Klimaschutz in Sankt Augustin "Als Kommune ist man Teil des Ganzen"

Ihre Stelle wurde neu geschaffen. Seit mehr als einem Jahr ist Natalie Nellißen die Klimaschutzmanagerin in Sankt Augustin. Die 34-Jährige arbeitet mit viel Tempo daran, ein Netzwerk zum nachhaltigen Handeln in der Stadt aufzubauen und hat schon so einiges aus dem Klimaschutzprogramm mit auf den Weg gebracht. Mit ihr sprach Michael Lehnberg.

Unterwegs für das gute Klima: Klimaschutzmanagerin Natalie Nellißen und ihr Fahrrad.

Unterwegs für das gute Klima: Klimaschutzmanagerin Natalie Nellißen und ihr Fahrrad.

Foto: Michael Lehnberg

Wie steht es eigentlich um das Klima in der Stadtverwaltung?
Natalie Nellißen: Bezogen auf das Zwischenmenschliche kann ich nur sagen: sehr gut. Ich bin hier gut aufgenommen worden und erlebe sehr viel Hilfsbereitschaft und Unterstützung. Ich habe auch schon viel lachen können. In Sachen Raumklima ist es schon schwieriger in diesem Gebäude aus den 70er Jahren, in allen Räumen immer die gewünschte Temperatur zu bekommen. Damals hat sich niemand über den Energieverbrauch Gedanken gemacht. Da eine energetische Sanierung des Rathauses nicht unbedingt kosteneffizient ist, muss man sich Gedanken machen, wie die baulichen Mängel ausgeglichen werden können, was nicht einfach ist. Ich kenne diese Problematik bereits aus eigener Erfahrung in anderen Gebäuden dieser Zeit.

Wie muss man sich denn einen Arbeitstag als Klimaschutzbeauftragte in einer Stadtverwaltung vorstellen?
Nellißen: Jeder Tag sieht anders aus. Oft geht es um technische Beratung etwa für das Gebäudemanagement in Sachen Wärmeversorgung der städtischen Liegenschaften, die zur Sanierung anstehen. Dazu werden einige Projekte vorbereitet und bearbeitet. Die Bürger wollen eine Beratung und Informationen. Eine meiner Hauptaufgaben ist allerdings auch das Networking, das Zusammenführen der verschiedenen Akteure, intern wie extern. Na ja, und viele, viele andere kleinen Dinge.

Kommunen erzeugen einen großen Teil klimarelevanter Emissionen. Demgegenüber steht ein enormes Einsparpotenzial. Worin liegt das?
Nellißen: Wir als Stadt mit unseren Verbrauchern wie Gebäude, Straßenlampen, Kläranlage und vielem mehr machen nur zwei Prozent des Gesamtenergieverbrauches in der Stadt aus. Die großen Potenziale liegen da naturgemäß woanders. In den vielen privaten Haushalten liegen sie hauptsächlich im Wärmeverbrauch. Im Gewerbe ist es häufig auch der Bedarf an Strom. Und natürlich liegen ganz viele Einsparpotenziale in der Mobilität, sprich im Verkehr. Viele wissen gar nicht, was man selber machen kann, um Energie zu sparen. Wir suchen im Übrigen auch gerade einen Weg mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, wie man Sankt Augustiner Unternehmen motivieren kann, sich am Öko-Profit zu beteiligen.

Was verbirgt sich dahinter?
Nellißen: Es handelt sich dabei unter anderem um eine Art von Energiemanagementsystem. Dabei bekommt das Unternehmen eine externe Beratung, wie es Energie effizienter nutzen und Kosten einsparen kann. Das wird vom Land auch gefördert. Wir sind da derzeit in der Akquise. Bonn macht das schon seit vielen Jahren. Seit geraumer Zeit ist auch der Rhein-Sieg-Kreis mit dabei.

Was konkret kann eine Kommune tun, um als klimafreundlich zu gelten?
Nellißen: Wir wollen als Kommune nicht als klimafreundlich gelten, wir wollen es sein. Dazu muss man erst einmal den Status quo analysieren. Da sind wir gerade sehr intensiv dabei, zumal sich Aufgaben und Ansprüche geändert haben. Dann schauen wir, wo die Potenziale liegen, woraus sich dann wieder die Handlungsfelder ergeben. Dazu gehören Konzepte für eine Reduzierung des Individualverkehrs, etwa Car-Sharing, eine vernünftige Radwegeführung, das Angebot von E-Bikes und Sammelbusse. Wir müssen auch eine Nahversorgung anbieten, die es erlaubt, zu Fuß einkaufen zu gehen. Da greift vieles ineinander: Klimaschutz, Demografie und Mobilität. Klimaschutz ist kein abstrakter Begriff, sondern das Resultat nachhaltigen Handelns.

Die Stadt hat 2008 ein Klimaschutzprogramm aufgelegt. Welche Projekte sind schon umgesetzt worden?
Nellißen: Da ist schon einiges umgesetzt worden. So bezieht die Stadt für ihren gesamten elektrischen Verbrauch Ökostrom. Wir haben Teile der Straßenbeleuchtung bereits umgestellt auf LED. Das setzen wir fort, weil es enorme energetische Einsparungen bedeutet. In Hangelar ist an der Stadtbahnhaltestelle ein Park & Ride-Platz eingerichtet worden, der sehr gut frequentiert wird. Wir haben die Bürgerberatung ausgebaut und die Umweltbildung ausgeweitet. Mit der Energieversorgungsgesellschaft sind Photovoltaik-Projekte auf den Schuldächern umgesetzt worden. Viel Geld sparen wir auch mit dem Blockheizkraftwerk in der Kläranlage, das mit dem Klärgas gespeist wird.

Und welche Projekte stehen noch aus?
Nellißen: Wir sind jetzt gerade dabei, den Fahrplan für den Klimaschutz neu aufzustellen und wollen daraus ein Konzept entwickeln. Derzeit prüfen wir, was wir bereits erreicht haben und welche Ziele wir erreichen wollen. Dann wissen wir auch, was weiterentwickelt werden muss. Ein neuer Aspekt ist etwa die Klimaanpassung. Da müssen wir uns Gedanken darüber machen, ob etwa bei der Entwässerung neue Strukturen geschaffen werden müssen, um mit den häufiger werdenden Starkregenereignissen klarzukommen. Da könnte man etwa daran denken, Dächer zu begrünen. Sie nehmen viel Wasser auf, leisten dazu einen Beitrag für Artenvielfalt und können sogar als Ausgleichfläche dienen. Dazu bieten sie Wärme- und Kälteschutz. Auch in der technischen Entwicklung hat sich viel getan, und es tut sich viel. Es ist schon anspruchsvoll, das alles im Blick zu behalten für eine Kommune.

Ist es nicht frustrierend, wenn kleine Kommunen so große Anstrengungen unternehmen für den Klimaschutz, große Industrienationen wie die USA und China etwa sich darüber nur wenig Gedanken machen?
Nellißen: Als Kommune ist man Teil des Ganzen. Auch wenn es anderen egal ist: Man kann nicht sagen, weil andere nichts tun, machen wir nichts. So kommen wir alle nicht weiter.

Fühlen Sie sich eigentlich als Kommune in Sachen Klimaschutz genügend unterstützt?
Nellißen: Es werden ja Fördergelder über verschiedene Programme von Bund und Land sowie der EU zur Verfügung gestellt. Das Problem, das ich sehe, ist der sogenannte Förderdschungel. Wir müssen sehr viel Zeit aufbringen, um überhaupt herauszufinden, wo es Fördertöpfe gibt und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen. Zumeist sind das Förderungen für investive Maßnahmen. Können wir aber den Eingenanteil wegen des Haushaltssicherungskonzeptes nicht aufbringen, gibt es auch keine Fördergelder. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Mein Eindruck ist, die Kommunen sollen dafür sorgen, dass die Ziele des Bundes erreicht werden. Aber es kommt zu wenig Geld dafür an.

Tauschen Sie sich auch mit anderen Kommunen aus?
Nellißen: Ja, das machen wir unter anderem über den Rhein-Sieg-Kreis. Wir treffen uns regelmäßig zum "Erfahrungsaustausch Klimaschutz". Das hilft, Fehler zu vermeiden. Und man lernt dabei. Dazu sind wir jetzt gerade eingestiegen in den Prozess für den European Energy Award. Da sind wir jetzt Partner geworden. Intern haben wir in der Verwaltung neben der Projektgruppe Klimaschutz ein Energie-Team gegründet. Klimaschutz berührt ja sehr viele Fachbereiche.

Was tun Sie persönlich für ein gesundes Klima?
Nellißen: Ich fahre viel Fahrrad und nutze den ÖPNV. Ich versuche, keine Lebensmittel wegzuschmeißen und vernünftig zu wirtschaften. Wenn es mich zu Hause ein wenig fröstelt, dann ziehe ich mir erst die Strickjacke über, statt sofort die Heizung hochzudrehen. Und viele kleine Dinge mehr, etwa das Licht ausschalten, wenn es nicht benötigt wird.

Zur Person

Natalie Nellißen ist seit April 2013 in der Sankt Augustiner Stadtverwaltung als Klimaschutzmanagerin tätig, wofür eigens eine neue Stelle im Büro für Natur- und Umweltschutz geschaffen worden ist. Nellißen hat Maschinenbau mit dem Schwerpunkt regenerative Energien an der Fachhochschule in Köln studiert, wo sie auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war. Die 34-Jährige ist verheiratet und lebt in Menden.

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