GA-Serie Niederkasseler Köpfe Hannelore Mertens ist die gute Seele aus Lülsdorf

Niederkassel · Die 77-Jährige hilft Bedürftigen mit „Tischlein-Deck-Dich“. Ihr Engagement war dem WDR die Auszeichnung als "Ehrwin" wert. Heute kommen rund 90 Personen wöchentlich zu den beiden Ausgabestellen für Lebensmittel.

 Seit vielen Jahren schon kümmert sich Hannelore Mertens um bedürftige Niederkasseler und versorgt sie mit Lebensmitteln.

Seit vielen Jahren schon kümmert sich Hannelore Mertens um bedürftige Niederkasseler und versorgt sie mit Lebensmitteln.

Foto: Dieter Hombach

Was tun, wenn der Ruhestand naht? Diese Frage beschäftigte Hannelore Mertens (77) nach einem langen Berufsleben als Sachbearbeiterin im Jahre 2000 sehr. „Ich wollte etwas Sinnvolles machen und mich in einem sozialen Projekt engagieren. Damals entschied ich mich, Kinder in der Kinderkrebsstation der Uniklinik Köln zu betreuen. Aber die Schicksale der von mir betreuten Kinder, von denen drei verstarben, und die damit verbundenen Belastungen waren zu groß für mich“, so Mertens. Im Jahr 2001 nahm sie dann Kontakt zum damaligen Leiter des Niederkasseler Sozialamtes auf und bot ihre Hilfe an. Die Stadt dachte da an ein Projekt wie die deutschlandweit tätigen „Tafeln“, die bedürftige Menschen mit Lebensmitteln versorgen. Hannelore Mertens-Neumann und Ehemann Klaus Peter Neumann (81) fanden einen Namen für die Einrichtung und machten sich an die Arbeit. Das war die Geburtsstunde von „Tischlein-Deck-Dich“. Anfangs sei die Verwaltung skeptisch gewesen. „In Niederkassel gibt es keine Bedürftigen, wurde mir damals ernsthaft gesagt“, so Mertens.

Davon ließ sich das Ehepaar allerdings nicht beeindrucken. „Ich habe am Anfang viele Türklinken putzen und Überzeugungsarbeit leisten müssen, um die Geschäftsinhaber von der Notwendigkeit ihrer Unterstützung zu überzeugen“, so Mertens im Rückblick. Anfangs fuhren sie jeden Montag bis nach Köln, um Lebensmittel, Obst und Gemüse abzuholen. Die Spenden wurden dann zu den beiden Ausgabestellen in Mondorf und Ranzel gefahren.

Im Laufe der Zeit konnte man die Discounter Aldi und Lidl sowie Niederkasseler Einzelhändler als Spender gewinnen. „Eines möchte ich aber noch gerne klarstellen. Die gespendeten Lebensmittel haben alle noch ein kurzes Haltbarkeitsdatum und werden von den Firmen daher kostenlos abgegeben. Wir geben nur das aus, was wir auch selbst essen würden“, so Mertens. „Ich kann mich noch gut an den 2. Februar 2002 erinnern. Es war das erste Mal, dass mein Mann und ich Lebensmittel ausgegeben haben. Zwölf Kunden kamen zu den beiden Ausgabestellen“, erinnert sich Mertens. Das ist lange vorbei und in den vergangenen 15 Jahren hat sich vieles verändert. Damals war man noch auf einen kleinen Transporter angewiesen, den man sich mit dem Niederkasseler Haus Elisabeth teilen musste. Seit letztem Jahr ist die Einrichtung dank vieler Spenden mit einem eigenen Ford Transit unabhängig unterwegs. Auch die Zahl der Kunden hat sich vervielfacht.

Heute kommen rund 90 Personen wöchentlich zu den beiden Ausgabestellen. „Man muss einen Faktor von drei ansetzen, denn hinter jedem Kunden, der zu uns kommt, stehen weitere Familienmitglieder. Die Menschen sollen sich nicht als Bittsteller fühlen. Daher nenne ich sie auch meine Kunden“, so Mertens. Früher konnte sich jeder anstellen und bekam Lebensmittelspenden. Seit der Flüchtlingskrise musste man in Zusammenarbeit mit dem Sozialamt zu einem anderen Verteilerschlüssel finden. Die Flüchtlinge bekommen Unterstützung durch „Tischlein-Deck-Dich“ nur mit Ausweiskarten der Stadt Niederkassel, während die Einheimischen ihren Wohnort in Niederkassel nachweisen müssen.

Leider steigt die Anzahl der Bedürftigen stetig, während das Spendenaufkommen schrumpft. Firmen bestellen nur noch nach dem „Just-in-Time“-Prinzip und verkaufen Lebensmittel kurz vor dem Ablaufdatum zum halben Preis. Allerdings haben auch die Niederkasseler ihr Herz für die Hilfsaktion entdeckt. Zahlreiche Schulklassen und Kindergärten sowie viele Privatpersonen und Firmen spenden Lebensmittel oder geben finanzielle Unterstützung in Form von Gutscheinen. Unterstützung gibt es auch durch die Stadt Niederkassel. Die Behörde engagiert sich bei „Tischlein-Deck-Dich“, denn sie übernimmt nicht nur die Versicherungskosten für den Transporter und die ehrenamtlichen Helfer, sondern trägt auch die Spritkosten.

Für Hannelore Mertens und ihren Mann gibt es aber auch noch ein Leben neben „Tischlein-Deck-Dich“. „Bei uns steht die Familie im Vordergrund. Unsere Kinder und unsere fünf Enkel, von denen einer in Amerika wohnt, machen uns glücklich. Daneben bin ich eine leidenschaftliche Gärtnerin und freue mich darauf, dass es bald Frühling wird und ich wieder in unseren kleinen Garten kann. Bis dahin gehe ich meinem Hobby Patchwork nach“. Leider musste sich Ehemann Klaus-Peter wegen einer Augenerkrankung aus dem Hilfsprojekt ausklinken. „Ich habe ein unvorstellbar gutes Team von rund 40 ehrenamtlichen Helfern, die sich mit aller Kraft in den Dienst der guten Sache stellen. Allerdings sind zwei Drittel unserer Ehrenamtlichen bereits Senioren. Gesucht werden nun junge Leute, die sich engagieren wollen“, so Mertens.

Die Initiatorin hofft, bis in zwei Jahren Personen zu finden, die die Arbeit in ihrem Sinne fortführen. Das ehrenamtliche Engagement von Hannelore Mertens wurde im Dezember 2017 vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) anerkannt und belohnt. Die Fernsehmacher der „Aktuellen Stunde“ zeichneten Mertens mit dem „Ehrwin“ des Monats Dezember aus. Die Auszeichnung bekommen Menschen, die sich freiwillig und ehrenamtlich für ihre Mitmenschen einsetzen.

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