Erinnerungen Nachkriegskindheit in Eschmar

Niederkassel · Franz Over beschreibt seine Nachkriegs-Kindheit in Troisdorf-Eschmar zwischen Frömmigkeit und Doppelmoral, Freiheit und Enge.

 Das Foto im General-Anzeiger zeigt die Altstadtjungen aus dem Buch "Ohne Sturzhelm durch die Kindheit" von 2014. Dieses Bild gab den Anstoß für Franz Over auch seine Kindheit zu veröffentlichen.

Das Foto im General-Anzeiger zeigt die Altstadtjungen aus dem Buch "Ohne Sturzhelm durch die Kindheit" von 2014. Dieses Bild gab den Anstoß für Franz Over auch seine Kindheit zu veröffentlichen.

Foto: Martina Welt

Es war ein Foto im Journal des General-Anzeigers, das bei Franz Over vor drei Jahren den Ausschlag gab, sich hinzusetzen und endlich das niederzuschreiben, was er schon immer sagen wollte. Der ehemalige Polizeibeamte sah darauf Altstadt-Jungen auf ihren Rollern in kurzen Stoff- oder Lederhosen, deren Bild anlässlich einer Buchbesprechung im April 2014 veröffentlicht wurden. „Ich hätte einer von den Jungs sein können“, meint Over, der sich noch genau erinnern kann, wie selig er war, als er endlich die kurze Stoffhose gegen eine kurze Lederhose eintauschen durfte.

Seine Kindheit in Eschmar nach dem Krieg war typisch für das Leben in der damaligen Zeit. Er beschreibt nichts verklärt in den Erinnerungen über den kleinen Franz und seine Kumpel, die ihre Freiheit in vollen Zügen genossen, gleichzeitig aber auch mit der Engstirnigkeit der Erwachsenenwelt zurechtkommen mussten.

Rollenverteilung war eindeutig

„Die Herrschaft der Alten“ war nicht ohne, weiß Over nur zu genau. „Die waren für die Kinder einfach unangreifbar, egal ob es der Vorsitzende des Gesangvereins, der Lehrer oder der Polizist war.“ Diese Autoritäten hatten damals das Sagen und die Macht, allerdings hinderte das die kleinen Racker rund um Franz nicht daran, neben zahllosen – eher harmlosen – Streichen auch Rachefeldzüge zu planen und kompromisslos durchzuführen.

„Das half, aber eine Chance zur Veränderung der Situation hatte man nicht“, sagt Over. Vieles jedoch, was damals möglich war, gibt es so heute nicht mehr, und das bedauert Over auch. Heute fehle einfach die Zeit, um Kind zu sein. „Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, jemals Hausaufgaben gemacht zu haben“, meint Over schmunzelnd. Das habe aber auch niemanden gekümmert, denn die Eltern hätten ihr erzieherisches Pulver bereits bei den älteren Geschwistern weitgehend verschossen und seien auch bei ihnen damit eher kläglich gescheitert.

Über 30 Jahre Notizen

„Wir waren wild und einfach nicht zu bändigen“, stellt Over im Nachhinein fest. Bei ihm als drittem von vier Kindern habe sein Vater bereits gehörig die Lust verloren, erzieherisch einzuwirken. „Aber mein Vater war für mich ein Vorbild, was Arbeit, Fleiß oder Geschicklichkeit anbelangte.“

Mit etwa 40 Jahren begann der heute 71-Jährige, die Erinnerung an seine Kindheit in Eschmar aufzuschreiben. Er machte sich Notizen, wer wo wohnte. das sei auch gut so gewesen, denn heute sei in dem kleinen Örtchen auch nichts mehr so, wie es früher einmal gewesen sei.

Fast auf den Tag genau drei Jahre später, nachdem Over die Altstadt-Jungs im GA gesehen hatte, erschienen seine Kindheitserinnerungen. Besondere Unterstützung habe er durch seine Frau Marianne erfahren, die ihn immer gedrängt habe, seine Geschichten zu veröffentlichen. Nach dem Erscheinen seines Buches im April dieses Jahres hat Over viele Reaktionen bekommen. Sie reichten von der Entlarvung kleinerer Ungenauigkeiten bis zu Ergänzungen zu dem, was der kleine Franz so erlebt hatte.

Enkelkinder waren der Antrieb

Over wählt ganz bewusst nicht die Ich-Form für seine Erinnerungen. „Das gab mir mehr Möglichkeiten, das Geschehene auch zu reflektieren“, glaubt er, der mit dieser Art, über sich selbst aus der Distanz des Beobachters zu schreiben, auch die ganz großen Gefühle von damals eher vernachlässigen konnte. „Stimmt, aber Gefühle waren damals ohnehin nicht das große Thema“, so Over.

Indes glaubt er nicht, dass er ein zweites Buch über die Kindheit nach dem Krieg schreiben wird, auch wenn er noch genug Material dazu hätte. Doch will er alle noch Lebenden ermuntern: „Schreibt doch einfach. Keiner hat das Recht, es euch abspenstig zu machen.“ Für ihn sind die Kindheitserinnerungen deshalb so wichtig, weil er sie für seine Enkel Finn, Valentina, Anna und Rafael erzählen wollte, die erlebten Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit.

Rauchzeichen und kleine Fische, Kindheitserinnerungen von Franz Over, kann man über den Buchhandel oder direkt im Online-Shop unter supr.com/franz-over-books für 12,90 Euro beziehen.

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