Talk in Sankt Augustin Arbeit 2.0 - Lust oder Frust?

Sankt Augustin · Konträrer könnten die provokanten Thesen der beiden Buchautoren, die am kommenden Donnerstag gemeinsam mit Moderator Thomas Bade vom TV-Sender Phoenix und Hochschul-Präsident Hartmut Ihne als Gastgeber auf dem Podium Platz nehmen werden, kaum sein.

 Die streitbaren Buchautoren: Mathematiker Gunter Dueck...

Die streitbaren Buchautoren: Mathematiker Gunter Dueck...

Foto: Jörn Wolter und Sabine Borns

"Arbeit 2.0 - Lust und Frust in der Leistungsgesellschaft" lautet diesmal das Thema der neuen Veranstaltungsreihe "Talk im Forum Verantwortung", zu der die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg für den 23. Mai um 18 Uhr in die Hochschul- und Kreisbibliothek an der Augustiner Grantham-Allee lädt.

Gunter Dueck ist von Haus aus Mathematiker und war bis vor zwei Jahren Cheftechnologe bei IBM. Seither gibt der heute 61-Jährige als Berufsbezeichnung "Netzwerker" an. Außerdem hat er ein Buch geschrieben: "Das Neue und seine Feinde" (Campus-Verlag).

Der Titel ist Programm. Autor Dueck sieht in der Arbeitswelt all jene, die Neues wollen, von mächtigen Feinden umgeben: Kollegen, aber auch Vorgesetzte wünschen grundsätzlich keine Veränderungen, so seine These. In Unternehmen outet Dueck eine Art Immunsystem, das jede neue Idee wie eine lästige Störung betrachte.

Ferner vertritt der Autor die Überzeugung: Wer sich dem Neuen entgegenstellt (gleich ob einzelne Arbeitnehmer oder komplette Unternehmen), wird zwangsläufig untergehen. Der ehemalige Mathematik-Professor erinnert sich an die Kopfnoten über seinen Grundschul-Zeugnissen: Fleiß, Ordnung, Betragen, Mitarbeit. Das seien aber Tugenden für Zwangsgestörte. Stattdessen hätte da sinnvoller stehen müssen: "Humor, Kreativität, Mut, Energie, Initiative und Unternehmergeist".

In seinem Buch gibt der Ex-IBM-Manager Tipps, wie sich Ideen trotz massiver Widerstände der "Bedenkenträger" dennoch umsetzen lassen, und was dabei an Taktik und Strategie unbedingt zu beachten sei. Unbeantwortet lässt er dabei aber die sich bei der Lektüre rasch aufdrängende Frage, ob Neues zwangsläufig besser sein muss, nur weil es anders ist.

Etwas von oben herab wird das Beispiel der Buchhändler belächelt, die über die Einführung von E-Books wehklagen. Wie dieser massiven existenziellen Bedrohung einer kompletten Einzelhandelsbranche allerdings mit den geforderten Kopfnoten-Tugenden Humor oder Mut beizukommen wäre, erzählt das Buch nicht.

Und wem die Innovation E-Book am Ende nützt, bleibt ebenfalls unerwähnt. Den Autoren jedenfalls auch nicht. Denn nicht wenige Schriftsteller machten bereits die bittere Erfahrung, dass die E-Book-Innovation der Aufforderung zum Diebstahl gleichkommt: Wozu ein Buch kaufen, wenn es übers Internet Mittel und Wege gibt, das Buch illegal zu laden, so wie auch längst Spielfilme oder Musik?

"Wir Genussarbeiter" (Verlag DVA Sachbuch) - so heißt das Buch der 38-jährigen Journalistin und promovierten Philosophin Svenja Flaßpöhler. Ihre These: Wir sind in der modernen Leistungsgesellschaft der globalisierten Welt so abhängig von Anerkennung, so süchtig nach Erfolg geworden, dass wir uns für "Genussarbeiter" halten. Über Smartphone und iPad sind wir allzeit (und bereitwillig) erreichbar, weil es uns Bedeutung, Selbstwert, gar Identität verleiht. Währenddessen ist uns "Genussarbeitern" die Befähigung zum Genießen, etwa die Lust am Müßiggang in der Freizeit, längst abhanden gekommen.

Buchautorin Flaßpöhler geht den kulturellen Ursachen und den seelischen Folgen von Arbeitssucht, Versagensangst und Körperkult nach und beschreibt das prekäre Verhältnis von Arbeit und Zwang in unserer modernen Gesellschaft: "Mich interessiert das Umkippen vom ekstatischen zum exzessiven Arbeiten bis zur Selbstzerstörung."

Nach Ansicht der Philosophin sorgen die Mechanismen der Leistungsgesellschaft dafür, dass nur jener Mensch einen Wert besitzt, der den alltäglichen Konkurrenzkampf gewinnt: "Die Gier nach Anerkennung ist im Kapitalismus ein Überlebensprinzip." Die heutige Managementkultur verlange dem Einzelnen unerbittlichen Ehrgeiz ab, der "Schnäppchenkapitalismus" feiere Geiz und Gier. Flaßpöhler: "Nur so funktioniert der Konkurrenzdruck, der Erfolgsdruck, die Wachstumslogik."

Das klingt reichlich paradox: Wir ackern, um Anerkennung von Vorgesetzten zu erhalten, deren Ansprüche grenzenlos sind. Selbst die modernen Wellness- und Fitness-Tempel zur Vernichtung der Langeweile in der Freizeit seien nichts weiter als Reparaturbetriebe für die alltägliche Hetzjagd im Hamsterrad des Jobs. Gern übersehen werde bei der gnadenlosen Selbstoptimierung: Wir werden niemals perfekt und schon gar nicht ewig jung sein - so sehr wir auch an unseren Körpern herummeißeln.

Somit sei der Workaholic, der Schmerz, Depression, die Angst vor dem Versagen und vor der Sterblichkeit durch Effektivität zu überwältigen sucht, der einzige Süchtige, der es jemals zum gesellschaftlichen Leitbild gebracht hat. Sagt Svenja Flaßpöhler. So konträr die Ansichten der beiden Buchautoren auch sind: Sicher ist zweifellos, dass gerade deshalb ein spannender Abend auf das interessierte Publikum wartet.

"Arbeit 2.0 - Lust und Frust in der Leistungsgesellschaft". Eine Veranstaltung im Rahmen der neuen Reihe "Talk im Forum Verantwortung". Donnerstag, 23. Mai, 18.00 Uhr, Hochschul- und Kreisbibliothek, Sankt Augustin, Grantham-Allee 20. Tickets an der Abendkasse: 8 Euro (ermäßigt 4 Euro), freier Eintritt für Hochschulangehörige.

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