Altenheim in Sankt Augustin Angehöriger über Vorgehen im Seniorenheim verwundert

Sankt Augustin · Die Mutter von Heinz-Peter True war die erste von 14 Corona-Toten im Altenheim St. Monika in Sankt Augustin. Seine Schilderungen werfen kein gutes Licht auf das Krisenmanagement der Betreiber und des Kreisgesundheitsamtes.

Das CBT-Wohnhaus St. Monika in Sankt Augustin.

Das CBT-Wohnhaus St. Monika in Sankt Augustin.

Foto: Martina Welt

Hätte die unglückliche Kettenreaktion von Sars-CoV-2-Infektionen im CBT-Wohnhaus St. Monika in Sankt Augustin verhindert oder zumindest abgeschwächt werden können? Endgültig klären wird das die Staatsanwaltschaft Bonn, die in der Sache ermittelt. Staatsanwalt Sebastian Buß sagte am Freitag dem GA, die Kripo der Kreispolizeibehörde in Siegburg sei mit den nächsten Ermittlungsschritten beauftragt. Es geht um strafbare Verstöße im Hinblick auf die Coronainfektionen im Altenheim St. Monika.

Das, was Angehörige berichten, wirft kein gutes Licht auf das Krisenmanagement der Betreiber und des Kreisgesundheitsamts. Heinz-Peter True wartet bis heute auf eine Antwort von Landrat Sebastian Schuster. True ist der Sohn der ersten Verstorbenen aus dem CBT-Wohnhaus St. Monika. „Zunächst muss ich sagen, dass wir das Heim immer als perfekt empfunden haben. Insbesondere das Pflegeteam war fantastisch. Umso mehr wundere ich mich über das, was in diesen Tagen passiert ist“, sagt True, der als Inhaber der Unfallinstandsetzung True GmbH selbst Verantwortung für etliche Mitarbeiter trägt, wie er betont.

Wie berichtet, sind bis Freitag 14 Bewohner des Altenheims verstorben, fast 100 waren/sind infiziert und/oder befinden sich in Quarantäne. In der Nacht zu Karfreitag musste ein Teil der Bewohner in Krankenhäuser evakuiert werden.

True wandte sich an den Kreis

Am Samstag, 28. März, sei True abends gegen 20.30 Uhr vom Heim angerufen worden, berichtet er. Es hieß, seiner Mutter gehe es sehr schlecht. „Als ich da ankam, war der Notarzt schon da und sagte, meine Mutter habe schon seit mehreren Tagen sehr hohes Fieber. Über 40 Grad. Als ich zu meiner Mutter rein wollte, um mich zu verabschieden, erhielt ich Schutzkleidung und Mundschutz. Auch der Arzt und die Pfleger arbeiteten mit Schutzkleidung“, erzählt True. Zu diesem Zeitpunkt seien noch weitere sieben oder acht Bewohner sowie zwei Mitarbeiter mit ähnlichen Symptomen behandelt worden.

Am nächsten Tag ging es der Mutter etwas besser, sie war sogar wieder ansprechbar. Danach ging es dann doch wieder stetig bergab. Als der Arzt den Sohn wegen lebensverlängernder Maßnahmen ansprach, verwies dieser auf eine Patientenverfügung. Daraufhin habe True den Arzt gefragt, ob denn ein Abstrich gemacht worden sei. „Der Arzt fragte mich zu meiner Verwunderung, warum er das denn tun sollte? Meine Antwort: Um zu wissen, ob das Corona ist und um die anderen Bewohner zu schützen.“ Am Mittwochmorgen, 1. April, ist die Mutter verstorben.

Den Bestatter habe er gewarnt, dass seine Mutter Corona haben könnte, sagt True. Die Vorgänge habe er dem Chef des Kreisgesundheitsamts Rainer Meilicke geschildert. Der habe lediglich gemeint, es habe ja auch eine „normale Grippe“ sein können. „Zu diesem Zeitpunkt?“, fragt sich True kopfschüttelnd. Die Testung ergab später, dass seine Mutter das Virus hatte. Vom Landrat, den er angeschrieben habe, habe er bis heute keine Antwort erhalten. „Mich erstaunt, dass so spät erst reagiert wurde. Wenn acht oder neun Bewohner am 28. März schon so starke Symptome hatten, waren sie ja schon Tage zuvor erkrankt. Ich frage mich: Warum ist nicht früher etwas zum Schutz der anderen Bewohner geschehen?“

Scharkus drückt ihr „Befremden“ aus

Das fragt sich offenbar auch die Kölner Bezirksregierung. Nach dem GA vorliegenden Unterlagen ist der Rhein-Sieg-Kreis am Karfreitag von Sibylle Scharkus, Fachärztin der Bezirksregierung Köln für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, angemahnt worden, weil das Gesundheits- und Sozialamt des Kreises nicht sofort nach Kenntnis der Vorkommnisse im CBT-Haus in Sankt Augustin tätig geworden seien. Das Schreiben an den für Bevölkerungsschutz beim Rhein-Sieg-Kreis zuständigen Dirk Engstenberg und Kreisgesundheitsamtsleiter Rainer Meilicke beginnt damit, dass Scharkus ihr „Befremden“ ausdrückt.

Es sei doch seit mehreren Tagen bekannt gewesen, dass es viele Covid-19-Fälle im Haus gebe, heißt es da. Dennoch habe es an einem „strikten Management unter Leitung des zuständigen Gesundheitsamts“ gefehlt, um die Versorgung in dem Altenheim auf ordentliche Füße zu stellen. Eine Evakuierung sei unter diesen Gesichtspunkten zu vermeiden gewesen, zumal der Katastrophenschutz des Kreises, der in der Nacht zu Karfreitag eingesprungen war, gar nicht auf solche Situationen eingestellt gewesen sein soll.

„Da war schon Not am Mann“

Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Regierungspräsidentin, verweist auf die kommunale Selbstverwaltung von Kreis und Stadt und räumt im Gespräch mit dem GA ein, dass die Bezirksregierung im Prinzip keine Handhabe habe, in dieser Sache Anweisungen zu geben. Aber die Dringlichkeit sei ja nicht von der Hand zu weisen gewesen. „Da war schon Not am Mann“, begründet Nolte das energische Vorgehen der Virologin.

Der Rhein-Sieg-Kreis verwies am Freitag auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und beantwortete konkrete Anfragen des GA nicht. Er veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der er einen chronologischen Ablauf der Ereignisse aus seiner Sicht darstellt. Das Kreisgesundheitsamt erhielt demnach am Abend des 31. März die Meldung der ersten positiv auf Sars-CoV-2 getesteten Bewohnerin der Senioreneinrichtung, und zwar direkt vom Labor. „Umgehend hat das Gesundheitsamt am nächsten Morgen mit der Heimleitung Kontakt aufgenommen und die notwendigen Schritte eingeleitet“, so der Kreis. Dazu gehörten auch umfangreiche Tests von Personal und Bewohnern am 2. April.

Verwundert stellt die zuständige Virologin bei der Bezirksregierung fest: Ein Personalengpass in der Einrichtung sei noch am Mittwoch in einem Telefonat der Bezirksregierung mit dem für die Heimaufsicht zuständigen Sozialamt „ausgeschlossen worden“. Die Situation kurz vor den Ostertagen kam laut Kreis überraschend. Noch bis zum Mittag des 9. April (Gründonnerstag) habe die Heimleitung versichert, dass die Nachtschicht unproblematisch sei.

Am Nachmittag mussten dann wie berichtet fast alle Mitarbeiter als Kontaktpersonen in häusliche Quarantäne. Engstenberg informierte laut dem GA vorliegenden Unterlagen am Abend Landrat Sebastian Schuster und eine ganze Reihe weiterer Verantwortlicher beim Kreis und bei der Stadt Sankt Augustin, dass der Katastrophenschutz eine Betreuungsstaffel zur Aufrechterhaltung des Pflegebetriebs vor Ort entsendet habe. Engstenberg betont, dass es sich dabei um eine Notfallsituation handele, „die im Rahmen der Daseinsfürsorge des Staates erbracht wird“.

Der Verantwortung korrekt nachgekommen?

Angehörige wie True fragen sich, ob der Kreis seiner Verantwortung als Heimaufsicht korrekt nachgekommen ist, so wie es das Infektionsschutzgesetz vorgibt. In einer aktuellen Antwort Schusters auf eine Anfrage der Grünen-Kreistagsfraktion zum Umgang mit Altenheimen in der Corona-Krise weist dieser auf § 14 des Wohn- und Teilhabegesetzes hin, wonach die Heimaufsicht, also der Kreis, prüft, ob die gesetzlichen Anforderungen und Rechtsverordnungen erfüllt werden.

Das Gesundheitsamt wiederum sei für die Überwachung von infektionshygienisch relevanten Verfahrensweisen zuständig, so der Landrat in seiner Antwort. Schuster räumt ein, dass das Gesundheitsamt „aufgrund der Belastungssituation durch Aufgaben im Kontext der Pandemie“ keine Begehungen durchführen konnte. Gegenüber der SPD-Kreistagsfraktion erklärt der Landrat: „Nach Kenntnisstand der Heimaufsicht gehen die stationären Einrichtungen mit den Regelungen der Verordnungen des Landes im eigenen Interesse in hohem Maße verantwortungsvoll um.“

Kreis: Mittel der Heimaufsicht sind begrenzt

Die Mittel der Heimaufsicht sind laut Kreissprecherin Rita Lorenz begrenzt: Sie könne nur einen Aufnahmestopp oder eine komplette Räumung anordnen. Lorenz: „Ein Aufnahmestopp hätte die Situation in St. Monika nicht geändert und eine komplette Räumung sollte bewusst im Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner vermieden werden.“

Die Stadt Sankt Augustin war nicht dafür zuständig, beispielsweise mit dem Aufruf von Bürgermeister Klaus Schumacher Personal für das Altenheim zu akquirieren. Warum also ist man so vorgegangen? Ali Dogan, Rechtsdezernent und Operativer Leiter des Krisenstabs, sagt: „Das ist richtig. Für die Personalmängelbehebung und den Betrieb des Heimes ist zunächst der Träger, dann die Heimaufsicht zuständig. Für Fragen rund um den Infektionsschutz das Kreisgesundheitsamt. Wir haben lediglich die Ordnungshoheit. Das Einzige, was wir aus unserer Zuständigkeit heraus hätten machen können, wäre, das Heim zu schließen. Aber damit wäre ja keinem geholfen gewesen. Das Problem wäre damit nicht aus der Welt. Denn die Bewohner, und dann nämlich alle, auch die gesunden, hätten dann verlegt werden müssen. Wohin?“

Die Sprecherin der Trägergesellschaft CBT, Annette Zang, betont, dass es bis Ende März 2020 keine Hinweise auf Corona-Infektionen gegeben habe und „alle Betreuungsstandards zur Vermeidung von Infektionen strikt eingehalten worden“ seien. Bei den ersten Symp­tomen einer Bewohnerin sei sofort der Notarzt hinzugezogen und nachfolgend ein Covid-19-Test veranlasst worden. „Die zuständigen Behörden wurden unverzüglich eingebunden“, so Zang.

Der Rhein-Sieg-Kreis habe die Maßnahmen rund um das Altenheim Sankt Monika „von Beginn an konsequent begleitet“, heißt in der Pressemitteilung, „sowohl in Bezug auf die medizinische als auch die heimaufsichtliche Seite. In enger Abstimmung mit der Stadt Sankt Augustin und dem Träger sind alle möglichen Maßnahmen besprochen und verhandelt worden.“ Das durchgeführte Verfahren sei aus Sicht des Kreises „zum damaligen Zeitpunkt“ das „einzig mögliche“ gewesen.

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