Bonner Landgericht Angeklagter erfindet eine tödliche Krebserkrankung
Bonn/Sankt Augustin · In einem Vergewaltigungsprozess vor dem Bonner Landgericht wollte ein Familienvater aus Sankt Augustin seine Verhandlungsunfähigkeit vortäuschen: Die vorgelegten Atteste der Bonner Uniklinik waren gefälscht.
Wenige Monate nur noch habe er zu leben, hatte der Familienvater aus Sankt Augustin beteuert, den die Bonner Staatsanwaltschaft wegen zweifacher Vergewaltigung seiner Ehefrau sowie gefährlicher Körperverletzung im Frühjahr angeklagt hatte. Er leide, so der 37-Jährige weiter, an einem aggressiven Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Dafür legte der Angeklagte zwei ärztliche Atteste der Uniklinik Bonn vor. Darin bestätigen die Mediziner schwarz auf weiß, dass „die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt“ und seine Lebenserwartung nur noch kurz sei. Angesichts der unheilbaren Erkrankung beantragte der Verteidiger des 37-Jährigen die Einstellung des Verfahrens: Sein Mandant sei schlichtweg verhandlungsunfähig.
Das Bonner Landgericht jedoch war misstrauisch – und hat bei der Uniklinik nachgefragt. Die eindeutige Antwort kam prompt: Dieser Patient sei bei ihnen nicht bekannt, hieß es, die ärztlichen Dokumente seien gefälscht. Die Richter fackelten nicht lange: Wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr wurde Haftbefehl erlassen; seit Ende Juli 2022 sitzt der Familienvater nun hinter Gitter. Sein erster Verteidiger hat – weil er sich ebenfalls hinters Licht geführt fühlte – sein Mandat niedergelegt.
Vor der 10. Großen Strafkammer muss der 37-Jährige sich derzeit mit neuem Verteidiger dem Prozess stellen, vor dem er sich drücken wollte. Die Anklage wirft ihm zwei brutale Vergewaltigungen im Herbst 2014 und im Februar 2021 vor. Beim ersten sexuellen Übergriff soll er die 34-Jährige im Kinderzimmer zudem so gewürgt haben, dass sie keine Luft mehr bekam und ihr schwarz vor Augen wurde. Im zweiten Fall soll er seine Ehefrau geschlagen, sie bäuchlings bis zur Atemnot in den Boden gedrückt haben; anschließend habe er sie mit einer Plastikkratzbürste in Form einer Skeletthand geschlagen und damit auch vergewaltigt. Im Sommer 2019 wird ihm noch eine weitere Körperverletzung vorgeworfen, bei der er den Kopf seiner Ehefrau mit Wucht gegen die Duschwand geschlagen haben soll.
Frau flüchtet mit Kindern ins Frauenhaus
Nach der letzten angeklagten Vergewaltigung im Februar 2021 ist die 34-jährige Mutter in einer Nacht- und Nebelaktion mit ihren drei Kindern im Alter von vier, acht und neun Jahren ins Frauenhaus geflüchtet. Alle Versuche, wieder mit seiner Familie in Kontakt zu kommen, sind seither gescheitert. Die Fälschungen der Arzt-Atteste, so der Angeklagte in seiner Einlassung, habe er ursprünglich für das Familienverfahren entwickelt, um den Umgang mit seinen Kindern zu erzwingen. Als angeblich todkranker Mann war er aufgetreten, der nicht mehr viel Zeit habe, für seine Kinder da zu sein. Auch seinen Lebenslauf soll der Hauptschüler manipuliert und sich mit einem gefälschten Fachabitur sowie Bachelor-Abschluss aufgewertet haben. Damit war es dem 37-Jährigen gelungen, eine steile Karriere vom einfachen Mitarbeiter zum Abteilungsleiter einer großen Firma zu machen.
Die beiden Vergewaltigungen hingegen hat der 36-Jährige bestritten, sie seien von seiner Ehefrau frei erfunden. Deswegen muss die Mutter der drei Kinder ihr Martyrium ausführlich als Zeugin erzählen. Der Prozess wird fortgesetzt.