Streit um Dringlichkeitsentscheidung Grünenpolitiker verlassen den Niederkasseler Rat

Niederkassel · Rolf Droske und Tanja Schulten haben ihre Mandate für den Stadtrat in Niederkassel niedergelegt. Die beiden Grünenpolitiker reagieren damit auf eine aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Dringlichkeitsentscheidung.

 Im früheren Mobau-Gebäude in Ranzel richtet die Stadt Niederkassel eine Flüchtlingsunterkunft ein.

Im früheren Mobau-Gebäude in Ranzel richtet die Stadt Niederkassel eine Flüchtlingsunterkunft ein.

Foto: Hans-Werner Klinkhammels

Ralf Droske und seine Frau Tanja Schulten sind aus der Stadtratsfraktion der Grünen in Niederkassel ausgetreten. Ende des Monats legen sie ihre Mandate nieder. Im Streit seien sie nicht auseinandergegangen, blieben beide Parteimitglieder, sagt Droske. „Es gab nur just aktuell einen Auslöser.“ Ausschlaggebend für den Schritt der beiden grünen Kommunalpolitiker war eine Dringlichkeitsentscheidung, die der Rat in seiner Sitzung am Mittwochabend genehmigen soll.

Die hatte Bürgermeister Stephan Vehreschild den Fraktionsvorsitzenden im August vorgelegt. Dabei ging es um das leer stehende Mobau Klein-Gebäude in Ranzel, das die Stadt als Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge anmieten wollte. Dessen Eigentümer sei an den Bürgermeister herangetreten, er wolle das Gebäude an die Stadt vermieten, es sei aber auch ein weiterer Interessent im Rennen, berichtet SPD-Fraktionschef Frieder Reusch vom Treffen der Fraktionsvorsitzenden. Vehreschild ergänzt: „Die nächste Ratssitzung war erst für Ende September terminiert, der Mietvertrag sollte jedoch zum 1. September unterschrieben sein.“ Geholfen hätte da nur eine Sondersitzung, die indes nicht gewünscht gewesen wäre. „Ein späterer Beginn des Mietverhältnisses war nicht möglich, weil dann ein anderer unterschrieben hätte. Wir standen im Wettbewerb“, so der Bürgermeister.

Die Stadt braucht aber weitere Unterkünfte für Geflüchtete, und zwar solche, die sie auch finanzieren kann. „Unsere Haushaltslage ist angespannt“, sagt Vehreschild. Die Bezirksregierung habe aber signalisiert, dass Niederkassel sich für die nächsten zehn Jahre auf die Aufnahme von Geflüchteten einstellen müsse. „Da Gewerbeimmobilien in der Regel langfristig vermietet werden, war dies die einzige Option“, so Vehreschild.

Rolf Droske und Tanja Schulten können das nicht nachvollziehen. „Der Bürgermeister ist ein ganz wesentlicher Faktor unseres Rücktritts“, sagt Droske. „Schon x-fach gab es Dringlichkeitsentscheidungen, wo es keine Dringlichkeit gab. Das haben wir schon oft bemängelt“, sagt er weiter. „Diese Entscheidung hätte in den Rat gehört“, sagt Droske. Die Anmietung sei nicht mit den Fachausschüssen besprochen worden. „Es geht dabei um die Nutzung als Flüchtlingsunterkünfte für zehn Jahre, dies ist ein teures Unterfangen für die Stadt mit Kosten von rund 300.000 Euro jährlich“, so Droske. Das seien strategische Entscheidungen, die öffentlich beraten werden müssten. „Rat und Bürger werden übergangen, weil keine Beratungen stattfinden“, sagt er. Das habe mit Demokratie nichts mehr zu tun. „Wir sind vom Bürger gewählt und haben einen Auftrag. Wenn ich feststelle, dass etwas schiefläuft, dann habe ich die Pflicht, einzugreifen“, so Droske.

Entscheidung trifft Fraktion unerwartet

Das wäre seiner Ansicht nach nur über Einschaltung der Kommunalaufsicht möglich gewesen. Das habe aber seine Fraktion nicht gewollt, obwohl sie als einzige die Unterschrift zur Dringlichkeitsentscheidung verweigerte. Droske und Schulten zogen daraus die Konsquenz und legten ihre Mandate nieder. Seine bisherige Fraktion trifft die Entscheidung unerwartet. „Ich bedaure diese Entscheidung, da uns damit zwei engagierte Grüne mit großem technischem und Verwaltungssachverstand verloren gehen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Sascha Essig. Für sie rücken nun gemäß der Reserveliste der Kommunalwahl Karl-Heinz Plies und Mercedes Sosa-Kneller nach.

Vehreschild bleibt unterdessen dabei, dass die Voraussetzungen für eine Dringlichkeitsentscheidung gegeben war. Drei Fraktionsvorsitzende hätten sie auch zusammen mit ihm unterschrieben. Nach ersten groben Schätzungen wird die Aufbereitung des Gebäudes als Flüchtlingsunterkunft für bis zu 120 Personen den städtischen Haushalt mit rund 1,3 Millionen Euro belasten. „Aber insgesamt immer noch preiswerter als Container, für die der doppelte Mietpreis aufgerufen wird“, so Vehreschild. Die Politik überlegt, das Gebäude später als Kulturzentrum, für die Musikschule oder die Volkshochschule zu nutzen.

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