Siegburger Nordfriedhof Neues Gräberfeld für bisher anonym Bestattete eingesegnet

SIEGBURG · "Es ist ein Zeichen von Trostlosigkeit in unserer Gesellschaft, wenn Menschen am Ende ihres Weges nicht mehr begleitet werden." Mit diesen Worten wandte sich die evangelische Pfarrerin Editha Royek an die Teilnehmer eines vierteljährlich angebotenen ökumenischen Gedenkgottesdienstes für Menschen aus dem gesamten Kreis, für die es keine eigene Trauerfeier gab.

 Bernhard Domagalski (von links), Editha Royek und Fred Schmitz am neuen Gräberfeld.

Bernhard Domagalski (von links), Editha Royek und Fred Schmitz am neuen Gräberfeld.

Foto: Paul Kieras

Zusammen mit ihren katholischen Amtskollegen Pfarrer Fred Schmitz und Bernhard Domagalski erinnerte sie in der Kapelle des Nordfriedhofs an 22 Verstorbene, deren Namen genannt und für die von den Anwesenden Lichter entzündet wurden. Zu denen gehörten auch Agnes und Edgar Großwendt aus Lohmar, die regelmäßig an solchen Gottesdiensten teilnehmen. "Man hat für so vieles Zeit", begründeten sie ihr Interesse, "man weiß ja nie, was aus einem selbst wird."

Im Anschluss weihten die drei Geistlichen ein neu angelegtes Gräberfeld für die sogenannten Unbedachten und eine letzte Ruhestätte für Sternenkinder, also Früh- oder Totgeburten, ein. Mit der steht jetzt den Eltern ein Platz für ihre Trauer zur Verfügung, die Kinder während oder vor der Geburt verloren haben.

Laut dem Evangelischen Kirchenkreis An Sieg und Rhein sowie dem Katholischen Kreisdekanat werden die "vergessenen" Verstorbenen ab sofort "der Anonymisierung entzogen, dem Gebet und Gedenken der Mitchristen zugeführt und das traditionelle Werk der Barmherzigkeit, der Toten würdig zu gedenken, wird umgesetzt".

Es handelt sich um Verstorbene, die im schlimmsten Beamtendeutsch als "ordnungsbehördliche Fälle" bezeichnet werden, nach denen keiner fragt. Diese werden dem Ordnungsamt gemeldet, das nach Angehörigen forscht und, wenn keine aufzutreiben sind, für die Beerdigung sorgt.

Andrea Müller vom Siegburger Standesamt sowie das Ehepaar Walter und Roswitha Kühn hatten angeregt, das neue Gräberfeld zu schaffen, mit der Absicht, diesen "Anonymen" Würde und ihren Namen wiederzugeben. "Der Friedhof darf nicht sterben, denn sonst geht Kultur verloren", sagte Kühn. Steinmetz Marcus Weisheit unterstützt die Idee, überlässt der Stadt von ihm gesammelte alte Holzkreuze, die dann in Zusammenarbeit mit der Justizvollzugsanstalt (JVA) aufgearbeitet werden und die Namen der Unbedachten tragen.

Die Standesbeamtin berichtete in dem Zusammenhang von einem Strafgefangenen, der selbst vor vielen Jahren sein damals zweijähriges Kind bei einem Brand verloren hat. "Für ihn war die Aufarbeitung des Kreuzes eigene erfolgreiche Trauerbewältigung." Es sei bewegend zu beobachten gewesen, wie Mitgefangene ihm halfen, ein geschenktes Kreuz zu gestalten, das er sich selbst nicht leisten konnte.

Die erste Bestattung auf dem neuen Areal fand am vergangenen Freitag statt, deutlich ist der Name des Verstorbenen zu lesen. Das Grab befindet sich in unmittelbarer Nähe einer Tür, die in der JVA renoviert und als Mahnmal errichtet wurde. Sie hat doppelte Symbolkraft, so Fred Schmitz. Einmal zeige sie, dass "der Tod keine Wand ist, sondern die Tür in ein neues Leben". Außerdem werde ab sofort eine Tür zu den Menschen geöffnet, die man bisher namenlos bestattet hatte.

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