„Wir kommen nicht mit dem Sensenmann“ Hospizverein Niederkassel feiert 10-Jähriges

Niederkassel · Der Niederkasseler Hospizverein bietet Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben bis zum Tod. Mehr als 300 Mitglieder engagieren sich in dem Verein, der vor zehn Jahren gegründet wurde.

 Im Hospizverein engagiert (von links): Harald Mutke und Helma Baltes (beide Beisitzer), Günter Doclot (Sterbebegleiter), Jochen van Üüm (Vorsitzender) und Petra Baum (Koordinatorin Sterbebegleitung).

Im Hospizverein engagiert (von links): Harald Mutke und Helma Baltes (beide Beisitzer), Günter Doclot (Sterbebegleiter), Jochen van Üüm (Vorsitzender) und Petra Baum (Koordinatorin Sterbebegleitung).

Foto: Martina Welt

„Man wird demütig und weiß, was im Leben wichtig ist und was nicht.“ So beschreibt Günter Doclot sein Ehrenamt. Er ist seit sieben Jahren Sterbebegleiter im Niederkasseler Hospizverein, der wiederum in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag feiert. Es sind zwei Standbeine, die den Hospizverein ausmachen. Zum einen die Sterbebegleitung, die seit vier Monaten hauptberuflich von Palliativ-Pflegekraft Petra Baum koordiniert wird. Zum anderen die Trauerbegleitung, die Margret Schuck-Seeger, Heilpraktikerin für Psychotherapie, koordiniert.

Gegründet wurde der Hospizverein vor zehn Jahren von dem Seniorenbeauftragten der Stadt, Willy Trost. „Es gab damals Bedarf nach der Begleitung Schwerkranker, aber kein Angebot“, erinnert sich Harald Mutke, der ebenfalls von Beginn an dabei ist. Die Idee hinter der Hospizbewegung, die in den 70er Jahren ihren Ursprung hatte, sei es gewesen, die Menschen aus der Einsamkeit des Sterbens und der Krankheit herauszuholen und ihnen zu Hause ein menschenwürdiges Leben bis zu ihrem Tod zu ermöglichen, erläutert der Vorsitzende des Vereins, Jochen van Üüm.

In Deutschland kam diese Form der Betreuung in den 80er und 90er Jahren an. Seit 2015 ist das Recht auf eine Palliativversorgung im Gesetz verankert und das hat Folgen auch für die Arbeit des Hospizvereins, der seit dieser Zeit teilweise von den Krankenkassen finanziert wird.

Dank der so neu gewonnenen Spielräume hat sich einiges verändert: Es gibt einen Kooperationsvertrag mit dem Hospiz in Troisdorf, wo sechs Begleiter aus Niederkassel regelmäßig Dienst tun. Seit vier Monaten ist die Koordinatorin hauptberuflich beim Verein angestellt, und auch für das zweite Standbein, die Trauerbegleitung, bleibt jetzt mehr finanzieller Spielraum. Die Hauptlast der Finanzierung des Vereins wird jedoch durch Spenden und die Beiträge der mehr als 300 Mitglieder getragen.

„Zudem haben wir erste Kooperationsverträge mit den Seniorenwohnheimen in der Stadt abgeschlossen“, so der Vorsitzende Jochen van Üüm. Aktuell ist der Verein mit 23 Begleitungen sterbender Menschen befasst, in deren Zuhause wie auch im Seniorenheim.

Arbeit im Hospiz ist besonders intensiv

Alle ehrenamtlich Aktiven haben vor ihrem Einsatz einen so genannten Befähigungskurs absolviert. Zweimal wöchentlich zwei bis drei Stunden, ein halbes Jahr lang, das ist die Voraussetzung. Danach schließt sich ein dreitägiges Praktikum an. Es wird insbesondere während dieser Zeit festgestellt, ob es passt oder nicht. Wenn Menschen „zu labil sind und mit sich selbst nicht klar kommen“, sind das für Petra Baum klare Anzeichen dafür, dass diese Kandidaten für den ehrenamtlichen Dienst nicht geeignet sind.

„Es ist wichtig, eine gewisse Distanz aufrecht zu erhalten, damit man von dem Leid des anderen nicht erdrückt wird“, sagt sie. Besonders intensiv ist die Arbeit im Hospiz. „Die Menschen kommen zum Sterben dorthin“, berichtet Doclot von seinen Einsätzen. Allein 80 Menschen seien dort in sechs Monaten gestorben. Da viele Angehörige nach dem Tod ihrer Liebsten in ein tiefes Loch fallen, gehört auch die Trauerbegleitung – wenn nötig, auch bereits vor dem Tod des geliebten Menschen – zum Angebot des Vereins.

Van Üüm erinnert sich, wie toll er es fand, dass es ausgebildete Menschen gab, die kostenlos nach Hause kamen und ihm beistanden – vor dem Tod seiner Mutter. „Wir würden uns wünschen, dass dieses Angebot breiter wahrgenommen würde“, sagt er. Wenn Petra Baum einen Anruf bekommt, besucht sie die Familie und sieht nach, wo es fehlt. „Ich fahre selbst raus und schaue, was fehlt zum Beispiel an Hilfsmitteln, führe Gespräche mit der Krankenkasse und finde heraus, welche Hilfe benötigt wird“, erläutert sie.

Selbst am Freitagnachmittag oder am Wochenende sind die Mitglieder im Hospizverein ansprechbar. „Beim Erstgespräch ist es wichtig, Ruhe in die Situation der Familie, die meist komplett überfordert ist, hineinzubringen“, sagt Baum. Erst nach ihrem Besuch schaut sie, wer vom Team dort hinpassen könnte und vereinbart dann einen Besuchstermin des Begleiters. Wichtig ist ihr, dass sie auch die Ehrenamtlichen immer im Auge behält. Teambesprechungen finden regelmäßig statt und externe Supervision soll wieder neu manifestiert werden.

Wichtig ist allen Beteiligten, dass sie nicht erst dann kommen, wenn gestorben wird. „Wir kommen nicht mit dem Sensenmann“, räumt van Üüm mit einem Vorurteil auf. Der Hospizverein bietet Hilfe vielmehr schon viel früher an, damit mit zeitgemäßer Unterstützung das Leben für alle Beteiligten möglichst selbstbestimmt und lebenswert bleibt.

Erreichbar ist der Hospizverein unter der Rufnummer 02208/9211449 oder per E-Mail unter info@hospiz-niederkassel.de.

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