Antrag der Islamischen Gemeinde abgelehnt Niederkassel lehnt islamischen Gebetsruf durch Muezzin ab

Niederkassel · Enttäuschung für die Islamische Gemeinde in Niederkassel: Zum Beginn des Fastenmonats Ramadan darf kein Muezzin vom Minarett der Moschee rufen. Der Bürgermeister hatte das abgelehnt und sich auf einen Grundbucheintrag berufen. Viele Bürger standen offenbar dem Wunsch der Muslime offen gegenüber.

 Die Ditib-Moschee mit Minarett in Niederkassel.

Die Ditib-Moschee mit Minarett in Niederkassel.

Foto: Hans-Werner Klinkhammels

Corona-Zeiten bedeuten für alle Gläubigen Einschränkungen. Die christlichen Kirchen setzen seit einigen Wochen ein ökumenisches Hoffnungs-Zeichen und läuten jeden Abend die Glocken. Mit Muezzin-Rufen zum Beginn des Fastenmonats Ramadan am 23. April wollte auch die Ditib Türkisch-Islamische Gemeinde zu Niederkassel ein Signal setzen, ist aber mit ihrem Antrag gescheitert.

Normalerweise treffen sich die Muslime in der Moschee in Lülsdorf, um dann auch das Fastenbrechen zusammen zu feiern. Versammlungen in Kirchen, Moscheen und Synagogen sind aber zurzeit verboten.

Gemeinde hofft auf eine Ausnahme

Dies ist für die Ditib-Gemeinde, deren Moschee 1996 eröffnet wurde, nach eigenen Angaben ein großes religiöses Problem – da müsste es doch möglich sein, dass in einer solchen Ausnahmesituation der Muezzin vom Minarett der Selimiye Moschee rufen dürfte, meint sie.

Gemeindemitglied und Pressesprecher Haxhi Muzafer Mamuti stellte zunächst eine Umfrage in die sozialen Netzwerke, um die Meinung der Niederkasseler zu erfahren. Von den ersten rund 230 Teilnehmern sprachen sich 155 für eine zeitlich begrenzte Erlaubnis für den Muezzinruf aus. 68 waren dagegen, drei wünschten sich den Ruf in deutscher Sprache.

Positives Echo auf Facebook

Das ermutigte die Gemeinde, bei Niederkassels Bürgermeister Stephan Vehreschild die Erlaubnis für den Muezzinruf in der Zeit des Ramadan zu beantragen. Er solle einmal täglich um etwa 21 Uhr relativ leise die Gläubigen zum Gebet rufen.

Pfarrerin Katharina Stork-Denker von der benachbarten evangelischen Emmaus Kirche sagte dazu: „Für mich persönlich ist das in Ordnung.Wir haben aber noch nicht im Presbyterium drüber gesprochen.“

Ausrufe vom Minarett verboten

Vehreschild lehnte den Antrag jedoch aus rechtlichen Gründen ab. Es sei eine Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen worden: Die islamische Gemeinde habe sich beim Kauf des Grundstücks Anfang der 90er Jahre verpflichtet, dass „Ausrufe oder Gebete, die sich nach außen und auf das Gebiet außerhalb des Grundbesitzes auswirken, insbesondere Ausrufe und Ausrufe oder Gebete auf einem Minarett, durch einen Ausrufer oder durch technische Mittel“ unterbleiben.

Diese beschränkt persönliche Dienstbarkeit sei bindend. Er bedauere, keine andere Antwort geben zu können, so Vehreschild.

Christliche Kirchen und Politiker sind offen

Martina Friedrichs vom Vorstandsteam des Pfarrgemeinderates der katholischen Pfarreiengemeinschaft Siegmündung ist enttäuscht: „Ich hätte es schön gefunden, unseren muslimischen Mitbürgern den Gebetsruf zu gestatten, vor allem da es sich nur um eine Ausnahme handeln sollte. Da sind vielleicht unsere Kirchen gefragt, vielleicht als Zeichen von Solidarität und gegenseitigem Respekt.“

Ins gleiche Horn stößt die Ortsverbandssprecherin der Niederkasseler Grünen, Dorothee Dohms: „Die Glocken läuten doch auch, und nur für diesen Ramadanmonat und in dieser aktuellen Ausnahmesituation sollte es möglich sein.“

SPD: Stadtrat soll entscheiden

Friedrich Reusch, Fraktionsvorsitzender der SPD, ist befremdet. Er habe die Debatte auf Facebook verfolgt. „Keinerlei Information hatten die Sozialdemokraten, dass der Bürgermeister eingeschaltet war und den Antrag der muslimischen Gemeinde abgelehnt hat – mit dem Hinweis auf den dreißig Jahre zurückliegenden Grundbucheintrag, nach dem keine Rufe des Muezzin zugelassen sind“, so Reusch. „Natürlich gibt es auch in diesen Ausnahmezeiten Regelungen der Gemeindeordnung, mit solchen Beschlüssen demokratisch umzugehen.“

Die muslimische Gemeinde werde einen erneuten Antrag schreiben und ihn auch gleich den Fraktionen zur Kenntnis bringen. Dann könne der Stadtrat entscheiden, „zur Not per Mail-Umfrage und Dringlichkeitsentscheidung“, meint Reusch.

Rechtsanwalt: Grundbucheintrag ist bindend

Völlig anderer Meinung ist Markus Kitz, Fraktionschef der CDU. „Der Bürgermeister und alle vereidigten Ratsmitglieder sind dazu verpflichtet, Recht und Gesetz zu verteidigen und zu achten, auch wenn es manchmal leichter und trendiger wäre, ein Auge zuzudrücken. Wir sind in einem Rechtsstaat, und ein Bürgermeister oder wer auch immer können sich nicht beliebig über einen notariell beurkundeten Grundbucheintrag hinwegsetzen. Ich gehe aber davon aus, dass sich Gläubige aller Konfessionen und Religionen bereits in den nächsten ein bis zwei Wochen unter Auflagen wieder in ihren Gotteshäusern versammeln können, um gemeinsam zu beten, singen und feiern, ganz gleich, ob die Auferstehung des Sohnes Gottes in der Osterzeit oder das Fastenbrechen im Ramadan, und das freut uns alle.“ So sieht es auch Rechtsanwalt Jörg Schrewentigges, der den Grundbucheintrag als hohes Gut betrachtet: ein verbrieftes Recht, das nicht aus einer Laune oder Situation heraus ausgehebelt werden könne.

Ein anderer Ansatz kommt von einer Anwohnerin: In der Nähe der Moschee befänden sich ein Kindergarten, zwei Schulen, eine evangelische Kirche, ein Sportplatz und auch Wohnsiedlungen. Daher sei das generelle Ausrufeverbot vertraglich festgesetzt worden. In den Wohnhäusern lebten viele Familien mit Kleinkindern und alte, kranke Menschen, die auf ihre Ruhe angewiesen sind. „Es ist schade, für alle Gläubigen aller Religionsrichtungen. Aber wir zahlen alle den Preis, nicht nur die Muslime.“

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