Drogenverkauf an Minderjährigen in Neunkirchen-Seelscheid Staatsanwältin findet Urteil zu hart

Neunkirchen-Seelscheid · Vor dem Bonner Landgericht ist ein 23-Jähriger wegen des Verkaufs von 80 Gramm Marihuana und acht Gramm Amphetamin zu drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Staatsanwältin findet das Urteil „skandalös“ und kündigte Revision an.

Der Abnehmer sei bereits „szeneerfahren“ gewesen, wie die Richterin es ausdrückte. (Symbolbild)

Der Abnehmer sei bereits „szeneerfahren“ gewesen, wie die Richterin es ausdrückte. (Symbolbild)

Foto: picture alliance / Frank Leonhar/Frank Leonhardt

Es passiert nicht alle Tage, dass die Vertreterin der Staatsanwaltschaft nach der Entscheidung einer Großen Strafkammer von einem Skandalurteil spricht und sofort einen Revisionsantrag zugunsten des Verurteilten ankündigt. Vor dem Bonner Landgericht wurde ein am Montag 23-jähriger Kleindealer wegen des Verkaufs von 80 Gramm Marihuana und acht Gramm Amphetamin zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Der Kunde des Dealers aus Neunkirchen-Seelscheid war zum Zeitpunkt des Verkaufs noch minderjährig. Der Jugendliche dealte allerdings trotz seines jungen Alters bereits selber und war mit seinem Kaufwunsch seinerseits an den nun Verurteilten herangetreten. So sahen Anklage und Verteidigung gleichermaßen einen minderschweren Fall und die Staatsanwältin beantragten, den geständigen Dealer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten zu verurteilen. Der Anwalt des jungen Mannes, Strafverteidiger Martin Kretschmer, sah das ähnlich und beantragte außerdem, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werde.

Dem war die Kammer allerdings nicht gefolgt. Die Vorsitzende Richterin legte in der Urteilsbegründung dar, warum ihre Kammer die Voraussetzungen für einen minderschweren Fall als nicht gegeben ansah: Der zweifach wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestrafte Angeklagte habe sich unter anderem von den vorausgegangenen Verurteilungen „kein bisschen beeindruckt“ gezeigt. In der Anklage hatte es noch geheißen, dass der junge Dealer den Minderjährigen „zum Handeltreiben bestimmt“ habe. Da der Abnehmer aber „szeneerfahren“ war, wie es die Richterin ausdrückte, war dieser Vorwurf schnell vom Tisch. Offenbar kannten sich die zwei Dealer, die beide auch selbst konsumieren, schon länger und der Jüngere hatte den Älteren um Nachschub gebeten.

Grund genug für Verteidigung und eben auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, von einem minderschweren Fall auszugehen. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass der heute 23-Jährige zum Zeitpunkt der Drogengeschäfte zwischen dem 11. Oktober und dem 7. November 2021 erst wenige Tage zuvor die strafrechtlich relevante Grenze zum 22. Lebensjahr überschritten hatte: Wäre der Verkauf der nicht als harte Drogen eingestuften Substanzen vor dem 21. Geburtstag erfolgt, wäre auch eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht infrage gekommen. Über die von Anklage und Verteidigung angekündigte Strafmaßrevision müsste der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entscheiden.

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