GA-Serie "Was steckt eigentlich hinter...?" Das China-Zentrum in Sankt Augustin

Sankt Augustin · Das China-Zentrum in Sankt Augustin informiert seit 30 Jahren und widmet sich der Begegnung und dem Austausch zwischen Kulturen und Religionen im Westen und China.

Stöbert in einem chinesischen Buch: Der Beiratsvorsitzende des China-Zentrums, Steyler-Pater Martin Welling.

Stöbert in einem chinesischen Buch: Der Beiratsvorsitzende des China-Zentrums, Steyler-Pater Martin Welling.

Foto: MEIKE BÖSCHEMEYER

Chinesische Schriftzeichen, Jadefiguren, verzierte Vasen, ein lächelnder Buddha aus Elfenbein – auf den ersten Blick würde man solche Kostbarkeiten aus China nicht im Museum der Steyler Missionare erwarten. Doch nicht nur in der Mission ist der asiatische Raum den Steyler Missionaren nicht fremd: Seit 83 Jahren betreiben die Steyler ihr Institut Monumenta Serica, dass die kulturellen Entwicklungen des chinesischen Raumes von seinen Anfängen bis zum Ende der Qing-Dynastie 1911 analysiert.

1988 wurde vom Deutschen Katholischen Missionsrat auch das China-Zentrum mit gleichnamigem Verein gegründet, das heute seinen Sitz in Sankt Augustin hat. Seit nunmehr 30 Jahren widmen sich die Mitglieder aus katholischen Hilfswerken, Orden und Diözesen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien der Begegnung und dem Austausch zwischen Kulturen und Religionen im Westen und China. Wie bekannt und anerkannt die Arbeit ist, zeigte sich bei der jüngsten Jahresakademie. „China heute“ heißt die Informationsschrift, die das Sankt Augustiner China-Zentrum vier Mal im Jahr in deutscher und englischer Sprache mit wissenschaftlichen Berichten und neuesten Erkenntnissen herausgibt.

Regelmäßige Vorträge bietet das Zentrum ebenso wie die Beantwortung von Anfragen kirchlicher und nicht-kirchlicher Stellen. Glaube in China – das ist ein Buch mit unendlichen Kapiteln, die noch lange nicht zu Ende geschrieben und voller Wendungen sind. An den traditionellen Wurzeln, die Jahrtausende zurückreichen, sind staatlicher Unterdrückung ebenso nicht spurlos vorbeigegangen wie die Globalisierung und eine politische Öffnung. „Wenn man heute nach China reist, sieht man die Tempel, und man sieht Frauen mit Räucherstäbchen in der einen Hand und einer Gucci-Tasche in der anderen Hand“, erklärte Ian Johnson, prominenter Gastredner der jüngsten Jahresakademie, die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen im Reich der Mitte.

Der mehrfach prämierte Journalist war nach einem Studienaufenthalt ab 1994 China-Korrespondent für internationale Zeitungen wie „The Sun“, das „Wall Street Journal“ und die „New York Times“. „Als ich 1984 in China war, sah alles noch ganz anders aus. Wir haben damals viele Tempel besucht, aber die meisten waren leer“, erinnerte sich Johnson: „1985 habe ich China verlassen und geglaubt, dass die Religion in China für immer tot ist.“ Die Mao-Zeit sei nur der Höhepunkt, eine antireligiöse, radikale Elite jedoch bereits in der Qing-Dynastie um 1890 nachweisbar gewesen, so Johnson. Das Ende der Dynastie 1911 ging mit dem Aufruf einher, Statuen in Tempel zu zerschlagen. „Damals kam zum Wortschatz ein völlig neues aus dem japanischen übernommenes Wort dazu: Aberglaube.“ Erst ab 1978 habe sich der staatliche Umgang mit Religion gewandelt, so Johnson. „Und heute vergisst man gern, wie viele Menschen in China religiös sind.“

Das nun veröffentliche erste Weißbuch zeige, dass die Zahl der Protestanten binnen 20 Jahren von zehn auf 38 Millionen, die Zahl der Katholiken von vier auf sechs Millionen gestiegen sei, „oder vermutlich doppelt so hoch ist,“ wie der China-Experte aus seinen Beobachtungen ableitet. Religion vermittle Werte – und genau da habe die Regierung in einer immer wertefreieren Gesellschaft Handlungsbedarf erkannt, so Johnson, der vor Euphorie warnte: „Gleichzeit wurden von 2014 bis 2016 mehr als 1500 Kreuze von Kirchendächern entfernt und Kampagnen gegen Untergrund- und Hauskirchen gestartet.“ Und so wird die Arbeit des China-Zentrums – daran ließ der Experte keinen Zweifel – auf lange Sicht noch spannend und facettenreich bleiben.

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