Anklage wegen versuchten Totschlags Vater stirbt an Folgen eines Axtangriffs – Tochter freigesprochen

Bonn/Niederkassel · Eine 52-Jährige aus Niederkassel war beschuldigt worden, für den Tod ihres Vaters verantwortlich zu sein. Der aufsehenerregende Indizienprozess endete mit einem Freispruch für die Frau.

 Die Freigesprochene mit ihren Anwälten Boris Krösing (r.) und Nils Kassebohm

Die Freigesprochene mit ihren Anwälten Boris Krösing (r.) und Nils Kassebohm

Foto: Leif Kubik

Am Bonner Landgericht ist am Donnerstagmittag ein aufsehenerregender Indizienprozess mit einem Freispruch zu Ende gegangen. Die 52-jährige gehörlose Tochter eines 81-Jährigen Rentners aus Niederkassel war des versuchten Totschlags an ihrem Vater angeklagt. Nach nur vier Verhandlungstagen hatte schließlich auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert.

Die Staatsanwaltschaft hatte der Frau vorgeworfen, im Februar 2020 aus Wut mit einer Axt auf den Kopf ihres Vaters eingeschlagen zu haben. Das Opfer überlebte die Attacke schwerstverletzt und lag über ein Jahr im Wachkoma auf einer Station der Bonner Uniklinik. In diesem Sommer verstarb der Rentner dann an den Folgen des Angriffs.

Was sich in der Wohnung des alten Mannes zwischen dem 4. und 7. Februar zugetragen hat, wird sich wahrscheinlich nie aufklären lassen. „Der Verstorbene war ein lebenslustiger Mensch, der regelmäßig zum Arzt ging“, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff bei der Urteilsbegründung. Eines sei sicher: „Er hat sich nicht selber umgebracht.“ Entsprechende Annahmen seien absoluter Blödsinn, war sich Reinhoff sicher.

Genauso sicher waren sich die Richter allerdings auch, dass der Täter oder die Täterin sich in dem Wohnhaus gut ausgekannt haben muss. Nach der Trennung von ihrem Partner hatte die Tochter eine von zwei Einliegerwohnungen in dem Haus ihres Vaters bezogen. Besonders gut scheint die Stimmung zwischen den beiden nicht gewesen zu sein, der Vater drängte seine Tochter immer wieder, sich eine andere Bleibe zu suchen: „Zieh aus, such dir eine Wohnung, ich habe Angst vor Corona, du nimmst Corona nicht ernst!“ Worte, die – so führte Reinhoff aus – der Vater in abgewandelter Form immer wieder an seine Tochter gerichtet habe.

Zwist stellt kein Motiv dar

Ein Zwist, der aber nach Ansicht der Richter kein hinreichendes Motiv darstellt. Der Rentner hatte nämlich in seinem Bett gelegen, als die Tatwaffe, eine langstielige Axt, erstmals gegen ihn erhoben worden war. Das hatte die Spurensicherung der Polizei ergeben. Ein wilder Streit scheint der Tat also nicht vorausgegangen zu sein. Die Anklage stützte sich denn auch in erster Linie auf das Ausschlussprinzip: Keine der vor dem Haus montierten Überwachungskameras hatten in dem entscheidenden Zeitraum eine andere Person gefilmt, die das Haus betreten hätte. Allerdings decken die Kameras nicht die gesamten Seiten sowie Rückseite des Hauses ab.

Der Senior hatte sich außerdem in seiner Wohnung eingeschlossen und nur die Tochter war in Besitz des Schlüssels zu einer stählernen Verbindungstür. Die lässt sich allerdings nur öffnen, wenn kein Schlüssel von innen steckt. Das war aber der Fall, als der Tote nach einem Hinweis seines Sohnes gefunden wurde, der mehrere Tage lang vergeblich versucht hatte, seinen Vater anzurufen. Nur in dem sehr unwahrscheinlichen Szenario, dass der Schlüssel von innen genau senkrecht steht, hätte die Tochter die Türe von ihrer Seite aus aufschließen können. „Der Schlüssel hätte exakt auf zwölf Uhr stehen müssen, nicht auf 11.57 Uhr, nicht auf 12.03 Uhr“, so Reinhoff.

„Es mag misslich sein, dass man nach einem derart schweren Verbrechen keinen Täter findet, so der Vorsitzende abschließend. „Das darf aber nicht dazu führen, dass man sich einen sucht, der es wahrscheinlich nicht war.“

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