Interview mit Marcus Lübken Der Beigeordnete zum 25-jährigen Bestehen des Jugendamtes

SANKT AUGUSTIN · Seit 1977 ist Sankt Augustin eine Stadt, seit 1989 hat sie ein eigenes Jugendamt. Mit einem Festakt im Haus Menden feiert die Stadt heute Abend das 25-jährige Bestehen. Wie sich das Jugendamt entwickelt hat und vor welchen Herausforderungen es steht, darüber sprach Michael Lehnberg mit dem Beigeordneten Marcus Lübken.

 Die Kinder und Familien im Fokus: Sankt Augustins Beigeordneter Marcus Lübken.

Die Kinder und Familien im Fokus: Sankt Augustins Beigeordneter Marcus Lübken.

Foto: Michael Lehnberg

Herr Lübken, warum hat sich die Stadt vor 25 Jahren vom Rhein-Sieg-Kreis gelöst und ein eigenes Jugendamt gegründet?
Marcus Lübken: Wir sind damals nach Troisdorf und Niederkassel die dritte Kommune gewesen, die sich ein eigenes Jugendamt gegeben hat. Wir wollten die Fäden der Gestaltung der Kinder- und Jugendphase selber in die Hand nehmen und unseren Fokus auf die Familien richten. Es war damals einfach angezeigt, die zahlreichen Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit, der Erziehungshilfe sowie die Betreuung von Kindern auf die kommunale Ebene zu holen. Außerdem versprach man sich davon auch, Kosten einzusparen. Wir wollten das einfach selber gestalten und mit dem Jugendhilfeausschuss auch politisch steuern.

War das in der Rückschau eine richtige Entscheidung?
Lübken: Ja, es war die absolut richtige Entscheidung. Und ich glaube, wir können auch stolz darauf sein, was die Arbeit des Jugendamtes für die Verbesserung der Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen in den vergangenen 25 Jahren bewirkt hat.

Welche Ziele hat man damals verfolgt?
Lübken: Wir wollten Kinder, Jugendliche und ihre Eltern im positiven Sinne fördern. Da sind die Gründungsmütter- und väter mit viel Elan an die Arbeit gegangen. Wir wollten eine bürgernahe Organisation haben mit Verankerung in den Stadtteilen, die präventive Arbeit stärken und eine kleinräumige und lebensnahe Sozialplanung erstellen. Die Integration war ein wichtiges Handlungsprinzip. Nach diesen Grundsätzen arbeiten wir auch heute.

Mit wie vielen Mitarbeitern ging das Jugendamt an den Start?
Lübken: Angefangen haben wir mit 29 Mitarbeitern. Heute arbeiten 150 Menschen in den fünf Fachdiensten und zwei übergeordneten Einheiten im Jugendamt. Damals betrug der Zuschussbedarf rund 2,2 Millionen Euro, heute sind das rund 18,4 Millionen Euro. Allein diese Zahlen verdeutlichen, bei nur leicht angestiegenen Einwohnerzahlen, welche rasante Entwicklung der kinder-, jugend- und familienfreundliche Ausbau der Stadt genommen hat.

Was waren denn die besonderen Ereignisse in dieser Zeit?
Lübken: Eine große Herausforderung war zunächst die Zusammenführung des Personals. Die Mitarbeiter kamen vom Rhein-Sieg-Kreis, der Stadtverwaltung und von außerhalb. Dazu musste das Jugendamt auch konzeptionell entwickelt werden. 1999 haben wir dann das Jugendamt grundsätzlich neu organisiert und den Fachbereich Kinder, Jugend, Schule gegründet, weil ein stark steigender Bedarf in der Ganztagsbetreuung abzusehen war. Auch die Bildungserwartungen an die Jugendhilfe sind gestiegen. Bildung, Betreuung und Erziehung greifen heute ineinander. Das war früher nicht so. Ganz wichtiger Meilenstein in den 25 Jahren war auch die Gründung des Mendener Jugendzentrums Hotti und des Vereins zur Förderung der städtischen Jugendeinrichtungen als wichtige Akteure in der Jugendarbeit.

Wie hat sich die Jugendhilfe und Jugendarbeit in den vergangenen 25 Jahren verändert?
Lübken: Wir haben heute Jugendarbeit an allen Schulen, das gab es damals nicht. Zu Beginn gab es drei offene Jugendtreffs in Mülldorf, Menden und Buisdorf, heute sind es neun an der Zahl. 1989 haben wir 19 Kindergärten mit 1258 Betreuungsplätzen gehabt, heute sind es 30 Kitas mit 1904 Betreuungsplätzen. Die Familienberatungsstelle verzeichnete damals rund 270 Fälle. Jetzt haben wir 668 betroffene Kinder und Jugendliche mit mehr als 1900 Personen, die in die Beratung mit einbezogen sind. Da ist der Bedarf an Hilfe sehr stark gestiegen. Auch bei den Pflegekindern: 29 waren das 1989, heute sind es 93. Bei der Heimunterbringung waren das 52, heute 83 Kinder und Jugendliche.

Für die Heimunterbringung müssen sie fast acht Millionen Euro im Jahr ausgeben. Wie kann man da gegensteuern?
Lübken: Das geht nur, wenn man die Hilfe so früh wie möglich ansetzt. Darum bemühen wir uns seit vielen Jahren. In
diesem Jahr sind die Zahlen leicht zurückgegangen. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass unsere präventiven Konzepte greifen. Ob der Trend anhält, wird sich im kommenden Jahr zeigen.

Worin sehen Sie die großen Herausforderungen für die Zukunft?
Lübken: Wir müssen weiter bedarfsgerechte Angebote für die Familien entwickeln und vor allen Dingen präventiv arbeiten. Dabei geht es darum, sensibel die Veränderungen in der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen wahrzunehmen und frühzeitig Lösungen zu haben, die im Bedarfsfall schnell greifen. Die Hilfen zur Erziehung werden uns herausfordern, ebenso wie der Prozess der Inklusion in der Kinderbetreuung.

Was kommt da auf das Augustiner Jugendamt zu?
Lübken: Das alles erfordert einen steten strukturellen und konzeptionellen Anpassungsprozess im Jugendamt. Zentrales Thema wird sein, mit anderen Akteuren der Bildung, Erziehung und Entwicklungsförderung zu kooperieren. Jugendhilfe und Jugendarbeit erfordern ein Höchstmaß an Effizienz und eine kritische Überprüfung der internen Prozesse und Verwaltungsabläufe.

Wie steht es eigentlich um das neue Jugendzentrum in Mülldorf?
Lübken: Da kann ich im Moment nichts Neues berichten. Wir arbeiten daran. Der Betrieb im alten Gebäude ist - wenn auch bauaufsichtlich eingeschränkt - bis 2017 gesichert.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Augustiner Jugendamtes?
Lübken: Dass die Netzwerke ausgebaut werden und die Mitarbeiter weiterhin so gute Arbeit leisten wie bisher. Und dass wir unseren Weg mit hohem Innovationspotenzial konsequent weitergehen.

Zur Person

Marcus Lübken ist seit 2008 Beigeordneter der Stadt Sankt Augustin und unter anderem Dezernent für Jugend, Familie und Schule. Seit Juli 2011 bekleidet der gelernte Jurist nebenberuflich das Amt des Geschäftsführers der Energieversorgungsgesellschaft Sankt Augustin (EVG). Marcus Lübken ist 40 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt mit seiner Familie in Niederpleis.

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