Prozessauftakt Niederkasseler wegen Millionen-Betrugs vor Gericht

Bonn/Niederkassel · Ein 55-jähriger Geschäftsmann aus Niederkassel soll Sozialabgaben vorenthalten und in 133 Fällen betrogen haben. Der Schaden beläuft sich laut Anklage auf rund 13,5 Millionen Euro.

 Prozessauftakt: Der Angeklagte mit seinen Anwälten.

Prozessauftakt: Der Angeklagte mit seinen Anwälten.

Foto: Alf Kaufmann

Es ist ein Mammutprozess, der vor dem Bonner Landgericht begonnen hat. Fast 40 Prozesstage hat die Wirtschaftskammer bislang festgelegt; voraussichtlich soll bis Ende des Jahres verhandelt werden. Im Mittelpunkt des aufsehenerregenden Prozesses steht ein 55 Jahre alter Bauunternehmer aus Niederkassel. Der Familienvater galt jahrelang als angesehener Geschäftsmann, war zudem politisch aktiv. Nun droht ihm ein tiefer Fall: Ohne Handschellen, aber begleitet von zwei Justizbeamten, wurde der türkischstämmige Firmenchef, der zurzeit in der JVA Köln einsitzt, zum Prozessauftakt in den Gerichtsaal gebracht.

Dort erwarten ihn gleich zwei Anklagen: Zum einen muss er sich wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Sozialabgaben, gewerbsmäßigen Betrugs sowie Vereitelung einer Zwangsvollstreckung in 133 Fällen verantworten. Der Vorwurf: Die Arbeiter seines erfolgreichen Bauimperiums sollen zum Schein bei einer türkischen Baufirma angeheuert worden sein, aber ausschließlich in Deutschland gearbeitet haben. Dadurch soll der Bauunternehmer im Zeitraum von Januar 2006 bis Ende August 2016 die Sozialabgaben für seine eingeflogenen Leiharbeiter gespart und bei der Deutschen Rentenversicherung einen Schaden in Höhe von elf Millionen Euro verursacht haben.

Zudem wird ihm Erlangen von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen in Höhe von rund 2,46 Millionen Euro vorgeworfen. Durch nicht übersetzte Dokumente soll er sich Vollmachten seiner Arbeiter gesichert und deren Erstattung der Einkommensteuer einkassiert haben.

Sechs Jahre lang hatte die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt und nun die umfangreichen Anklageschriften verlesen. Dabei wirkte der Unternehmer, der in dunkelblauem Anzug im Gerichtssaal erschien, zwar beherrscht, aber sichtlich angespannt. Immer wieder wanderte sein Blick in Richtung Zuschauersaal, wo Angehörige Platz genommen hatten. Lange musste sich der Mann dem Blitzlichtgewitter der Medien und der interessierten Öffentlichkeit aber nicht aussetzen: Der Auftakt des Verfahrens dauerte kaum eine Stunde.

Dabei ging es vor allem um die Haftsituation des 55-Jährigen. Im Vorfeld des Prozesses habe es zwei Gespräche gegeben, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Stollenwerk. Die Anwälte des Bauunternehmers hatten in Aussicht gestellt, ihr Mandant werde einräumen, dass die meisten Arbeiter, die in Deutschland gearbeitet haben, in der Türkei nicht tätig waren. Voraussetzung: Er solle aus der Untersuchungshaft entlassen werden. „Das wäre zwar kein komplettes Schuldeingeständnis, aber immerhin schon mal ein Tatsachengeständnis“, so Richter Stollenwerk. Bei dieser Einlassung könne die Kammer eine Verdunkelungsgefahr verneinen. Die Staatsanwaltschaft stellt sich bislang aber quer: Sie würde trotz dieser Einlassung weiterhin eine Fluchtgefahr sehen. Darüber hinaus soll der Firmenchef rund acht Millionen Euro an Sicherheiten angeboten haben. Unabhängig vom Ausgang dieser Debatte kündigten die Anwälte des 55-Jährigen für die nächsten Prozesstage eine umfangreiche Einlassung ihres Mandanten an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort