Anhebung der Grundsteuer in Niederkassel Bürger fühlen sich nicht vertreten

NIEDERKASSEL · Die Niederkasseler Bürger sind verärgert über die Anhebung der Grundsteuer um 37 Prozent.

Die Stimmung war angespannt und aufgeladen in der Rotunde, in der der Haupt-, Finanz- und Beschwerdeausschuss am Mittwoch tagte. Die Verwaltung hatte mit dem Besucheransturm gerechnet, denn im Vorfeld der Sitzung waren 250 Bürgerproteste schriftlich gegen die Erhöhung der Grundsteuer B von 440 auf 600 Prozentpunkte eingelegt worden.

Mehr als hundert Niederkasseler waren gekommen, um ihrem Ärger über die drastische Erhöhung Luft zu machen. Die Erläuterungen von Bürgermeister Stephan Vehreschild, dass die Erhöhung die einzige Möglichkeit sei, ein Haushaltssicherungskonzept zu vermeiden. Die Defizite von jeweils mehr als sieben Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren entstünden durch Pflichtaufgaben, die von den Kommunen finanziell nicht mehr gestemmt werden könnten.

Beispielhaft nannte Vehreschild den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz oder aber den sprunghaften Anstieg der Asylbewerber. Wegen der günstigen Sozialstruktur in Niederkassel seien zudem die Schlüsselzuweisungen des Landes massiv gekürzt worden. Die Verwaltung habe dagegen geklagt; aber kein Recht bekommen. Dennoch sei man nicht gewillt, freiwillige Leistungen, wie das Schwimmbad, die Büchereien oder die Musikschule anzutasten.

Ein Haushaltssicherungskonzept will die Verwaltung unbedingt vermeiden, um bei den freiwilligen Leistungen oder Investitionen ihre Selbstbestimmung zu behalten. Argumente, die bei den verärgerten Bürgern nicht fruchteten. Hans Stoeckel sprach für seine 90-jährige Mutter, die nun für ihr Häuschen die Erhöhung von 37 Prozent stemmen müsse. "Ich fühle mich von Ihnen nicht vertreten und wage mir nicht auszumalen, was in drei oder vier Jahren auf uns zukommt".

Michael Pietraszek aus Ranzel kritisierte, dass der Vorschlag der Verwaltung, die Beschwerden zur Kenntnis zu nehmen und dennoch die Erhöhung zu beschließen, nichts mit einer ergebnisoffenen Debatte zu tun habe. Thomas Volk aus Lülsdorf berichtete, dass ihm der Atem gestockt habe, als er den Steuerbescheid bekommen habe. "Ich glaube nicht, dass irgendjemand hier jemals eine 37-prozentige Gehalts- oder Rentenerhöhung bekommen hat", formulierte er seinen Unmut. Das sei "Abzocke". Martin Stauber fühlte sich veräppelt, schließlich sei der Rat gewählt worden, um die Interessen der Bürger zu vertreten. "Muss ich mir jetzt einen Nebenjob suchen, um die Grundsteuer bezahlen zu könne", fragte er.

Die Kfz-Steuer und die Grundsteuer B seien die beiden Möglichkeiten, um an Geld ranzukommen, formulierte Rainer Hettich aus Ranzel. Hier sei jedoch die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt. "Sie spielen die Vorreiter und andere Kommunen werden nachziehen", mutmaßte er. Hans Boehm aus Rheidt bezeichnete die Argumentation, dass die Steuererhöhung sozial sei, weil sie alle treffe als "eine Form des Zynismus, der schwerer zu ertragen ist als ein Haushaltssicherungskonzept." Schließlich kam es so, wie es die Bürger befürchtet hatten: Mit den Stimmen von CDU und Grünen wurden die Beschwerden zwar zur Kenntnis genommen, aber dem Rat empfohlen, die Grundsteuer B wie geplant zu erhöhen.

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