Situation in der Ausländerbehörde Abschiebepraxis im Rhein-Sieg-Kreis kommt auf den Prüfstand

Rhein-Sieg-Kreis · Das Ausländeramt im Rhein-Sieg-Kreis ist unterbesetzt und braucht für die Bearbeitung von Fällen sechs bis zwölf Monate. Eine Organisationsuntersuchung soll bis Ende des Jahres vorliegen.

 Anfang Mai demonstrierten rund hundert Menschen vor dem Kreishaus in Siegburg gegen die Abschiebung einer albanischen Familie.

Anfang Mai demonstrierten rund hundert Menschen vor dem Kreishaus in Siegburg gegen die Abschiebung einer albanischen Familie.

Foto: Ingo Eisner

Die Situation in der Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises ist unbefriedigend. Darüber herrscht in den Fraktionen weitgehend Einigkeit, nicht aber über die Forderung der SPD, einen definierten Kriterienkatalog für die Abschiebepraxis aufzustellen. Auch Landrat Sebastian Schuster lehnt das ab. Ute Krupp, Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion im Personalausschuss, beschrieb die Lage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als „schon seit langem schwierig“, weil deren Arbeit immer komplexer werde und sie ihre Aufgaben in immer kürzerer Zeit zu erledigen hätten.

Dass in der Vergangenheit auch noch technische Probleme mit der IT-Ausstattung hinzukamen, habe die Wartezeit der betroffenen Menschen nochmal verlängert. Daher hatte die SPD beantragt, die Kreisverwaltung möge ein Konzept erarbeiten, „das einerseits eine deutliche Beschleunigung der Bearbeitungszeit von migrationsrechtlichen Fällen beinhaltet und in dem andererseits Kriterien gelingender Integration ausdefiniert werden, wodurch Aufenthaltsentscheidungen auf eine solide und nachvollziehbare Grundlage gestellt werden“.

Entscheidung trifft das Ausländeramt

Hintergrund des SPD-Antrags seien einige „Fehlentscheidungen im Ausländeramt“. Dort seien Menschen mit vermeintlich guten Integrationsperspektiven, die viele ehrenamtliche Integrationshelfer bescheinigten, aus dem Rhein-Sieg Reiz trotz drohender Gefahren abgeschoben worden. Die Bearbeitung von migrationsrechtlichen Fällen dauere nach Recherchen der SPD in der Regel sechs bis zwölf Monate, was die Kreisverwaltung jetzt bestätigte.

Davon abgesehen möchten die Sozialdemokraten von der Verwaltung vorgelegt bekommen, aufgrund welcher Kriterien ein migrationsrechtlicher Fall entschieden werde. Aus Sicht der Fraktion müssten klare Kriterien geschaffen werden, um deutlich zu machen, warum beispielsweise ein Asylverfahren negativ beschieden wird. „Das schafft Transparenz, Klarheit und Verlässlichkeit“, heißt es in dem Antrag.

Organisationsuntersuchung kommt

Jürgen Becker (CDU) sagte, die Entscheidung über den Aufenthaltsstatus von Betroffenen obliege dem Ausländeramt, die ihre Entscheidungen wiederum auf Grundlage des Ausländerrechts fällten. An diese gesetzlichen Vorgaben sei die Verwaltung schließlich gebunden. Tatsächlich sehe er aber auch, dass die Bearbeitungszeit aufgrund der schwierigen Personalsituation zu lang sei und beschleunigt werden müsste. Er schlug vor, das Ergebnis einer Organisationsuntersuchung abzuwarten und die weitere Diskussion zu vertagen.

Auf die Organisationsuntersuchung in der Ausländerbehörde hatte der Landrat in einer ausführlichen Stellungnahme hingewiesen. Das Ergebnis werde voraussichtlich Ende des Jahres vorliegen. Die Führungskräfte der Ausländerbehörde arbeiteten zudem „permanent an einer Optimierung der Verfahrensabläufe“. Weiteres Personal sei bewilligt. Zur Unterstützung bei der Überprüfung von Abschiebungsfällen habe die Ausländerbehörde zudem Fördermittel vom Land NRW für eine 0,75 Personalstelle bekommen. Die Stelle sei zurzeit ausgeschrieben.

Vorwurf von Fehlentscheidungen zurückgewiesen

Tatsächlich hätten Rückstände aus der Flüchtlingswelle, hohe Fluktuation innerhalb des Amtes sowie Krankheiten und Schwangerschaften zu einem erheblichen Rückstau der Bearbeitungen geführt. Dies sei für alle Beteiligten unbefriedigend, sagte Schuster. Indes hätten auch andere Ausländerbehörden solche Probleme.

Den Vorwurf von Fehlentscheidungen seiner Behörde wies Schuster energisch von sich. Der Landrat stellte klar, dass die Bewilligung oder Ablehnung eines Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolge. Die Ausländerbehörde prüfe lediglich „inländische Vollstreckungshindernisse“ wie etwa eine Reiseunfähigkeit. Abgelehnte Asylbewerber seien ausreisepflichtig. Wenn eine Ausreise nicht freiwillig erfolge, sei sie „im Wege der Abschiebung umzusetzen“.

Kein Anspruch auf Bleiberecht

Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit geschaffen, gut integrierten langjährig geduldeten Ausländern auch nach einer negativen Asylentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Dies werde in jedem Fall vor einer Abschiebung geprüft. Dabei stünde die Behörde auch im Austausch mit ehrenamtlichen Integrationshelfern und Wohlfahrtsverbänden. Diese würden einzelne Fälle vielleicht anders beurteilen als die Behörde, weil es in der Regel „um unterschiedliche Bewertungen des Tatsachenvortrages“ ginge.

Daraus könne aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es dort zu Fehlentscheidungen komme. Beim Fall der Abschiebung der Familie nach Albanien habe es bereits im Vorfeld eine Vielzahl von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gegeben. Auch das Oberverwaltungsgericht habe in diesem Fall bestätigt, dass die Familie keinen Anspruch auf Bleiberecht gehabt habe.

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