Mann mit Messer schwer verletzt Ehefrau aus Niederkassel berichtet von "Martyrium"

Bonn/Niederkassel · Die Libanesin verletzte ihren Ehemann mit einem Messer lebensgefährlich. Jetzt sagte die Angeklagte vor dem Bonner Schwurgericht aus. Die Ehe mit dem 42-Jährigen soll ein einziges Martyrium gewesen sein.

Die Angeklagte sprach – im Schatten ihrer Dolmetscherin – sehr leise. Es war fast ein Flüstern. Ihre Worte unterstrich die 41-jährige Angeklagte mit feinen Bewegungen ihrer blassen Hände. Am Dienstag war die Stunde der wegen Mordversuchs angeklagten Libanesin, der vorgeworfen wird, am 2. Januar 2018 ihren Ehemann heimtückisch mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt zu haben.

Gegen den Vorwurf der Heimtücke wehrte sich die Mutter von zwei Töchtern (17 und 8 Jahre) am Dienstag vor allem. Das Küchenmesser, so erklärte sie, habe sie auch an diesem Tag zu ihrem Schutz bei sich getragen. „Ich habe immer Angst gehabt, dass mein Mann mich irgendwann umbringt“, erzählte sie so leise, dass die Richter nachfragen müssen. Ja, sagte sie, ohne einen falschen dramatischen Unterton: „Mein Leben war immer in Gefahr.“ Diesen Satz wiederholte sie zwei Mal.

„Das war keine plötzliche Eruption von sinnloser Gewalt, sondern das dramatische Ende eines jahrzehntelangen Martyriums“, versuchte ihr Verteidiger die Geschehnisse dieses Tattages einzuordnen. Vor knapp 20 Jahren sei die Angeklagte gegen ihren Willen nach Deutschland verschleppt und mit ihrem Cousin zwangsverheiratet worden. Sie sei ihm in jeder Beziehung ausgeliefert gewesen: Regelmäßig sei sie von ihm misshandelt und geschlagen worden, habe die Wohnung nicht alleine verlassen dürfen und könne bis heute kein Deutsch. In ihrer Ehe sei sie „wie ein Hund gehalten worden.“ Geprügelt und ohne irgendwelche Rechte.

Selbst ihre 17-jährige Tochter, der „Augenstern des Vaters“, durfte sie demütigen. Der 42-Jährige soll mit dem Kind eine unheilige Allianz gegen die Mutter geführt haben. So auch am Tattag. Die 17-Jährige soll wieder einmal ihre kleine Schwester verprügelt haben. Als die Mutter intervenierte, wurde sie von ihrer Tochter mit Plastikblumen geschlagen. Darauf, so die Angeklagte, habe sie ihr die Vase auf den Kopf geworfen. Das Mädchen wurde kurzzeitig ohnmächtig, rief den Vater an, erzählte von dem Vorfall und flüchtete zu ihren Großeltern.

„Mir war klar, was passieren würde, wenn mein Mann nach Hause kommt“, sagte die Angeklagte. Deswegen habe sie das Messer, das sonst unter dem Kopfkissen liege, in den Morgenmantel gesteckt. Als der 42-Jährige kam und sie „mit Augen ansah, die nicht normal waren und auf sie zuging“, habe sie das Messer gezogen und zugestochen.

„Nicht in Tötungsabsicht“, wie ihr Verteidiger erklärte, „sondern nur um sich aus einer bedrohlichen Lage zu befreien.“ Zweimal traf sie ihn: Ein Stich im Bauch hatte den Dünndarm verletzt, ein zweiter Stich im Brustraum verfehlte die Lunge nur knapp. Ihr Mann entwaffnete sie, flüchtete auf den Balkon und setzte einen Notruf ab. Sie selbst sei in den Keller geflüchtet, aus Angst, dass es zu weiteren Gewalttätigkeiten kommt. Ihre Angst sei so groß gewesen, dass sie sogar ihre achtjährige weinende Tochter, die das Furchtbare zwischen ihren Eltern erleben musste, im Flur stehen ließ. Widerstandslos ließ sie sich später festnehmen. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft. Der Prozess wird fortgesetzt.

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