Kommunalpolitik Niederkassel SPD-Urgestein Schulz verlässt politische Bühne

Niederkassel · Der ehemalige Niederkasseler Bürgermeister Jürgen Schulz gibt nach fast 40 Jahren sein Ratsmandat ab. Sein politisches Leben hat er in 38 Kalendern terminiert.

 Jürgen Schulz hat die Termine seines politischen Lebens akribisch in 38 Kalendern notiert.

Jürgen Schulz hat die Termine seines politischen Lebens akribisch in 38 Kalendern notiert.

Foto: Martina Welt

Die 38 kleinen Kalender stehen fein säuberlich sortiert im Wohnzimmerregal. Sie beinhalten das politische Leben des Niederkasseler SPD-Urgesteins Jürgen Schulz, der sich am Dienstag, 12. Dezember, in der Ratssitzung verabschieden wird. Nach fast 40 Jahren, in denen er entscheidend an der politischen Entwicklung der Stadt beteiligt war, darunter fünf Jahre als ehrenamtlicher Bürgermeister, geht der 75-Jährige in den endgültigen Ruhestand.

Besonders stolz ist Schulz darauf, dass in seinen Kalendern an so gut wie jedem Tag ein „G“ für Geburtstag notiert ist. An manchen Tagen waren es sogar zwei oder drei Geburtstage, und dahinter steht immer ein feines Kreuz, welches wiederum bedeutet, dass der Termin erledigt wurde. Er besuchte die Niederkasseler nicht nur zum Geburtstag, auch an Weihnachten klingelte er damals als Bürgermeister an der Tür der über 80-Jährigen und überreichte ihnen eine Tüte mit Leckereien. „Es zählte zu den schönsten Aufgaben, wenn ich das Leuchten in den Augen der älteren Menschen gesehen habe“, sagt Schulz rückblickend, und er bedauert, dass die persönlichen Dinge in der Politik der Stadt alle abgeschafft wurden.

Den Höhepunkt seiner politischen Karriere – das Bürgermeisteramt – übte Schulz von 1984 bis 1989 aus. „Ich war ein Mann der Mitte.“ Deshalb sei er in dieser Zeit für dieses Amt geeignet gewesen, denn es habe Gruppen gegeben, die sich abzuspalten drohten. „Wir waren Fremde, die nichts mit den rheinischen Familienbanden zu tun hatten“, meint Schulz schmunzelnd. Er ist mit seiner Familie 1972 nach Niederkassel gezogen. Die gesamte Familie habe damals abgewogen, ob er dieses Amt wirklich übernehmen sollte. Die positiven Argumente überwogen, Schulz entschied sich zu kandidieren. Es gab eine Listenverbindung von SPD, Grünen und der unabhängigen Wählergemeinschaft, und der gelernte Schlosser aus Nordhorn in Niedersachsen wurde SPD-Bürgermeister im rheinländischen Niederkassel.

Jürgen Schulz erinnert sich zurück

Gerne erinnert er sich allerdings nicht an diese Zeit neben Stadtdirektor Karl-Josef Arnold. „Das war eine sehr schlimme Zeit“, sagt er. Arnold habe bei seinem Abschied gesagt: „Ich bin stolz darauf, Herr Bürgermeister, ihnen nie geholfen zu haben.“ Das kann Schulz bis heute nicht vergessen, ebenso wenig wie die politische Kultur der Konfrontation, die zuweilen überhandnahm.

Großer Vermittler dieser Zeit sei Franz Haverkamp gewesen, der sein Ziel immer vor Augen gehabt habe. „Nicht umsonst hat ihn Walter Esser, der nach mir Bürgermeister wurde, in die Stadtentwicklungsgesellschaft berufen.“ Auch die zähen Debatten in den Fraktionssitzungen jeden Montag, vergisst das SPD-Urgestein nicht. „Es dauerte oftmals bis tief in die Nacht hinein, bis wir endlich zu einer Einigung kamen.“ 1989 wurde Schulz in den Kreistag gewählt und war 15 Jahre lang als stellvertretender Bürgermeister in Niederkassel aktiv. Blättert man durch seine akribisch geführten kleinen Kalender, könnte man hinter ihm eine eher pedantische Natur vermuten.

„Das sagen mir auch manche Menschen nach“, gesteht Schulz. Er könne aber auch sehr schlampig sein und Dinge einfach liegen lassen, beschreibt er eine andere persönliche Seite. Schulz ist Sozialdemokrat durch und durch und bedauert es sehr, dass aktuell nur neun Genossen im Niederkasseler Rat sitzen, wo sich auch schon mal 14 SPD-Vertreter tummelten. „Meine Heimat ist die Sozialdemokratie“, sagt der gelernte Schlosser, der später seinen Meister im Sanitärbereich gemacht hat. 1990 bildete er sich zum Sicherheitsingenieur fort und war zuletzt beim Gerling-Konzern zuständig für Arbeitssicherheit und Umweltschutz.

Neben der politischen Arbeit betätigte er sich als stellvertretender Schiedsmann und war Schöffe am Bonner Landgericht. 2004 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Schulz hat einen Sohn und eine Tochter sowie vier Enkelkinder. Zu seiner Patchwork-familie zählen heute die beiden Kinder und fünf Enkel seiner Lebensgefährtin Christa Schaar.

Die beiden beginnen den Tag mit einer Fahrradtour von 20 Kilometern. Seine Urlaube hat Schulz 31 Jahre lang in Holland verbracht. Auch das Fotografieren zählte zu den Hobbys des Nordlichtes, sowie die Spaziergänge mit seinen Hunden.

Heute ist es vor allem der Chor der Evonik, in den er seine Leidenschaft steckt. „Ich habe immer gerne gesungen, und wenn ich gewusst hätte, wie viel Freude es mir bereitet, wäre ich dem Chor schon viel früher beigetreten“, sagt er. Genau dieses Hobby will er ausbauen, wenn er montags nicht mehr zu den Fraktionssitzungen der SPD ins Rathaus gehen muss.

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