Fall eines Priesters, den der Bischof wegen Kindes-Missbrauchs strafversetzt und dann erneut in der Jugendarbeit eingesetzt hatte, brachte ihn 2007 auf die Palme. Der Priester wurde trotz therapeutischer Behandlung rückfällig.

„Das inakzeptable Verhalten des Bischofs“ inspirierte Heibel zu der Suche nach einem möglichst großen Mühlstein. Bei Dresden fand er ihn und suchte nun nach einem Bildhauer, der die Worte eingravieren könnte. Dabei stieß er auf Bruno Harich, der den vor 60 Jahren von seinem Vater gegründeten Steinmetzbetrieb in zweiter Generation führt und für sein soziales Engagement bekannt ist.

„Die Chemie stimmte von Anfang an“, erzählt der Steinmetz von der ersten Begegnung Anfang 2008. Und so begann der Schaffensprozess, der nach vielen Diskussionen im Mai beendet war. Dann ging der „Mahnende Mühlstein“ auf Wanderschaft. „Es war eine Herausforderung, immer wieder Speditionen zu finden, die ihn kostenlos mit in die nächste Stadt nahmen“, so Harich.

Besuch beim Papst lag ihm am Herzen

Die Arbeit an dem Mühlstein bewegte ihn, selbst Vater von drei Kindern, tief. Umso mehr lag ihm der Besuch beim Papst am Herzen. Mit einem Ford-Transit und dem Mühlstein auf einem Anhänger begaben sich Heibel und Harich am 23. November um drei Uhr nachts auf eine fünftägige Pilgerreise nach Rom. Sie luden den Stein in Würzburg auf und kamen nach 1050 Kilometern am Abend in Bologna an.

Von dort fuhren sie am nächsten Tag die restlichen 400 Kilometer nach Rom, wo sie am Montagmorgen den Papst treffen sollten. Doch dieser kam gerade erst zurück von seiner Asien-Reise und die Audienz wurde auf Mittwoch verschoben. „Es war alles bis ins Kleinste durchorganisiert. Wir durften sogar mit dem Transit auf den Petersplatz fahren, wo der Stein von einem Gabelstapler abgeladen und auf die Stufen des Petersdom gelegt wurde“, berichtet Harich. Das habe er in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet, sagte der Steinmetz.

Nach der Audienz von 1500 Gläubigen auf dem Petersplatz kam der Papst zu den beiden Männern, die ihm erklärten, was es mit dem Mühlstein auf sich habe. Er solle dazu beitragen, dass es in der Kirche keinen Kindes-Missbrauch mehr gebe, forderten sie ihn auf. Der Heilige Vater antwortete: „Es wird schwer. Bitte beten Sie für mich.“

„Diese Worte werde ich nie mehr vergessen“, so Harich, der gerade die Nachricht erhielt, dass der Mühlstein an prominenter Stelle vor dem Sitz der Päpstlichen Kinderschutzkommission aufgestellt wird.

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