Kommunalwahl 2020 in Niederkassel Verkehr ist das Thema der wachsenden Stadt

Niederkassel · Der Bedarf an Wohnraum drückt auf die Stadt Niederkassel, denn die Infrastruktur muss mithalten. Doch geplante Großprojekte von Bund und Land werden nicht von allen Bürgern geliebt.

Auf der Trasse der Güterbahn der Evonik in Niederkassel könnte in Zukunft eine Stadtbahn fahren.

Auf der Trasse der Güterbahn der Evonik in Niederkassel könnte in Zukunft eine Stadtbahn fahren.

Foto: Martina Welt

Niederkassel erstreckt sich entlang des Rheins, dem Fluss, der für die Stadt Fluch und Segen zugleich ist. Er übt eine starke Anziehungskraft auf die Menschen aus und ist somit der Garant für die Attraktivität der Stadt zwischen Köln und Bonn. Das allerdings bringt auch den enormen Wachstumsdruck auf die Stadt mit sich und sorgt für große infrastrukturelle Herausforderungen – angefangen beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) über Kitas und Schulen bis hin zu neuen Straßen. Selbst die Kläranlage wird angesichts des stetigen Wachstums irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Den Takt hat in der Stadt seit der letzten Kommunalwahl vor allem die CDU in Niederkassel vorgegeben, denn sie erhielt von den Wählern die absolute Mehrheit im Rat und konnte so ihre Vorstellungen durchsetzen.

Großbauprojekte, die vor sechs Jahren eher als zukunftsferne Visionen galten, sind zwischenzeitig so konkret geworden, dass sie die Stadt zu spalten drohen. Dazu zählt die neue Rheinquerung, die für so manchen überraschend ganz oben auf der Prioritätenliste des Bundesverkehrswegeplans landete. Die Proteste der Niederkasseler sind dort umso stärker, je näher die Menschen an einer der möglichen Trassen wohnen. Auch die Stadtbahn, die zwar durchweg gewollt ist und jetzt offenbar schneller umgesetzt werden soll als ursprünglich gedacht, hat nicht nur Befürworter. So mancher hat sein Häuschen in direkter Nachbarschaft erbaut, wohl wissend, dass dort bisher maximal viermal am Tag ein Güterzug der Evonik vorbeikommt.

Nicht zuletzt sorgt der Industriestandort der Evonik selbst derzeit für Proteste in der sonst eher verschlafenen Stadt, in der die Menschen leben, um von dort aus nach Bonn oder Köln zur Arbeit zu fahren. Denn der Großkonzern plant die Standortrettung mit der Ansiedlung einer Produktionsanlage für Ethylenoxid (EO), das dann an Ort und Stelle zum großen Teil auch weiterverarbeitet wird. Die Angst der Anwohner: Die Chemikalie ist giftig, hochentzündlich und krebserregend. Eng wird es auch in den Schulen der Stadt. Die neue Gesamtschule am Schulzentrum Nord wächst stetig. Die Stadt hat eine Kraftanstrengung vor sich, um die Erweiterungsbauten von rund 30 Millionen nur an Netto-Baukosten stemmen zu können. Eine endgültige Lösung für die aus allen Nähten platzende Förderschule ist auch noch nicht gefunden. In der Erweiterung des Schulzentrums liegt für die Vereine eine große Chance, auch ihre Wünsche umzusetzen. Mit der neuen Mehrzweckhalle könnte endlich der langersehnte Raum für die zahlreichen Vereine vor Ort geschaffen werden.

■ Rheinquerung: Die ursprünglich geplante Brücke über den Rhein will eigentlich kaum noch jemand in Niederkassel. Nach dem Willen der Niederkasseler sollte die Rheinquerung unterirdisch erfolgen, auch wenn das wesentlich teurer würde als eine Brücke. Denn auf den Lärm, die Luftverschmutzung und möglicherweise sogar die Beeinträchtigung wichtiger Ökosysteme will sich die Stadt nicht einlassen. Noch gibt es keine festgelegte Trasse, auf der die Rheinquerung verlaufen soll, die dann die A 555 mit der A 59 verbindet. Fest steht nur, dass es eine Autobahn wird, denn sonst würde der Bund nicht investieren.

Für die Stadt wäre dabei von entscheidender Wichtigkeit, dass sie an wenigstens einer Stelle an diese Autobahn angebunden wird, damit sie auch profitiert und nicht nur die negativen Auswirkungen zu spüren bekommt. Derzeit werden die möglichen Varianten nach unterschiedlichen Kriterien bewertet, die Ergebnisse sollen im November vorliegen. Gegen die Rheinquerung haben sich in Niederkassel mehrere Bürgerinitiativen entwickelt. Sie sind inzwischen auch mit den Kölner Initiativen vernetzt. Auch die Grünen haben sich ihren Protesten angeschlossen. Für die SPD ist die Rheinquerung nur auf der Schiene sinnvoll, neue Straßen wollen die Genossen nicht. Die CDU steht für eine Tunnellösung.

■ Stadtbahn: Die Stadtbahn hat einen gehörigen Schub durch den Rhein-Sieg-Kreis bekommen. Die Verkehrsplaner des Kreises haben das Projekt vorangetrieben und eine Machbarkeitsstudie erstellt, die durchweg positiv ausfiel. Niederkassel müsste sich an der Stadtbahn mit rund 44 Millionen Euro beteiligen, wäre dann aber als letzte Stadt im Rhein-Sieg-Kreis auch per Schiene mit dem öffentlichen Verkehrsnetz und insbesondere mit den beiden Großstädten Köln und Bonn verbunden.

Die Aussicht auf Realisierung ist gut. Schwierig wird es nur über die Siegbrücke, wo die Bahn nur eingleisig auf der aktuellen Busspur fahren könnte. Für die Industriebahn der Evonik soll eine neue Trasse gefunden und gebaut werden, die dann auf direktem Weg Richtung Troisdorf führt.

■ Umgehungsstraße: Tiefes Durchatmen verursachte die Entscheidung der Bezirksregierung bei den Mondorfern und Rheidtern, grünes Licht zu geben für die Fortsetzung der Umgehungsstraße, die aktuell an der Marktstraße in Rheidt endet. Im kommenden Jahr sollen die Bagger rollen. Aktuell baut die Stadt gerade die Südstraße aus, als einen wichtigen Zubringer, der hinter dem Sportzentrum dann mit einem Kreisverkehr an die dann neue Umgehungsstraße angeschlossen werden soll.

■ Schulzentrum Nord: Die Erweiterung des Schulzentrums Nord in Lülsdorf ist mit Abstand das größte Bauprojekt, welches die Stadt in den kommenden Jahren mit Nachdruck verfolgen muss. Schon jetzt wächst das Containerdorf auf dem Schulgelände mit jedem Schuljahr, denn der Raum für die Gesamtschule reicht bei Weitem nicht aus, um die steigenden Schülerzahlen unterzubringen. Nachdem die Stadt eine landwirtschaftlich genutzte Fläche östlich des bestehenden Geländes erwerben konnte, war die Richtung, in welche sich die neuen Schulgebäude entwickeln sollen, vorgegeben.

Das widersprach jedoch den Plänen, die einige Christdemokraten offenbar hatten. Ihrer Meinung nach sollte ein Sportzentrum mit dann zwei Hallen an einem Ort entstehen. Auch die Stadtbahntrasse auf der Premnitzer Straße kam ihnen in die Quere und das sorgte für Verzögerungen dieser ersten Richtungsentscheidung, die erst vor wenigen Tagen im Ausschuss gefällt wurde. Eine Schülergeneration wird sich wohl mit der Baustelle auf dem Schulzentrum arrangieren müssen, denn vier Jahre sind mindestens geplant, bevor die neuen Räume bezogen werden können.

■ Badesee: Ein Thema, das vor sechs Jahren noch hohen Stellenwert hatte, wird kaum noch thematisiert. Es ist der Badesee, der zunächst in der Kiesgrube in Mondorf umgesetzt werden sollte, dann jedoch wegen der mausernden Tauchente und anderen Zugvögeln, die sich dort eingenistet hatten, nach Niederkassel verlegt wurde. Allerdings nur gedanklich, denn dort wird noch bis 2022 Kies abgebaut. Ob der See sich dann umsetzen lässt, ist fraglich. Auch Baugebiete mussten oftmals dem Naturschutz weichen. Der wohlklingende Name „Im Lustgarten“, der als Flurname für ein Baugebiet in Ranzel steht, wurde wegen Fledermauspopulationen neu geplant. Weitere neue Wohnungen mit Seniorenwohnheim und einer weiteren Kita entstehen an der Litauer Straße in Rheidt.

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